Dr. Annemarie Musch
CMC-544
Stoffgruppe
CMC-544 (UCB Pharma, Wyeth Pharma) ist ein Fusionsmolekül aus einem humanisierten gegen CD22 gerichteten Antikörper und einem Calicheamicin-Derivat, einem zytotoxischen Wirkstoff (Abb. 1). Das Fusionsmolekül soll zur Behandlung von Patienten mit follikulärem oder diffus-großzelligem Non-Hodgkin-Lymphom eingesetzt werden.
Wirkungsmechanismus
Durch die Fusion mit dem Anti-CD22-Antikörper kann der zytotoxische Wirkstoff gezielt an den Wirkungsort gelangen und gezielt wirken [z. B. 1, 3]. Dafür bedarf es
- der Bindung des Antikörpers an eine geeignete Zielstruktur,
- der Internalisierung des an den Antikörper gekoppelten Wirkstoffs und
- der intrazellulären Freisetzung des Wirkstoffs.
Die Zielstruktur ist CD22, ein Oberflächenantigen, das auf reifen normalen und malignen B-Lymphozyten, nicht aber auf Lymphozytenvorläuferzellen oder Gedächtniszellen exprimiert wird [2].
CMC-544 bindet über die Antikörperstruktur an CD22. Nach der raschen Internalisierung des Antigen-Antikörper-Komplexes wird das Fusionsmolekül im Zellinnern gespalten und das Calicheamicin-Derivat freigesetzt: Es interagiert mit der DNS und führt zu Doppelstrangbrüchen.
Art der Anwendung
Intravenöse Gabe (1,8 mg/m2 alle 4 Wochen) [4].
Studien
- Phase I abgeschlossen
- Phase II läuft (Patienten mit behandlungsbedürftigem Rückfall eines CD20/CD22-positiven follikulären oder diffus-großzelligen Non-Hodgkin-Lymphoms; mindestens 2 Vortherapien, Rituximab in mindestens einer Vortherapie): CMC-544 wird in Kombination mit Rituximab eingesetzt
Nebenwirkungen
In einer Phase-I-Studie mit Patienten mit therapierefraktärem oder rezidiviertem Non-Hodgkin-Lymphom wurden am häufigsten Thrombozytopenie, Asthenie und Neutropenie und Leberwertveränderungen berichtet (Grad 3–4) [4, 5]. Der Thrombozytenabfall war vorübergehend, schwere Blutungen wurden nicht beobachtet.
Besonderheiten, Kurzbewertung
Mit CMC-544 können gezielt maligne (und reife) B-Lymphozyten getroffen und abgetötet werden. Lymphozytenvorläuferzellen und Gedächtniszellen werden dagegen geschont. Erhofft wird eine gesteigerte zytotoxische Wirkung gegenüber Tumorzellen bei gleichzeitig reduzierter Gesamttoxizität.
Bislang konnte in Studien die Wirksamkeit auch bei Patienten mit therapierefraktärer Erkrankung gezeigt werden. In einer Phase-I-Studie lag die Gesamtremissionsrate (komplette und partielle Remission) beispielsweise bei rund 69 % bei Patienten mit follikulärem Lymphom und rund 33 % bei Patienten mit diffus-großzelligem Lymphom [5]. Die Toxizität wurde als beherrschbar beurteilt [5, 6].
In den USA ist bereits seit Mai 2000 ein ähnliches Fusionsmolekül zur Therapie von Patienten mit rezidivierter akuter myeloischer Leukämie zugelassen (Mylotarg®). In Europa wurde der Zulassung nicht zugestimmt. Im September 2007 kam das wissenschaftliche Komitee der EMEA (CHMP) zu einer negativen Nutzen-Risiko-Bewertung.
Ofatumumab
Stoffgruppe
Ofatumumab (HuMax-CD20®, GlaxoSmithKline) ist ein rekombinanter humaner gegen CD20 gerichteter Antikörper. Ofatumumab wird zur Behandlung von Patienten mit follikulärem Non-Hodgkin-Lymphom entwickelt. Untersuchungen laufen aber auch zur Behandlung von Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie.
Wirkungsmechanismus
Ofatumumab bindet wie Rituximab an CD20, allerdings an einer anderen Stelle als Rituximab [7–9]. Rituximab steht seit 1998 zur Therapie zur Verfügung und bedeutete einen großen Fortschritt in der Lymphom-Therapie.
CD20 wird von reifen B-Lymphozyten und vom überwiegenden Teil maligner B-Lymphozyten exprimiert (Abb. 2). Die Bindung des Anti-CD20-Antikörpers an CD20 führt zu verschiedenen zytotoxischen Mechanismen wie beispielsweise Komplement-vermittelte Zelllyse, Phagozytose und Antikörper-vermittelte zelluläre Zytotoxizität. Diese Mechanismen können zur beobachteten Antitumorwirkung führen.
In vitro wurde eine gegenüber Rituximab stärkere Komplement-Aktivierung und Komplement-vermittelte Zytotoxizität gezeigt [10, 11].
Art der Anwendung
Intravenöse Gabe (wöchentlich).
Studien
- Phase I/II abgeschlossen
- Phase III läuft: Patienten mit CD20-positivem follikulärem Lymphom, die auf die Therapie mit Rituximab entweder in Kombination mit Chemotherapie oder als Erhaltungstherapie nicht angesprochen haben; Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (therapieresistent oder rezidiviert)
Nebenwirkungen
Die häufigsten bislang beobachteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Juckreiz, Dyspnoe, Rigor/Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Übelkeit, niedriger Blutdruck, Urtikaria, Fatigue, Fieber und Hautausschlag.
Besonderheiten, Kurzbewertung
Viel versprechend ist eine Wirkung bei Rituximab-Resistenz in vitro und in vivo, wie beispielsweise hier bei Patienten mit follikulärem Lymphom, die auf die Gabe von Rituximab nicht (mehr) ansprachen: 9 von 14 in die Auswertung der offenen Phase-I/II-Studie einbezogenen Patienten, die zuvor bereits Rituximab erhalten hatten, sprachen auf die Therapie mit Ofatumumab an (64 %) [12], darunter waren 3 Patienten mit komplettem Ansprechen, 1 Patient mit unbestätigtem komplettem Ansprechen sowie 5 Patienten mit partiellem Ansprechen.
Ofatumumab könnte auch für Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie eine neue Therapieoption darstellen. Von 26 Patienten mit therapieresistenter oder rezidivierter Erkrankung, die in die Bewertung einer Phase-I/II-Studie eingeschlossen werden konnten, sprachen 50 % im Zeitraum von 19 Wochen nach dem Screening auf die Therapie an, dies waren überwiegend Patienten mit partiellem Ansprechen (46 %), 4 % zeigten noduläres partielles Ansprechen [13].
Zuversichtlich stimmt auch die Tatsache, dass in den genannten Phase-I/II-Studien bislang keine dosislimitierende Toxizität beobachtet und die maximal tolerierbare Dosis nicht erreicht wurde. Möglicherweise kann so die Wirkung der Therapie durch die in den Studien nun vorgenommene Dosiserhöhung insgesamt noch gesteigert werden.
Quellen
1. DiJoseph JF, et al. Antibody-targeted chemotherapy with CMC-544: a CD22-targeted immunoconjugate of calicheamicin for the treatment of B-lymphoid malignancies. Blood 2004;103:1807–14.
2. Tedder TF, et al. CD22, a B lymphocyte-specific adhesion molecule that regulates antigen receptor signaling. Annu Rev Immunol 1997;15:481–504.
3. DiJoseph JF, et al. Potent and specific antitumor efficacy of CMC-544, a CD22-targeted immunoconjugate of calicheamicin, against systemically disseminated B-cell lymphoma. Clin Cancer Res 2004;10:8620–9.
4. Advani A, et al. Preliminary report of a phase 1 study of CMC-544, an antibody-targeted chemotherapy agent, in patients with B-cell non-hodgkin‘s lymphoma (NHL). Blood 2005;106: Abstract #230.
5. Fayad L, et al. Clinical activity of the immunoconjugate CMC-544 in B-cell malignancies: preliminary report of the expanded maximum tolerated dose (MTD) cohort of a phase 1 study Blood 2006;108: Abstract #2711.
6. DiJoseph JF, et al. Thrombocytopenia induced by CMC-544 and its amelioration using oprelvekin (Neumega®/recombinant human interleukin-11). Blood 2006;108: Abstract #694-II.
7. Teeling JL, et al. The biological activity of human CD20 monoclonal antibodies is linked to unique epitopes on CD20. J Immunol 2006;177:362–71.
8. Teeling JL, et al. Characterization of new human CD20 monoclonal antibodies with potent cytolytic activity against non-Hodgkin lymphomas. Blood 2004;104:1793–800.
9. van Meerten T, et al. Complement-induced cell death by rituximab depends on CD20 expression level and acts complementary to antibody-dependent cellular cytotoxicity. Clin Cancer Res 2006;12:4027–35.
10. Cillessen SAGM, et al. Chemotherapy-refractory diffuse large B-cell lymphomas (DLBCL) are effectively killed by ofatumumab-induced complement-mediated cytoxicity. Blood 2007;110: Abstract #2346.
11. Taylor RP, et al. Complement activation and complement-mediated killing of B-cells promoted by anti-CD20 monoclonal antibodies (mAb) rituximab and ofatumumab are rapid, and ofatumumab kills cells more rapidly and with greater efficacy. Blood 2007;110: Abstract #2352.
12. Hagenbeek A, et al. HuMax-CD20, a novel fully human anti-CD20 monoclonal antibody: results of a phase I/II trial in relapsed or refractory follicular non-hodgkin’s lymphoma. Blood 2005;106: Abstract 4760.
13. Coiffier B, et al. Significant correlation between survival endpoints and exposure to ofatumumab (HuMax-CD20) in chronic lymphocytic leukemia. Session Type: Poster Session, Board #71-III.

Abb. 1. Struktur von CMC-544: Ein zytotoxisches Calicheamicin-Derivat ist über einen Säure-labilen „Linker“ kovalent an einen humanisierten gegen CD22 gerichteten Antikörper gebunden [nach 1]

Abb. 2. B-Lymphozyten: Lebenszyklus und CD20-Expression;
CD20-Tumorspezifität
Arzneimitteltherapie 2008; 26(02)