Temsirolimus


mTOR als neue Zielstruktur in der Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms

Thomas Otto, Holger Gerullis, Christoph Eimer, Neuss, und Annemarie Musch, Stuttgart

Mit dem mTOR-Inhibitor Temsirolimus (Torisel®) ist in Deutschland seit Ende 2007 eine neue Behandlungsoption für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom im Handel. Temsirolimus kann nach der Zulassung durch die EMEA bei Patienten mit hohem Risiko (≥ 3 von 6 Risikofaktoren) eingesetzt werden. In einer randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studie wurde gezeigt, dass das Gesamtüberleben dieser Patienten durch die Therapie mit Temsirolimus gegenüber der Standardtherapie mit Interferon alfa signifikant verlängert werden kann: Das durchschnittliche Überleben lag in der Temsirolimus-Gruppe bei 10,9 Monaten, in der Interferon-Gruppe bei 7,3 Monaten (p = 0,0069). Dies bedeutet, dass durch Temsirolimus das Überleben um relativ 49 % verlängert wurde – bei um relativ 39 % verbesserter Lebensqualität. Zudem war die Rate schwerwiegender Nebenwirkungen (Grad 3/4) unter Temsirolimus um relativ 14 % geringer.Die Therapie mit Temsirolimus wird in der Leitlinie der European Association of Urology (EAU) für Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung und hohem Risiko empfohlen.
Arzneimitteltherapie 2008;26:275–82.

In Deutschland gehört Nierenkrebs zu den zehn häufigsten Krebserkrankungen. Jährlich gibt es etwa 15 000 Neuerkrankungen mit Nierenkrebs in Deutschland, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen.

In den meisten Fällen liegt ein Nierenzellkarzinom vor, das heißt eine maligne Entartung renaler Tubulusepithelzellen. Nephroblastome, Sarkome und Lymphome der Nieren werden vergleichsweise seltener diagnostiziert.

Nierenzellkarzinome treten überwiegend sporadisch auf. Wichtige exogene Risikofaktoren für die Enstehung von Nierenzellkarzinomen sind Tabakrauch und (berufliche) Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen, Cadmium und Asbest. Zu den wichtigsten endogenen Risikofaktoren zählen chronische Niereninsuffizienz und Übergewicht (bei Frauen).

Ein geringer Anteil der Nierenzellkarzinome scheint auf eine genetische Prädisposition zurückgeführt werden zu können. Insbesondere Menschen mit von Hippel-Lindau(VHL)-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko, an verschiedenen Tumorerkrankungen, so auch dem Nierenzellkarzinom, zu erkranken.

Bei den Nierenzellkarzinomen werden vier verschiedene histologische Subtypen unterschieden: klarzelliges, papilläres (Typ 1 und Typ 2) und chromophobes Nierenzellkarzinom sowie Ductus-Bellini-Karzinom (siehe Kasten).

Auf molekularer Ebene wurde für das klarzellige Nierenzellkarzinom (sporadisch, familiär) ein Defekt des VHL-Tumorsuppressorgens identifiziert. Das Genprodukt pVHL ist für den Abbau des Transkriptionsfaktors HIF-1α (hypoxia inducible factor) in Proteasomen wichtig. Der Defekt im VHL-Tumorsuppressorgen führt über die Anreicherung von HIF-1α zu einer vermehrten Expression von Wachstumsfaktoren wie VEGF (vascular endothelial growth factor).

Für lokal begrenzte Tumorerkrankungen ist die Operation die einzige kurative Therapie. Die radikale Tumornephrektomie ist als Behandlungsverfahren akzeptiert. Die Therapieergebnisse sind von der Ausdehnung des Primärtumors abhängig. Auch Patienten mit fortgeschrittenen Nierentumoren und Cavathrombus profitieren von einer Tumorresektion [8].

Die günstigen Ergebnisse einer nierenerhaltenden Resektion von kleinen Nierenzellkarzinomen haben in Verbindung mit einer verbesserten operativen Technik zu einer breiten Anwendung des Operationsverfahrens geführt. Die Rate der Lokalrezidive liegt bei sorgfältiger Patientenselektion unter 6 % und ist damit der Nephrektomie vergleichbar. Die organerhaltende Nierentumorresektion ist bei T1a-b-Tumoren, das heißt Tumoren mit 4 cm oder weniger in größter Ausdehnung (T1a) und Tumoren mit mehr als 4 cm, aber nicht mehr als 7 cm in größter Ausdehnung (T1b), ein etabliertes Verfahren. Das 10-Jahres-krankheitsfreie Überleben ist mit 82 % vergleichbar zu den Ergebnissen der Nephrektomie [9, 10].

Die Entfernung der regionären Lymphknoten ist obligat. Im randomisierten Vergleich bei 772 Patienten hat sich im Vergleich zur alleinigen Nephrektomie durch die zusätzliche Lymphadenektomie die Morbidität nicht erhöht, sodass dieses Verfahren standardmäßig durchgeführt werden sollte [11]. Im Gegensatz dazu besteht kein Nutzen durch radikale Lymphadenektomie ausgedehnt lymphogen metastasierter Nierenzellkarzinome [12].

Experimentelle Verfahren in der Nierentumorchirurgie sind:

  • Radiofrequenzablation
  • Kryoablation
  • Laparoskopische Nierentumorchirurgie
  • Primärtumorentfernung bei metastasierter Erkrankung

Bei etwa 30 % der Patienten liegt zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine metastasierte Erkrankung vor. Die Prognose dieser Patienten ist verglichen mit der von Patienten mit lokal begrenzter Tumorerkrankung schlecht: Die 5-Jahresüberlebensrate von Patienten mit Nierenzellkarzinom im Stadium IV (Lymphknotenbeteiligung und/oder Fernmetastasierung) liegt bei weniger als 20 % gegenüber bis zu 95 % bei Patienten im Stadium I und II.

Die Prognose von Patienten mit metastasierter Erkrankung kann mit den so genannten Motzer-Kriterien abgeschätzt werden [1]. Diese wurden in einer retrospektiven Analyse ermittelt und als die folgenden Risikofaktoren definiert:

  • Laktatdehydrogenase (LDH) > 1,5fach gegenüber dem oberen Normgrenzwert erhöht
  • Hämoglobinwert erniedrigt
  • Erhöhte korrigierte Serumcalciumkonzentration (> 10 mg/dl)
  • Zeit zwischen Erstdiagnose und Behandlung mit Interferon alfa ≤ 1 Jahr
  • Schlechter Allgemeinzustand (Karnofsky-Status < 80 %)

Eine günstige Prognose bzw. ein niedriges Risiko haben nach dieser Auswertung Patienten, die keinen der genannten Risikofaktoren aufweisen. Bei ein oder zwei Risikofaktoren besteht ein intermediäres Risiko, bei drei oder mehr Risikofaktoren ist das Risiko hoch bzw. die Prognose ungünstig. Die in dieser Studie entsprechend ermittelten medianen Überlebenszeiten betrugen 29,6 und 13,8 Monate für Patienten mit niedrigem und intermediärem Risiko und 4,9 Monate für Patienten mit hohem Risiko.

Aufgrund der weitgehenden Resistenz von Nierenzellkarzinomen gegenüber zytostatischen Chemotherapeutika war die Immuntherapie mit Zytokinen, in Deutschland insbesondere mit Interferon alfa (Roferon-A®), über einen langen Zeitraum die systemische Standardtherapie für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom. Im Jahr 2006 wurden die Tyrosin-Kinase-Hemmer Sunitinib (Sutent®) und Sorafenib (Nexavar®) für die Behandlung dieser Patienten zugelassen. Der Angiogenesehemmer Bevacizumab (Avastin®) hat in Kombination mit Interferon ebenfalls eine Zulassung für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom erhalten.

Seit dem 26. November 2007 steht mit Temsirolimus eine neue Option für die intravenöse Behandlung für eine spezielle Subgruppe dieser Patienten – Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung mit hohem Risiko – zur Verfügung. Das Rapamycinderivat Temsirolimus ist ein Inhibitor der zytosolischen Serin/Threonin-Kinase mTOR (mammalian target of rapamycin).

Ein weiteres Rapamycinderivat, Everolimus, befindet sich derzeit noch in klinischer Entwicklung [14–16]. Everolimus ist ein selektiver oral verfügbarer mTOR-Inhibitor. In einer Interimsanalyse einer Phase-III-Studie, in der Everolimus bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom in der Second-Line-Therapie eingesetzt wird, konnte ein gegenüber der Gabe von Plazebo deutlich verlängertes progressionsfreies Überleben gezeigt werden (Median: 4,0 vs. 1,9 Monate; p < 0,0001) [16].

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Temsirolimus ist ein synthetischer Rapamycinester (Abb. 1). Wie das aus Streptomyces hygroscopius isolierte Makrolid Rapamycin hemmt Temsirolimus dementsprechend die zytosolische Serin/Threonin-Kinase mTOR (mammalian target of rapamycin).

Die Signaltransduktion über mTOR spielt für viele zelluläre Prozesse, darunter auch Wachstum und Überleben, eine entscheidende Rolle und wurde als ein in der Entstehung von Tumorerkrankungen wichtiger Signalweg identifiziert.

mTOR wird über die Phosphatidyl-Inositol-3-Kinase(PI3K)/Akt-Signaltransduktion aktiviert und induziert über eine nachgeschaltete Signaltransduktionskaskade die Transkription und die Translation (Abb. 2). Nachfolgend werden beispielsweise Zellwachstum und Zellproliferation begünstigt und Apoptose wird gehemmt.

Der genaue Wirkungsmechanismus von Temsirolimus ist –
ebenso wie der von Rapamycin – noch nicht aufgeklärt. Temsirolimus bildet mit dem zytosolischen Protein FKBP-12 (FK-Bindungs-Protein-12), einem Immunophilin, einen Komplex. Dieser Komplex bindet an mTOR und verhindert die durch mTOR vermittelte Signaltransduktion. Die durch mTOR induzierte Transkription und Translation wichtiger Proteine, die beispielsweise den Zellzyklus regulieren (z. B. Cycline des D-Typs), werden gehemmt, es kommt unter anderem zur Unterbrechung des Zellzyklus und zu einem Zellzyklusarrest in der G1-Phase, Apoptose wird induziert. Weiterhin wird die Angiogenese gehemmt, da mTOR auch eine wichtige Rolle in der Regulation der Transkription und Translation von HIF-Proteinen spielt, die wiederum die Bildung proangiogener Faktoren wie VEGF stimulieren.

Die Antitumorwirkung von Temsirolimus ist somit auf die Hemmung verschiedener das Tumorwachstum begünstigender zellulärer Prozesse zurückzuführen. Dies führt aktuell zur Prüfung von Temsirolimus auch bei anderen Tumorentitäten wie dem Urothelkarzinom der Harnblase oder dem Mantelzell-Lymphom.

Pharmakokinetik

Temsirolimus wird intravenös verabreicht. Wichtige pharmakokinetische Daten von Temsirolimus sind in Tabelle 1 zusammengestellt [3].

Der Hauptmetabolit nach intravenöser Gabe von Temsirolimus ist Sirolimus. Sirolimus ist ein aktiver Metabolit, der durch Esterspaltung aus Temsirolimus entsteht. Die Metabolisierung von Temsirolimus und Sirolimus erfolgt hauptsächlich über das Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym 3A4. Temsirolimus hemmt die CYP-Isoenzyme CYP2C, CYP2D6 und CYP3A4/5.

Weitere Metaboliten sind Seco-Temsirolimus, Desmethyl-Temsirolimus und Hydroxy-Temsirolimus [4].

In In-vitro-Studien wurde gezeigt, dass Temsirolimus und Sirolimus Substrate von P-Glykoprotein sind.

Temsirolimus wird überwiegend über die Fäzes ausgeschieden.

Geschlecht, Alter, Körpergewicht und Rasse scheinen keinen signifikanten Einfluss auf die Pharmakokinetik von Temsirolimus zu haben.

Die Pharmakokinetik von Temsirolimus wurde nicht bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen und Nierenisuffizienz untersucht.

Wirksamkeit

In einer randomisierten Phase-II-Studie, in der 111 Patienten mit therapierefraktärem fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit Temsirolimus in drei unterschiedlichen Dosierungen (25, 75 und 250 mg i. v. 1-mal wöchentlich) behandelt wurden, konnte eine günstige Wirkung auf das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben dieser Patienten gezeigt werden [3, 5]. Das mediane progressionsfreie Überleben der Patienten betrug in dieser Studie 5,8 Monate, das mediane Gesamtüberleben 15,0 Monate. Zwischen den drei unterschiedlichen Dosierungen von Temsirolimus wurde kein Unterschied beim medianen progressionsfreien Überleben und beim medianen Gesamtüberleben festgestellt.

Die Daten einer offenen Phase-I/II-Studie mit vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, die entsprechend den Einschlusskriterien zuvor weder Temsirolimus noch Interferon alfa erhalten hatten, zeigten eine antitumorale Wirkung der Kombination von Temsirolimus und Interferon alfa, das mediane progressionsfreie Überleben der Patienten in dieser Studie betrug 9,1 Monate [6]. Als maximale tolerierbare Dosis wurden 15 mg Temsirolimus i. v. 1-mal wöchentlich plus 6 Mio. I. E. Interferon alfa ermittelt.

In einer daraufhin durchgeführten offenen Phase-III-Studie (ARCC, Global trial for advanced renal cell carcinoma) wurde die Wirksamkeit von Temsirolimus in der First-Line-Therapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom untersucht [3, 7]. In diese Phase-III-Studie wurden Patienten mit hohem Risiko eingeschlossen, d. h. Patienten, die mindestens 3 der 6 folgenden Risikofaktoren aufwiesen:

  • Laktatdehydrogenase (LDH) > 1,5fach gegenüber dem oberen Normgrenzwert erhöht
  • Hämoglobinwert erniedrigt
  • Erhöhte korrigierte Serumcalciumkonzentration (> 10 mg/dl)
  • Zeit zwischen Erstdiagnose und Behandlung mit Interferon alfa < 1 Jahr
  • Schlechter Allgemeinzustand (Karnofsky-Status ≥ 60 %)
  • Multiple Metastasierungsherde


Die Patienten erhielten randomisiert

  • Temsirolimus (25 mg i. v. 1-mal wöchentlich; n = 209),
  • Interferon alfa (IFN-α, Dosiseskalation bis 18 Mio. I. E. 3-mal pro Woche; n = 207) oder
  • Temsirolimus plus IFN-α (15 mg Temsirolimus i. v. 1-mal wöchentlich, 6 Mio. I. E. IFN-α 3-mal wöchentlich; n = 210).

Die Therapie wurde fortgesetzt, bis bei den Patienten die Erkrankung erneut fortschritt, eine symptomatische Verschlechterung oder nicht zu tolerierende Toxizität auftrat.

Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben der Patienten.

Im primären Endpunkt zeigte sich ein signifikanter Vorteil zugunsten von Temsirolimus. Die Patienten, die mit Temsirolimus behandelt wurden, überlebten im Median 10,9 Monate, demgegenüber betrug das mediane Gesamtüberleben in der Interferon-alfa-Gruppe 7,3 Monate (Hazard-Ratio [HR] 0,73; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,58–0,92; p = 0,008) (Abb. 3). Das mediane Überleben der Patienten, die mit Temsirolimus und Interferon alfa behandelt wurden, betrug 8,4 Monate. Im Vergleich zur Interferon-alfa-Therapie wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt (HR 0,96; 95%-KI 0,76–1,20; p = 0,70).

Die Ergebnisse im Hinblick auf das verbesserte mediane Überleben durch Temsirolimus werden ergänzt durch eine signifikant verlängerte Zeit ohne Symptome und Toxizität und einen signifikanten Vorteil in der auf die Lebensqualität adjustierten Überlebenszeit (durchschnittlich 6,5 Monate unter Temsirolimus vs. 4,7 Monate unter Interferon alfa, p = 0,00048 bzw. 7,0 vs. 5,7 Monate, p = 0,0015) [13]. Den Ergebnissen liegt das validierte Messinstrument TWIST (Time without symptoms and toxicity bzw. Quality-adjusted time without symptoms and toxicity) zugrunde.

Die Ergebnisse der sekundären Endpunkte sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Verträglichkeit

Studienergebnisse

In der ARCC-Studie traten Grad-3/4-Nebenwirkungen in der Temsirolimus-Gruppe signifikant seltener auf als in der Interferon-alfa-Gruppe oder der Patientengruppe, die die Kombination erhielt (67 % vs. 78 % bzw. 87 %; jeweils p = 0,02) [7].

Bei den mit Temsirolimus behandelten Patienten traten verglichen mit der Interferon-alfa-Behandlung häufiger Hautausschlag, periphere Ödeme, Hyperglykämie und Hyperlipidämie auf (Tab. 3).

Die schwersten unerwünschten Wirkungen bei der Therapie mit Temsirolimus waren Überempfindlichkeitsreaktionen, Hyperglykämie/Glucoseintoleranz, Infektionen, interstitielle Lungenerkrankungen, Hyperlipidämie, intrazerebrale Blutungen, Nierenversagen, Darmperforation und Wundheilungsstörungen [3]. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die bei mindestens 30 % der behandelten Patienten auftraten (alle Schweregrade), umfassten Anämie, Übelkeit, Ausschlag, Anorexie, Ödeme und Asthenie.

Compassionate-Use-Programm

Ergänzt werden die Ergebnisse durch die Therapie mit Temsirolimus außerhalb von Studien im Rahmen des Compassionate-Use-Programms (CUP). Temsirolimus ist innerhalb Europas analog der EU-Richtlinie für CUP bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom angewandt worden. Voraussetzungen waren:

  • Schriftliche Einverständniserklärung
  • Aufklärung über alternative Therapieansätze
  • Information über mögliche Nebenwirkungen
  • Information über den regulatorischen Status des Medikaments
  • Notwendigkeit einer Arzneimittelüberwachung

Das Compassionate-Use-Programm wurde im Dezember 2006 in Deutschland initiiert und endete im November 2007 mit der Zulassung von Temsirolimus. 200 Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom wurden im Rahmen des Compassionate-Use-Programms in 81 Zentren in Deutschland mit Temsirolimus behandelt. 21 dieser Patienten (10 %) wurden in der Urologischen Klinik der Städtischen Kliniken Neuss, Lukaskrankenhaus GmbH, behandelt.

Die Therapie wurde auch in dieser nicht vorselektierten Patientengruppe gut vertragen, es traten keine unerwarteten Toxizitäten auf: 2 Patienten entwickelten eine Mucositis Grad II, 3 Patienten periphere Ödeme (Grad I), 2 Patienten eine Hypertonie (Grad I) und 2 Patienten eine Diarrhö (Grad I).

Bei 7 Patienten ist ein Fatigue/Asthenie-Symptomkomplex aufgetreten; Ursache war bei 4 Patienten ein neu aufgetretener insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Grad III). 3 Patienten zeigten erniedrigte Serumkonzentrationen für Phosphat und Magnesium und bei 2 Patienten trat eine Hypothyreose (Grad III) auf. Klinisch bedeutsam ist, dass nach metabolischer Kompensation sämtliche Symptome reversibel sind. Die regelmäßige Bestimmung der Serumwerte für Glucose, Triiodthyronin (T3), l-Thyroxin (T4), Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH), Magnesium und Phosphat ist bei Auftreten von Fatigue und Asthenie obligat. Darüber hinaus ist ein Einfluss auf den Schilddrüsenstoffwechsel möglich. Hier muss vergleichbar zum Glucose/Insulinstoffwechsel eine mTOR-Abhängigkeit vermutet werden.

Nach Absetzen von Temsirolimus sind die geschilderten Nebenwirkungen reversibel, das heißt, dass beispielsweise eine eingeleitete Insulin-Therapie nach Absetzen von Temsirolimus der dringenden Überwachung bedarf.

Wechselwirkungen

Temsirolimus ist ein Substrat von CYP3A4, die Metabolisierung von Temsirolimus kann durch andere Arzneistoffe, die CYP3A4 hemmen oder induzieren, beeinflusst werden [3, 4].

Die gleichzeitige Anwendung von Arzneistoffen, die CYP3A4/5 induzieren, sollte bei der Therapie mit Temsirolimus vermieden werden. Bei der gleichzeitigen Anwendung von Rifampicin wurde beispielsweise gezeigt, dass die maximale Plasmakonzentration (Cmax) sowie die Gesamtplasmakonzentration (AUC) des aktiven Metaboliten von Temsirolimus, Sirolimus, um 65 % bzw. 56 % erniedrigt war gegenüber den Werten bei alleiniger i. v. Gabe von Temsirolimus.

Temsirolimus sollte auch nicht gleichzeitig mit Arzneistoffen, die CYP3A4 hemmen, angewendet werden, da es insbesondere zu einem Anstieg der Sirolimus-Plasmakonzentration kommen kann.

Es liegen keine In-vivo-Daten zur Elimination von Temsirolimus (Sirolimus) bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneistoffen, die P-Glykoprotein hemmen, vor. In vitro ist Temsirolimus ein P-Glykoprotein-Inhibitor.

Kosten der Therapie

Der Vergleich der Therapiekosten bezogen auf einen Zeitraum von 4 Wochen zeigt vergleichbare Preise für Temsirolimus (Faktor: 1,01), Sorafenib (Faktor: 1,02) und Sunitinib (Faktor: 1,0) (Tab. 4). Deutlich teurer ist die Kombination aus Bevacizumab und Interferon alfa (Faktor: 1,64).

Indikation, Dosierung, Einsatz und Handhabung

Laut EMEA-Zulassungstext vom 26. November 2007 kann Temsirolimus als Monotherapie zur First-Line-Behandlung bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, die mindestens 3 von 6 prognostischen Risikofaktoren aufweisen, eingesetzt werden [3].

Aus der Ära der Immuntherapie hat sich die Tumornephrektomie in Kombination mit der Immuntherapie als sinnvoll erwiesen, was eine zusätzliche operative Belastung für den Patienten darstellt. Im Zusammenhang mit der Therapie mit Temsirolimus ist die Nephrektomie nicht erforderlich, das heißt nephrektomierte und nicht nephrektomierte Patienten haben eine vergleichbare Prognose [17].

Die Arbeitsgruppe um Bellmunt hat die unerwünschten Wirkungen bei der Therapie mit Temsirolimus untersucht und keine Beeinträchtigung der Lebensqualität festgestellt, was die Erkennung metabolischer Störungen des Glucosestoffwechsels voraussetzt [18]. Resultierend aus dem Compassionate-Use-Programm hat die Arbeitsgruppe um Gerullis einen praxisbezogenen Leitfaden zum Umgang mit Temsirolimus erarbeitet; die gute Verträglichkeit von Temsirolimus kann in Übereinstimmung mit Bellmunt hier aber auch außerhalb von Studien in der klinischen Routine bestätigt werden [19]. Das Auftreten von unerwünschten Wirkungen unter einer Therapie mit Temsirolimus hat keinen Bezug zur Wirksamkeit oder Effektivität [20].

Die empfohlene Dosis beträgt 25 mg Temsirolimus 1-mal wöchentlich i. v. als Infusion über 30 bis 60 Minuten verabreicht (besondere Hinweise für die Handhabung: siehe Kasten). Es wird eine Prämedikation mit Diphenhydramin (25–50 mg i. v., 30 Minuten vor der Temsirolimus-Applikation) oder einem ähnlichen Antihistaminikum empfohlen. Tritt bei einem Patienten dennoch eine Unverträglichkeitsreaktion auf, sollte die Infusion unterbrochen und der Patient mindestens 30 bis 60 Minuten beobachtet werden. Etwa 30 Minuten vor einem möglichen erneuten Beginn der Infusion mit einer niedrigeren Infusionsgeschwindigkeit (60 Minuten) sollte, sofern nicht bereits zuvor verabreicht, ein H1-Antihistaminikum und/oder ein H2-Rezeptorantagonist (Famotidin 20 mg i. v. bzw. Ranitidin 50 mg i. v.) gegeben werden.

Die Therapie mit Temsirolimus sollte beendet werden, wenn ein Patient keinen klinischen Nutzen mehr von der Therapie erfährt, oder inakzeptable Toxizität auftritt.

Therapieunterbrechungen und/oder Dosisreduktionen können beim Verdacht auf unerwünschte Wirkungen der Therapie mit Temsirolimus erforderlich werden. Ist ein Verschieben der Anwendung nicht möglich, kann die Dosis in Schritten von 5 mg/Woche reduziert werden.

Vorsicht ist geboten, wenn Temsirolimus bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen oder bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen angewendet wird. Bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen wird die Therapie mit Temsirolimus nicht empfohlen. Im Rahmen des Compassionate-Use-Programms finden sich Kasuistiken terminal niereninsuffizienter, das heißt dialysepflichtiger, Patienten, die unter Anwendung von Temsirolimus kein unerwartetes Nebenwirkungsspektrum aufwiesen.

Die Paravasation von Temsirolimus führt zu keinen klinisch zu beobachtenden Gewebereaktionen und bedarf nach bisherigen Erfahrungen aus dem Compassionate-Use-Programm keinem gesonderten Nebenwirkungsmanagement.

Die Patienten sollten darauf hingewiesen werden, dass bei der Therapie mit Temsirolimus die Blutzuckerplasmakonzentration steigen kann; sie sollten angehalten werden, über übermäßigen Durst sowie erhöhtes Harnvolumen oder gesteigerten Harndrang zu berichten. Bei Patienten, die bereits zuvor an Diabetes mellitus erkrankt waren, ist gegebenenfalls eine Dosisanpassung der Therapie mit Insulin oder oralen Antidiabetika vorzunehmen. Kommt es unter der Therapie mit Temsirolimus erstmalig zu Hyperglykämien, muss eine entsprechende Therapie mit Insulin oder oralen Antidiabetika wie Metformin zur Normalisierung der Blutzuckerplasmakonzentration begonnen werden.

Ein regelmäßiges Monitoring der Glucoseplasmakonzentration (Profil) und des HbA1c-Werts wird empfohlen.

Ebenso können bei der Therapie mit Temsirolimus Veränderungen der Lipidwerte auftreten. Die Cholesterol- und die Triglyceridplasmakonzentration sollten vor und während der Therapie bei den Patienten kontrolliert werden. Gegebenenfalls ist eine medikamentöse Therapie zur Normalisierung der Lipidwerte einzuleiten bzw. eine bereits bestehende Therapie anzupassen.

Die Beeinflussung des Blutzucker- und des Lipidstoffwechsels bei der Therapie mit Temsirolimus ist darauf zurückzuführen, dass mTOR an der Regulation des Blutzucker- und Lipidstoffwechsels beteiligt ist (z. B. gesteigerte Biosynthese von Transportproteinen, die für die Glucoseaufnahme in die Zelle wichtig sind, über den mTOR-Signalweg). Daher ist es auch nicht überraschend, dass nach Absetzen oder Dosisreduktion von Temsirolimus die diabetische Symptomatik rückläufig ist.

Zu beachten bei der Therapie mit Temsirolimus sind:

Nierenversagen bei Patienten mit bereits vorbestehender Niereninsuffizienz (Eine Nephrotoxizität, wie sie für Tacrolimus beispielsweise beschrieben wurde, ist auch für Temsirolimus denkbar. Hinzu kommt, dass der Großteil der mit Temsirolimus behandelten Patienten bereits im Vorfeld nephrektomiert wird, was eine Reduktion der funktionellen Reserven bezüglich der Nierenfunktion und eine erhöhte Anfälligkeit bei Exposition gegenüber nephrotoxischen Substanzen implizieren kann)

  • Intrazerebrale Blutungen bei Patienten mit Tumoren im zentralen Nervensystem und/oder bestehender gerinnungshemmender Therapie
  • Infektionen
  • Interstitielle Lungenerkrankung
  • Wundheilungsstörungen
  • Fatigue-/Asthenie-Symptomkomplex


Die geschilderten Symptome bedürfen eines gezielten Nebenwirkungsmanagements. Dazu zählen:

  • Absetzen der Therapie bei nicht bakterieller oder viraler interstitieller Lungenerkrankung und ggf. hochdosierte Glucocorticoid-Behandlung
  • Bei geplanten operativen Eingriffen Aussetzen der Therapie mit Temsirolimus 2 Wochen perioperativ zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen
  • Bei Vorliegen eines Fatigue-/Asthenie-Symptomkomplexes Suche nach Temsirolimus-assoziierten Effekten. Dies beinhaltet die Bestimmung der Serumwerte für Glucose, T3, T4, TSH, Magnesium und Phosphat. Darüber hinaus ist ein Einfluss auf den Schilddrüsenstoffwechsel im Sinn von einer zusätzlichen Störung möglich.
  • Nach Absetzen von Temsirolimus Berücksichtigung der Reversibilität der geschilderten Nebenwirkungen, insbesondere im Rahmen einer aufgrund der Nebenwirkungen eingeleiteten Medikation mit beispielsweise Insulin

Die neue Therapieform bedarf der klinischen Wertung im Hinblick auf Richtlinien zur Durchführung und Dauer bzw. Aufrechterhaltung der Behandlung mit Temsirolimus.

Hier hat sich expertengestützt folgender Behandlungsalgorithmus bewährt:

  • Fall 1: Patient ist klinisch ohne Befund: Fortführung der zielgerichteten Therapie mit Temsirolimus ohne weitere Bildgebung
  • Im Fall der klinischen Verschlechterung erfolgt eine Bildgebung mit nachfolgenden Konstellationen:
  • Fall 2: bei klinischer Verschlechterung und SD/PR (stable disease/partieller Remission): supportive Therapie und Fortführung der Behandlung.
  • Fall 3: bei klinischer Verschlechterung im Intervall und/oder Tumorprogression: supportive Therapie und ggf. Umstellung der zielgerichteten Therapie mit Temsirolimus auf einen Second-Line-Ansatz mit z. B. Sorafenib
  • Fall 4: bei klinischer Verschlechterung und SD unter Second-Line-Therapie: supportive Therapie und Fortführung der Second-Line-Therapie
  • Fall 5: bei klinischer Verschlechterung und Progression unter Second-Line-Therapie: alleinige supportive Therapie


Literatur

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Prof. Dr. med. Thomas Otto, Dr. med. Holger Gerullis, Dr. med. Christoph Eimer, Urologische Klinik, Städtische Kliniken Neuss, Lukaskrankenhaus GmbH, Preußenstr. 84, 41464 Neuss,
E-Mail: thomas_otto@lukasneuss.de
Dr. rer. nat. Annemarie Musch, Redaktion Arzneimitteltherapie, Birkenwaldstr. 44, 70191 Stuttgart


Nierenzellkarzinom – histologische Subtypen

Klarzelliges Nierenzellkarzinom: Mit etwa 75 % der häufigste Subtyp; maligne Entartung proximaler Tubulusepithelzellen; charakteristisch sind große Zellen mit aufgrund des hohen Gehalts an Neutralfetten klartransparent erscheinendem Zytoplasma

Papilläres Nierenzellkarzinom: Mit etwa 10 bis 20 % der zweithäufigste Typ; maligne Entartung proximaler Tubulusepithelzellen (siehe auch klarzelliges Nierenzellkarzinom); weitere Differenzierung aufgrund der Prognose in Typ 1 (kubische Epithelzellen, günstige Prognose) und Typ 2 (zylindrische Epithelzellen, ungünstige Prognose)

Chromophobes Nierenzellkarzinom: Etwa 5 % der Nierenzellkarzinome; maligne Entartung distaler Tubulusepithelzellen

Ductus-Bellini-Karzinom: Etwa 1 % der Nierenzellkarzinome; maligne Entartung von Zellen des Sammelrohrsystems (Bellini-Gänge)

Abb. 1. Temsirolimus

Abb. 2. Signaltransduktion über den PI3K/Akt/mTOR-Signalweg – ein die Tumorentstehung und das Tumorwachstum begünstigender Signalweg
Die Signaltransduktion über mTOR unterliegt einem Gleichgewicht aus aktivierenden und inhibierenden Einflüssen: Die Aktivierung erfolgt über Wachstumsfaktoren, aber auch über Nährstoffe, die Inhibition erfolgt beispielsweise durch PTEN (phosphatase and tensin homologue deleted on chromosome 10).
mTOR aktiviert zwei nachgeschaltete Signalwege, den 4E-BP1-Weg und den p70S6K1-Weg:
4E-BP-1 (eukaryotisches Initiationsfaktor-4E-Bindeprotein-1) wird durch mTOR phosphoryliert, die Bindung an den Initiationsfaktor eIF-4E wird gelöst und über diesen wird die Translation vieler Schlüsselproteine initiiert, die den Zellzyklus beschleunigen (Cyclin D1), Angiogenese initiieren (HIF) und an der Regulation von Zelldifferenzierung, Wachstum und Apoptose beteiligt sind (c-myc)
Durch die Aktivierung des p70S6K1-Wegs wird die Synthese von ribosomalen Proteinen und Elongationsfaktoren gesteigert, die für die Translation und die Proteinsynthese wichtig sind
[nach 2]

Tab. 1. Pharmakokinetische Daten von Temsirolimus (Auswahl) [nach 3, 4]

Maximale Plasmakonzentration Cmax*

585 ng/ml
(Variationskoeffizient: 14 %)

Gesamtplasmakonzentration (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve)*

1627 ng • h/ml
(Variationskoeffizient: 26 %)

Verteilungsvolumen im
Steady State*

172 l

Clearance*

16 l/h

Halbwertszeit (Mittelwert)

17,7 h (Sirolimus: 73,3 h)

* Mittelwert nach i.v. Einmaldosis von 25 mg bei Krebspatienten

Abb. 3. Gesamtüberleben – Ergebnis der Phase-III-Studie ARCC (Global trial for advanced renal cell carcinoma), in der bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit hohem Risiko die folgenden First-Line-Behandlungen miteinander verglichen wurden: Temsirolimus vs. Temsirolimus + Interferon alfa (Kombination) vs. Interferon alfa [nach 7]

Tab. 2. Sekundäre Endpunkte (Auswahl) – Ergebnisse der Phase-III-Studie ARCC (Global trial for advanced renal cell carcinoma), in der bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit hohem Risiko die folgenden First-Line-Behandlungen miteinander verglichen wurden: Temsirolimus vs.
Temsirolimus + Interferon alfa (Kombination) vs. Interferon alfa [nach 7]

Endpunkt

Interferon alfa
(n = 207)

Temsirolimus
(n = 209)

Interferon alfa + Temsirolimus
(n = 210)

Progressionsfreies Überleben [Monate], Median (95%-KI)

3,1 (2,2–3,8)

5,5 (3,9–7,0)*

4,7 (3,9–5,8)

Objektives Ansprechen [%] (95%-KI)

4,8 (1,9–7,8)

8,6 (4,8–12,4)

8,1 (4,4–11,8)

Klinischer Nutzen
(Objektives Ansprechen oder stabile Erkrankung über ≥ 24 Wochen) [%] (95%-KI)

15,5 (10,5–20,4)

32,1 (25,7–38,4)+

28,1 (22,0–34,2)#

95%-KI: 95%-Konfidenzintervall
*Temsirolimus vs. Interferon alfa p < 0,001; +Temsirolimus vs. Interferon alfa p < 0,001; #Interferon alfa + Temsirolimus vs. Interferon alfa p = 0,002

Tab. 3. Unerwünschte Wirkungen [%] in der ARCC-Studie (Auswahl) [nach 7]

Interferon (n = 200)

Temsirolimus (n = 208)

Interferon alfa + Temsirolimus (n = 208)

Alle Grade

Grad 3/4

Alle Grade

Grad 3/4

Alle Grade

Grad 3/4

Asthenie

64

26

51

11

62

28

Hautausschlag

6

0

47

4

21

1

Anämie

42

22

45

20

61

38

Übelkeit

41

4

37

2

40

3

Anorexie

44

4

32

3

38

8

Hyperlipidämie

14

1

27

3

38

8

Infektionen

14

4

27

5

34

11

Periphere Ödeme

8

0

27

2

16

0

Hyperglykämie

11

2

26

11

17

6

Fieber

50

4

24

1

60

3

Stomatitis

4

0

20

1

21

5

Erbrechen

28

2

19

2

30

2

Gewichtsverlust

25

2

19

1

32

6

Kopfschmerzen

15

0

15

1

22

0

Thrombozytopenie

8

0

14

1

38

9

Neutropenie

12

7

7

3

27

15

Leukopenie

17

5

6

1

31

9

Tab. 4. Kosten der Therapie mit Temsirolimus im Vergleich zu anderen Therapieoptionen (Angaben bezogen auf einen Zeitraum von 4 Wochen)

Handelsname

Wirkstoff

Dosierung

Therapiekosten/Monat (Verkaufspreis Lauer-Taxe; Stand 18. Juni 2008)

Sutent®

Sunitinib

1 x 50 mg/Tag
(Für 4 Wochen, dann 2 Wochen Pause, 6-wöchiger Behandlungszyklus)

Auf 4 Wochen umgerechnet:
4 379,72 e

Nexavar®

Sorafenib

2 x 400 mg/Tag

4 483,44 e

Avastin® +


Roferon A®

Bevacizumab +


Interferon alfa 2a

1 x 10 mg/kg alle zwei Wochen

3 x 9 Mio. I. E./Woche

5 844, 10 e
(70 kg schwerer Patient)
1 328,94 e

Gesamt: 7 173,04 e

Torisel®

Temsirolimus

1 x 25 mg/Woche

4 436,36 e

Handhabung von Torisel®-Konzentrat und Verdünnungsmittel

Torisel® muss während der Zubereitung und der weiteren Handhabung vor starkem Raum- und Sonnenlicht geschützt werden.

Mit Torisel® in Kontakt kommende Infusionsbeutel/Behältnisse müssen aus Glas, Polyolefin oder Polyethylen sein. Torisel® enthält Polysorbat 80, das die Extraktion von Diethylhexylphthalat (DEHP) aus Polyvinylchlorid (PVC) steigert, daher sollten Infusionsbeutel oder Medizinprodukte aus PVC nicht verwendet werden.

Die infusionsfertige Lösung des Arzneimittels muss unter aseptischen Bedingungen in einem zweistufigen Prozess hergestellt werden.

Zunächst müssen 1,8 ml des mitgelieferten Verdünnungsmittels in die Durchstechflasche, die das Torisel®-Konzentrat enthält, injiziert werden. Durch „auf den Kopf stellen“ der Durchstechflasche sollte das Verdünnungsmittel gut untergemischt werden.

Es entsteht eine Lösung mit einer Temsirolimus-Konzentration von 10 mg/ml. Die Lösung muss klar bis leicht getrübt, farblos bis leicht gelblich und im Wesentlichen frei von sichtbaren Partikeln sein. Sie ist bei Temperaturen < 25 C° bis zu 24 Stunden stabil.

Aus dieser Lösung kann nun die benötigte Menge aufgezogen werden und zwecks guter Durchmischung rasch in 250 ml einer 0,9%igen Natriumchlorid-Lösung gespritzt werden. Durch „auf den Kopf stellen“ des Beutels erfolgt eine weitere Durchmischung. Kräftiges Schütteln sollte unterbleiben, um Schaumbildung zu vermeiden.

Vor der Verabreichung muss diese Lösung visuell auf Partikel oder Verfärbungen überprüft werden.

Die in 0,9%iger Natriumchlorid-Lösung endverdünnte Torisel®-Lösung muss innerhalb von 6 Stunden verabreicht sein, das heißt, der Zeitraum zwischen der Zugabe von Torisel® zur Infusionslösung und der abgeschlossenen Infusion darf maximal 6 Stunden betragen.

Die endverdünnte Lösung sollte mittels Infusionspumpe über 30 bis 60 Minuten infundiert werden.

Empfohlen wird die Verwendung eines In-Line-Filters mit einer Porengröße von nicht mehr als 5 µm.

Temsirolimus – mTOR as a new target for treatment of advanced renal cell carcinoma

The mTOR inhibitor temsirolimus (Torisel®) as a new treatment option for patients with advanced renal cell carcinoma is officially acquirable in Germany since the end of 2007.

Temsirolimus is indicated for patients with high risk renal cell carcinoma (≥ 3 of 6 risk factors). A significant improvement of overall- and progression-
free survival versus therapy with IFN-α was shown for single treatment regimen with temsirolimus in a phase III clinical trial. Median overall survival was 10,9 months in the temsirolimus group vs. 7,3 months in the IFN-α group (p = 0.0069). Through therapy with temsirolimus survival could be prolonged for 49 % going along with an 39 % increase of quality of life. Furthermore therapy with temsirolimus results in a 14 % decrease of severe adverse events. According to the the guidelines of the European Association of Urology (EAU) treatment with temsirolimus is officially recommended for patients with advanced high risk renal cell carcinoma.

Keywords: Temsirolimus, mTOR inhibitor, renal cell carcinoma

Arzneimitteltherapie 2008; 26(08)