Dekompensierte Herzinsuffizienz

Kurz- und Langzeitwirkungen von Tolvaptan


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Der orale Vasopressin-V2-Rezeptorantagonist Tolvaptan konnte bei Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz akute Symptome bessern, ohne dass sich die Nierenfunktion verschlechterte. Ein längerfristiger Einfluss auf Morbidität oder Letalität ließ sich allerdings nicht nachweisen.

Die Therapie der akuten Herzinsuffizienz beschränkt sich in erster Linie auf die Verbesserung der gestörten Hämodynamik. Bevorzugt werden Diuretika eingesetzt, einschließlich hoch dosierter Schleifendiuretika und kontinuierlicher Diuretika-Infusionen, deren Sicherheit bei Herzinsuffizienz allerdings nicht erwiesen ist. Bei Bedarf wird eine gefäßerweiternde Therapie mit Glyceroltrinitrat oder Nitroprussid hinzugefügt. Inotropika sind für Patienten mit Schock reserviert.

Eine Schlüsselrolle beim Auftreten von Flüssigkeitsretention und Hyponatriämie bei der akuten Herzinsuffizienz spielt die unangemessene Erhöhung des Vasopressins, die parallel zur Schwere der Krankheit verläuft. Tolvaptan ist ein oral verfügbarer Vasopressin-V2-Rezeptorantagonist. In Phase-II-Studien konnte Tolvaptan in Kombination mit einer Standardtherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz Körpergewicht und Ödeme reduzieren und die Hyponatriämie korrigieren, ohne dass unerwünschte Wirkungen auf Herzfrequenz, Blutdruck, Elektrolyte oder Nierenfunktion beobachtet wurden.

Studienziel und -design

Unter dem Akronym EVEREST (Efficacy of vasopressin antagonism in heart failure outcome study with tolvaptan) wurde der Nutzen des V2-selektiven Vasopressin-Rezeptorantagonisten Tolvaptan in drei klinischen Studien untersucht:

Zwei identische, ungefähr gleich große Kurzzeitstudien (Studie A und B), die während der stationären Phase durchgeführt wurden

Eine Langzeitstudie mit dem Schwerpunkt auf Sicherheit und Langzeitergebnis einer Tolvaptan-Therapie

Die Langzeitstudie umfasste alle 4 133 Patienten der zwei Kurzzeitstudien, die zwischen Oktober 2003 und Februar 2006 mit sich verschlechternder chronischer Herzinsuffizienz und dokumentierter verminderter linksventrikulärer Ejektionsfraktion in 359 Kliniken in Nord- und Südamerika sowie Europa eingeliefert worden waren und für die Langzeitbeobachtung zur Verfügung standen. Innerhalb von 48 Stunden nach der Einweisung wurden die Patienten zusätzlich zur Standardtherapie (einschließlich Diuretika) über mindestens 60 Tage randomisiert einmal täglich mit 30 mg Tolvaptan (n = 2 072) oder Plazebo (n = 2 061) behandelt. Die Studien waren sowohl auf Kurz- als auch Langzeitendpunkte hin angelegt. Primärer Endpunkt der Kurzzeitstudien war eine Kombination aus Veränderung im klinischen Gesamtzustand gemäß Patientenurteil und dem Körpergewicht nach sieben Tagen oder bei Entlassung aus der Klinik – je nachdem welcher Termin früher war. Primäre Endpunkte der Langzeitstudie waren die Gesamtsterblichkeit (statistische Testung auf Überlegenheit und Nichtunterlegenheit) sowie die Kombination kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung aufgrund einer akuten Herzinsuffizienz (nur Überlegenheit).

Studienergebnis

Die Kurzzeitstudien erreichten den primären Endpunkt und erzielten Verbesserungen mit Tolvaptan gegenüber Plazebo, die allerdings mäßig ausfielen (Tab. 1). Der Nutzen kam vor allem durch eine Reduktion des Körpergewichts zustande, während der klinische Gesamtzustand an Tag 7 oder bei der Entlassung sich nicht wesentlich zwischen den Studiengruppen unterschied. Sekundäre Endpunkte zeigten eine leichte Verbesserung unter Tolvaptan bei Dyspnoe und Ödemen.

Die Langzeitstudie konnte keine Wirkung des Vasopressin-Rezeptorantagonisten auf die Sterblichkeit oder die Hospitalisierungsrate aufgrund einer Herzinsuffizienz nachweisen. Eine signifikante Verschlechterung der Nierenfunktion infolge einer Therapie mit Tolvaptan ließ sich nicht feststellen.

Zu den Hauptnebenwirkungen von Tolvaptan gehörten Durst und Mundtrockenheit.

Fazit

Die vorliegenden Daten lassen die Möglichkeit offen, dass der Vasopressin-Rezeptorantagonist Tolvaptan eine neue Behandlungsmöglichkeit für die schwer therapierbare akute Herzinsuffizienz bietet. Allerdings sollte der Einsatz der Substanz sorgfältig erwogen werden, da Belege für einen Langzeitnutzen bisher fehlen. Weitere Forschung ist nötig, um die Rolle des Argininvasopressin-Antagonismus bei der Herzinsuffizienz besser zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung nicht-selektiver Vasopressin-Rezeptorantagonisten. Außerdem sollten auch andere Patientengruppen in die Studien eingeschlossen werden, insbesondere solche mit Herzinsuffizienz und erhaltener Ejektionsfraktion, bei akutem Beginn der Herzinsuffizienz sowie mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz, orientiert an der Hyponatriämie.

Quellen

Konstam MA, et al. Effects of oral tolvaptan in patients hospitalized for worsening heart failure. JAMA 2007;297:1319–31.

Gheorghiade M, et al. Short-term clinical effects of tolvaptan, an oral vasopressin antagonist, in patients hospitalized for heart failure. JAMA 2007;297:1332–43.

Yancy CW. Climbing the mountain of acute decompensated heart failure. JAMA 2007;297:1374–6.


Tab. 1. Primärer Endpunkt in den Kurzzeitstudien [Gheorghiade et al. 2007]

Tolvaptan

Plazebo

p-Wert

Klinischer Gesamtzustand (visuelle Analogskala)

Studie A

Studie B


18,20 ± 22,26

18,72 ± 21,71



17,73 ± 22,47

18,28 ± 21,59


0,51

0,52

Gewichtsreduktion [kg]

Studie A

Studie B

3,35 ± 3,27

3,77 ± 3,59

2,73 ± 3,34

2,79 ± 3,46

< 0,001

< 0,001

Kombinierter Endpunkt (Rangsummenanalyse)

Studie A

Studie B


1,06 ± 0,43

1,07 ± 0,42


0,99 ± 0,44

0,97 ± 0,43


< 0,001

< 0,001


Tipp zum Weiterlesen

Hyponatriämie: Behandlungsfortschritt durch Vasopressin-V2-Rezeptorantagonisten? Arzneimitteltherapie 2007;25:312–3.

Arzneimitteltherapie 2008; 26(04)