Bettina Martini,Legau
Beschichtete Stents wurden von der FDA im Jahr 2003 zugelassen und werden seither breit eingesetzt. Die in den für die Zulassung relevanten klinischen Studien untersuchten Patienten erfüllten allerdings strenge Einschlusskriterien und entsprechen nicht den Patienten, die in der Praxis eine Koronarintervention benötigen. Der Einsatz der Arzneimittel-beschichteten Stents ist daher teilweise als Off-Label-Use einzustufen. Da derzeit nicht zu erwarten ist, dass randomisierte klinische Studien mit solch breiten Patientengruppen durchgeführt werden, bleibt nur die Analyse von Patientenregistern, um weitere Erkenntnisse zu erlangen. Nun liegen zwei solcher Analysen zum Einsatz beschichteter Stents vor.
Beschichtete Stents versus Bypass bei Mehrgefäßerkrankung
Hintergrund
Bisher gibt es zwar vergleichende Untersuchungen zwischen Bypass-Operation und Implantation unbeschichteter Stents, Daten aus Studien, in denen speziell beschichtete Stents mit der Bypass-Operation verglichen wurden, gab es bisher nicht.
Methode
Analysiert wurden die Daten von 50 000 Patienten, die zwischen Oktober 2003 und Dezember 2004 in New Yorker Kliniken aufgrund einer koronaren Herzkrankheit, bei der zwei oder mehr Gefäße verengt waren, behandelt wurden. Die Daten stammen aus dem „Cardiac Surgery Reporting System (SCRS)“ für die Bypass-Operationen und dem „Percutaneous Coronary Intervention Reporting System (PCIRS)“ für die Stent-Implantationen. Verglichen wurde ausschließlich mit Arzneimittel-beschichteten Stents.
Ergebnisse
18 Monate nach der Intervention ergaben sich signifikant bessere Überlebensraten für die Bypass-Operation im Vergleich zur Stent-Implantation. Bei Patienten, bei denen mindestens drei Gefäße betroffen waren, lebten nach 1,5 Jahren noch 94,0 % nach Bypass-Operation und 92,7 % nach Stent-Implantation (p = 0,03). Auch wenn nur zwei Gefäße verengt waren, ergab sich ein signifikanter Überlebensvorteil nach 1,5 Jahren zugunsten der Bypass-Operation (96,0 % vs. 94,6 %; p = 0,003). Auch erneute Herzinfarkte waren bei den Patienten, die einen Bypass erhalten hatten, seltener (Abb. 1).
Fazit
Bei Patienten, bei denen mehrere Koronargefäße verengt sind, liefert die Bypass-Operation langfristig die besseren Behandlungsergebnisse. Voreilige Schlüsse sollte man dennoch nicht aus der Studie ziehen, ein gewisser Bias könnte dadurch bedingt sein, dass sich Ärzte bei multimorbiden Patienten eher für die weniger invasive Variante der perkutanen Koronarintervention entschieden haben.
Beschichtete versus unbeschichtete Stents
Hintergrund
Zugelassen wurden die Arzneimittel-beschichteten Stents beruhend auf randomisierten kontrollierten Studien, die im Vergleich zu gewöhnlichen Stents eine verringerte Restenoserate gezeigt hatten. Die in diesen Studien untersuchten Patienten waren aber eine hoch selektierte Patientengruppe. Aufgrund der positiven Ergebnisse aus später folgenden kleineren Studien und den wachsenden Erfahrungen mit beschichteten Stents in der Praxis wurden und werden beschichtete Stents über das strikte Zulassungsgebiet hinaus, also „off-label“, eingesetzt.
Die Sicherheit dieses „Off-Label-Einsatzes“ beschichteter Stents wurde in der letzten Zeit in einigen Publikationen in Frage gestellt [Arzneimitteltherapie 2007;25:343–8].
Ziel
Nun sollte untersucht werden, ob sich die klinischen Endpunkte mit beschichteten und unbeschichteten Stents beim Off-Label-Use und beim Einsatz gemäß Zulassung unterscheiden.
Methode
Dazu wurden die Daten von 6 551 Patienten aus dem Register des „National Heart, Lung, and Blood Institute Dynamic Registry“ analysiert. Etwa die Hälfte der Einsätze der beschichteten als auch der unbeschichteten Stents wurde als „off-label“ qualifiziert (48,7 % bzw. 54,7 %) (Tab. 1).
Ergebnisse
Ein Jahr nach dem jeweiligen Eingriff zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Überlebensrate oder der Häufigkeit von Herzinfarkten zwischen der Gruppe mit beschichteten und der Gruppe mit unbeschichteten Stents. Erneute Revaskularisierungsmaßnahmen waren allerdings bei den unbeschichteten Stents häufiger notwendig.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass die Kardiologen sich bevorzugt bei Patienten mit ungünstigen Voraussetzungen für einen beschichteten Stent entschieden, zum Beispiel bei Patienten mit Diabetes mellitus, Hypertonie, früherer perkutaner Koronarintervention, Mehrgefäßerkrankung oder größeren Stenosen.
Fazit
Der Erstautor der Studie wertet die Ergebnisse als Argument zugunsten des Off-Label-Use beschichteter Stents, mit der Begründung, dass die Ergebnisse nicht schlechter waren als mit gewöhnlichen Stents, die Patienten aber höhere Risiken aufwiesen.
Chirurgen und Kardiologen müssen individuell abwägen
Leider ist die Datenlage insgesamt widersprüchlich, so dass die Entscheidung, in welchem Fall ein Bypass, Stent oder beschichteter Stent zum Einsatz kommen soll, vom Herzchirurgen und Kardiologen unter Abwägung aller Risiken individuell bei jedem Patienten getroffen werden muss.
Quellen
Hannan EL, et al. Drug-eluting stents vs. coronary-artery bypass grafting in multivessel coronary disease. New Engl J Med 2008;358:331–41.
Marroquin OC, et al. A comparison of bare-metal and drug-eluting stents for off-label indications. N Engl J Med 2008;358:342–52.

Abb. 1. Überlebensraten und Überlebensraten ohne Myokardinfarkt nach Bypass-Operation oder Implantation eines beschichteten Stents bei Patienten mit Zwei- oder Dreigefäßerkrankung
Tab. 1. Kriterien für Off-Label-Use in der Studie von Marroquin et al.
Restenose |
Stenose in Bypass-Gefäßen |
Zurückbleibende ausgeprägte koronare Herzerkrankung |
Ostial gelegene oder gegabelte Stenosen |
Vollständig verschlossene Gefäße |
Durchmesser der Koronarie weniger als 2,5 mm oder mehr als 3,75 mm |
Länge der Verengung mehr als 30 mm |
Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Böning, Gießen
Zu dem Beitrag „Koronarinterventionen: Stent, beschichteter Stent oder Bypass?“
[Arzneimitteltherapie 2008;26:304–5]:
Bei der Abfassung des Artikels ist der Autorin Bettina Martini aus Legau und der Redaktion bedauerlicherweise ein Fehler unterlaufen. In ihrem Fazit beschreibt Frau Martini, dass Chirurgen und Kardiologen individuell abwägen müssten, ob ein Bypass, ein Stent oder ein beschichteter Stent zum Einsatz kommen soll. Dies ist grundsätzlich falsch.
Aufgrund der publizierten Leitlinien [Deutsches Ärzteblatt 2006;103(44):A-2968, B-2584, C-2484] gibt es klare Entscheidungskriterien für den Einsatz von Stents und den Einsatz einer Bypass-Operation. Im Einzelfall ist selbstverständlich eine individuelle Abwägung der Nutzen und Risiken des Patienten wichtig, in der Mehrzahl der Fälle gilt jedoch die gängige Leitlinie: Bei Dreigefäßerkrankungen ist grundsätzlich die Bypass-Operation Therapie der ersten Wahl, bei Ein- und Zweigefäßerkrankungen ist die Stenttherapie erste Wahl.
Arzneimitteltherapie 2008; 26(08)