Clemens Unger, Freiburg, und Annemarie Musch, Stuttgart
Die Aktivierung und Überexpression von Onkogenen, die für Rezeptor-Tyrosinkinasen der Familie der humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren der ErbB-Familie, auch HER genannt (humane EGF-Rezeptoren), kodieren, spielen eine wichtige Rolle in der Entstehung von Brustkrebs [1]. Insbesondere sind hier die beiden Rezeptor-Tyrosinkinasen ErbB1 (EGFR) und ErbB2 (HER2) zu nennen. ErB2/HER2 wird bei etwa 20 % der Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs überexprimiert; die Überexpression geht mit einem aggressiveren Verlauf der Erkrankung einher [2, 3].
Mit dem gegen ErbB2/HER2 gerichteten Antikörper Trastuzumab (Herceptin®) konnte die Prognose von Patientinnen mit Erb2-überexprimierendem Brustkrebs entscheidend verbessert werden. In der adjuvanten Therapie wurde beispielsweise eine deutliche Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht (z. B. HERA-Studie, Herceptin adjuvant [4]). Bei Patientinnen mit metastasierter Erkrankung konnte in der First- und Second-Line-Therapie ein klinischer Nutzen gezeigt werden [z. B. 5–7].
Die intrazelluläre Hemmung der ErbB2/HER2-Rezeptor-Tyrosinkinasen durch Lapatinib (Abb. 1) könnte besonders bei einer Resistenz gegenüber Trastuzumab interessant sein.

Abb. 1. Lapatinib (Tyverb®)
Es treten sowohl Primär- als auch Sekundärresistenzen gegenüber Trastuzumab auf. Für die Resistenz gegenüber dem Antikörper wird unter anderem die Expression trunkierter ErbB2/HER2-Rezeptoren, das heißt beispielsweise die Expression konstitutiv aktiver Rezeptoren mit fehlender extrazellulärer Domäne (p95ErbB2/HER2-Expression [8]), und damit fehlender Zielstruktur für die Bindung des Antikörpers, verantwortlich gemacht. Von diesen Veränderungen des Rezeptors ist die ATP-Bindungsstelle nicht betroffen, sodass Lapatinib weiterhin wirksam bleibt. Entsprechende Ergebnisse liegen aus In-vitro-Untersuchungen vor [9].
Pharmakologie
Pharmakodynamik
Lapatinib hemmt die Rezeptor-Tyrosinkinasen von ErbB1 und ErbB2/HER2 (Abb. 2).

Abb. 2. Lapatinib hemmt die Rezeptor-Tyrosinkinasen der beiden Rezeptoren ErbB1 und ErbB2/HER2 aus der Familie der humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren der ErbB-Familie, auch HER genannt (humane EGF-Rezeptoren)
Lapatinib blockiert intrazellulär die ATP-Bindungsstelle der Rezeptor-Tyrosinkinasen, wodurch die Autophosphorylierung der Rezeptoren und die für die Signaltransduktion wichtige Phosphorylierung von Mediatoren nachgeschalteter Signaltransduktionswege verhindert wird
ErbB1 und ErbB2/HER2 sind transmembranäre Glykoproteine, die aus einer extrazellulären Liganden-Bindungsdomäne, einer transmembranösen Domäne und einer intrazellulären Tyrosinkinase-Domäne bestehen. Natürliche Liganden der Rezeptoren sind beispielsweise EGF und Tumornekrosefaktor alpha. Nach Ligandenbindung dimerisieren die Rezeptoren, wobei sowohl Homo- als auch Heterodimere gebildet werden. Die Rezeptor-Tyrosinkinase wird aktiviert. Es kommt zunächst zur Autophosphorylierung, anschließend zur Übertragung von Phosphatgruppen auf Mediatoren verschiedener Signaltransduktionswege innerhalb der Zelle.
Lapatinib bindet intrazellulär an die ATP-Bindungsstelle und verhindert dadurch die Autophosphorylierung und Aktivierung der nachgeschalteten Signaltransduktionswege. Das Tumorwachstum begünstigende Wirkungen der Rezeptoraktivierung von ErbB1 und ErbB2 wie gesteigerte Zellproliferation werden verhindert.
Lapatinib hemmt beide Rezeptor-Tyrosinkinasen, sodass auch die Signaltransduktion über Heterodimere der beiden Rezeptoren blockiert werden kann.
Pharmakokinetik
Lapatinib ist oral bioverfügbar [16]. Die Resorption ist variabel. Bei gleichzeitiger Einnahme zu den Mahlzeiten steigt die Gesamtplasmakonzentration des Arzneistoffs (Tab. 1).
Tab. 1. Pharmakokinetische Daten von Lapatinib (Auswahl) [nach 16]
Maximale Plasmakonzentration (Cmax) [µg/ml] (95%-KI)* |
2,43 (1,57–3,77), |
Gesamtplasmakonzentration (AUC, Area under the curve) [µg x h/ml]* |
36,2 (23,4–56), |
*Bei einmal täglicher Gabe von 1 250 mg, Mittelwert im Steady State
95%-KI: 95%-Konfidenzintervall
Lapatinib liegt im Plasma zu > 99 % gebunden an Plasmaproteine (Albumin, Alpha-1-saures Glykoprotein) vor.
Der Arzneistoff akkumuliert bei chronischer Einnahme, so das Ergebnis einer Phase-I-Studie [10]. Die Ergebnisse von Untersuchungen mit einmaliger Verabreichung von Lapatinib spiegeln somit nicht die Pharmakokinetik des Wirkstoffs bei einer Langzeittherapie mit täglicher Einnahme, wie sie bei Brustkrebs-Patientinnen erforderlich ist, wider. Bei mehrtägiger Therapie mit einer Dosis > 100 mg Lapatinib stiegen die Talspiegel um etwa 50 %, ein Steady State wurde nach 6 bis 7 Tagen erreicht. Die Eliminationshalbwertszeit wird bei chronischer Anwendung des Wirkstoffs auf etwa 24 Stunden geschätzt.
Lapatinib wird umfassend über das Cytochrom-P450(CYP)-Enzymsystem – insbesondere CYP3A4 und CYP3A5 sowie zu einem geringeren Anteil CYP2C19 und CYP2C8 – metabolisiert [11]. Die Ausscheidung der Metaboliten erfolgt überwiegend über die Fäzes, weniger als 2 % werden über die Nieren ausgeschieden. Weniger als ein Drittel des Arzneistoffs ist nach der Einnahme in unveränderter Form in den Fäzes nachzuweisen.
In-vitro-Daten zeigen, dass Lapatinib ein Substrat der Transportproteine BCRP/ABCG2 (breast cancer resistance protein) und P-Glykoprotein ist. Lapatinib hemmt diese Transportproteine sowie OATP 1B1 (organic anion transport protein), ein Anionen-Transportprotein in der Leber.
Bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen (Child-Pugh C) ist Vorsicht geboten, eine Dosisreduktion ist erforderlich; sinnvoll scheint basierend auf den Daten von Pharmakokinetik-Studien eine Reduktion auf 750 mg Lapatinib pro Tag (empfohlene Dosis laut Zulassungstext 1 250 mg; Dosis, die in der Phase-III-Studie eingesetzt wurde) [16]. Klinische Daten zur Anwendung bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen und zu einer entsprechenden Dosisreduktion liegen jedoch bislang nicht vor.
Da Lapatinib nur zu einem sehr geringen Anteil über die Nieren ausgeschieden wird, sind vermutlich keine Dosisanpassungen bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen erforderlich. Klinische Daten zur Anwendung bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen liegen bislang allerdings nicht vor.
Wirksamkeit
Fortgeschrittener oder metastasierter ErbB2/HER2-überexprimierender Brustkrebs
In eine offene Phase-III-Studie (EGF 100151) wurden Frauen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ErbB2/HER2-überexprimierendem Brustkrebs, die zuvor eine Anthracyclin-, Taxan- und Trastuzumab-haltige Therapie erhalten hatten, eingeschlossen. Nicht in die Studie eingeschlossen werden konnten Patientinnen, die bereits mit Capecitabin behandelt worden waren. Bei den Patientinnen musste zum Zeitpunkt der Randomisierung eine messbare Erkrankung nach RECIST-Kriterien (response evaluation criteria in solid tumors) vorliegen.
Die in die Studie eingeschlossenen Patientinnen wurden randomisiert mit Lapatinib plus Capecitabin (n = 198) oder Capecitabin allein (n = 201) behandelt.
Hierbei nahmen die Patientinnen der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe täglich 1 250 mg Lapatinib eine Stunde vor oder nach dem Frühstück ein; an den Tagen 1 bis 14 eines dreiwöchigen Zyklus nahmen sie zusätzlich Capecitabin (2 000 mg/m2 Körperoberfläche, verteilt auf zwei Einzelgaben) ein.
In der Kontrollgruppe wurde Capecitabin höher dosiert: Die Patientinnen nahmen an den Tagen 1 bis 14 eines dreiwöchigen Zyklus Capecitabin in einer Dosis von 2 500 mg/m2 Körperoberfläche verteilt auf zwei Einzelgaben ein.
Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Progression, definiert als erneut fortschreitende Erkrankung oder Tod aufgrund der Erkrankung. Sekundäre Endpunkte waren Gesamtüberleben, progressionsfreies Überleben (erneut fortschreitende Erkrankung oder Tod aufgrund aller Ursachen), Gesamtansprechrate (komplettes und partielles Ansprechen), klinischer Nutzen (komplettes bzw. partielles Ansprechen oder stabile Erkrankung über mindestens sechs Monate) sowie Sicherheit und Verträglichkeit.
Die Charakteristika der in die Studie eingeschlossenen Patientinnen waren in der Ausgangssituation in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar (Tab. 2).
Tab. 2. Charakteristika der Patientinnen, die in einer Phase-III-Studie mit Lapatinib plus Capecitabin oder mit Capecitabin allein behandelt wurden (Ausgangssituation; Auswahl; Intention-to-treat-Gruppe) [nach 14]
Lapatinib + |
Capecitabin (n = 201) |
|
Alter, Median (Bereich) [Jahre] |
54 (26–80) |
51 (28–83) |
ECOG PS [n] (%) |
|
|
Rezeptorstatus [n] (%) ER+ und/oder PR+ |
|
|
Stadium der Erkrankung [n] (%) IIIB oder IIIC |
|
|
Vorangegangene Therapie [n] (%) |
|
|
Dauer der Behandlung mit Trastuzumab, Median (Bereich) [Wochen] |
44 (3–296) |
45 (0–329) |
ECOG PS = Eastern Cooperative Oncology Group Performance Status; allgemeine Leistungsskala, basierend auf der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Patienten durch den Arzt: 0 = uneingeschränkte Aktivität, 1 = Einschränkung bei schwerer körperlicher Arbeit, leichte Arbeiten sind möglich
ER = Estrogen-Rezeptor; PR = Progesteron-Rezeptor
In einer vorab geplanten Zwischenanalyse zeigte sich ein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt [13]: In der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe traten 49 Ereignisse auf, die als Fortschreiten der Erkrankung gewertet wurden, in der Capecitabin-Gruppe waren es 72 Ereignisse; dies entspricht einer Risikoreduktion um relativ 51 % für die Patientinnen, die Lapatinib und Capecitabin einnahmen, gegenüber den Patientinnen der Capecitabin-Gruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,49; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 0,34–0,71; p < 0,001).
Die Randomisierung in die Studie wurde aufgrund dieser Ergebnisse auf Empfehlung des Independent Data and Safety Monitoring Committee (IDMC) gestoppt. Patientinnen der Capecitabin-Gruppe konnte nun eine zusätzliche Behandlung mit Lapatinib angeboten werden.
In einer aktualisierten Analyse der Daten zum Zeitpunkt des möglichen Cross-over konnte der signifikante Vorteil der Kombinationstherapie mit Lapatinib und Capecitabin gegenüber der Capecitabin-Monotherapie im primären Endpunkt bestätigt werden: Das Risiko für ein erneutes Fortschreiten der Erkrankung war bei der Therapie mit Lapatinib und Capecitabin verglichen mit Capecitabin allein signifikant reduziert (HR 0,57; 95%-KI 0,43–0,77; p = 0,00013) (Abb. 3) [14]. Die mediane Zeit bis zur Progression konnte von 4,3 Monaten in der Capecitabin-Gruppe auf 6,2 Monate in der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe verlängert werden.

Abb. 3. Zeit bis zur Progression: Ergebnis einer Phase-III-Studie zur Wirksamkeit von Lapatinib plus Capecitabin im Vergleich zur Capecitabin-Monotherapie bei vorbehandelten Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ErbB2/HER2-überexprimierendem Brustkrebs (= primärer Endpunkt; Kaplan-Meier-Analyse) [nach 14]
Die mediane Zeit bis zur Progression der Erkrankung betrug 6,2 Monate in der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe und 4,3 Monate in der Capecitabin-Gruppe
Auch im sekundären Endpunkt progressionsfreies Überleben (HR 0,55; 95-KI 0,4–0,74; p < 0,001) wurde ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen beobachtet. Die Ergebnisse in weiteren sekundären Endpunkten sind in Tabelle 3 zusammengefasst.
Tab. 3. Ergebnisse (insbesondere sekundäre Endpunkte) einer Phase-III-Studie, in der vorbehandelte Brustkrebs-Patientinnen mit Lapatinib plus Capecitabin oder mit Capecitabin allein behandelt wurden (Auswahl; Intention-to-treat-Gruppe) [nach 14]
Lapatinib + |
Capecitabin (n = 201) |
|
Gesamtüberleben, Median [Wochen] (Monate) |
67,7 (15,6) |
66,6 (15,3) |
Ansprechen auf die Therapie [n] (%) |
|
|
Ansprechrate (CR + PR)$ [%] |
23,7 (18,0–30,3) |
13,9 (9,5–19,5) |
Odds-Ratio |
1,9 (1,1–3,4); p = 0,017 |
|
Anteil Patienten mit klinischem Nutzen (CR + PR + SD ≥ 6 Wochen) [%] (95%-KI) |
29,3 (23,1–36,2) |
17,4 (12,4–23,4) |
Odds-Ratio |
2,0 (1,2–3,3); p = 0,008 |
|
Dauer des Ansprechens, Median [Monate] |
7,4 |
7,0 |
* Patienten, auf die u. a. Folgendes zutrifft: < 6 Wochen in der Studie (n =17), SD < 6 Wochen (n = 16), unvollständige Daten (n = 7)
+ Patienten, auf die u. a. Folgendes zutrifft: < 6 Wochen in der Studie (n =28), SD < 6 Wochen (n = 21), unvollständige Daten (n = 6)
$ Patienten mit fehlendem Ansprechen und fehlendem Ergebnis wurden als Non-Responder gewertet
In der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe verstarben 55 Patienten, in der Capecitabin-Gruppe 64 Patienten (HR 0,78; 95%-KI 0,55–1,12; p = 0,117). Die meisten Patienten verstarben in beiden Behandlungsgruppen aufgrund der fortschreitenden Erkrankung.
In einer zusätzlichen Analyse der Daten zeigte sich, dass eine symptomatische ZNS-Progression als Teil des ersten Progressionsereignisses in der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe (n = 4) seltener beobachtet wurde als bei den Patientinnen, die Capecitabin allein erhielten (n = 13) (2 % vs. 6 %; p = 0,045).
Hirnmetastasen beim ErbB2/HER2-überexprimierenden Brustkrebs
Zur Wirksamkeit von Lapatinib bei Patientinnen mit ErbB2/HER2-überexprimierendem Brustkrebs und Hirnmetastasen liegen die Daten einer offenen Phase-II-Studie (EGF 105084) vor [15, 17]. In diese Studie wurden Patientinnen mit radiologisch dokumentierter fortschreitender Erkrankung eingeschlossen, die bereits mit Trastuzumab behandelt worden waren und eine kraniale Bestrahlung erhalten hatten.
Die Patientinnen (n = 242) nahmen in dieser Studie zweimal täglich 750 mg Lapatinib ein. Bei erneutem Fortschreiten der Erkrankung unter der Lapatinib-Monotherapie konnten die Patientinnen in einen anderen Therapiearm überführt werden, in dem die Weiterbehandlung mit der Kombination von Lapatinib und Capecitabin erfolgte. Wie in der Studie EGF 100151 erhielten die Patientinnen täglich 1 250 mg Lapatinib und an den Tagen 1 bis 14 eines dreiwöchigen Zyklus zusätzlich Capecitabin (2 000 mg/m2 Körperoberfläche, verteilt auf zwei Einzelgaben).
Primärer Endpunkt war das Ansprechen auf die Therapie, definiert als eine 50%ige Volumenreduktion der ZNS-Läsionen. Gleichzeitig durften keine neuen Läsionen aufgetreten, keine Steigerung der Glucocorticoid-Dosis erforderlich und weder eine Verstärkung der neurologischen Krankheitszeichen/Symptome noch ein Fortschreiten der Erkrankung an anderen Stellen im Körper feststellbar sein. Ein Fortschreiten der Erkrankung im ZNS war definiert als 40%ige Volumenzunahme der ZNS-Läsionen, gesteigerter Glucocorticoid-Bedarf oder verstärkte neurologische Krankheitszeichen/Symptome.
Den primären Endpunkt erreichten 16 von 242 Patientinnen unter der Lapatinib-Monotherapie sowie 10 von 49 Patientinnen, die Lapatinib und Capecitabin erhielten.
Das mediane progressionsfreie Überleben unter der Lapatinib-Monotherapie betrug 9,3 Wochen (95%-KI 8,14–12,14), für Patientinnen des Lapatinib-Capecitabin-Arms betrug es 15,8 Wochen (95%-KI 10,57–19,00).
Derzeit ist nicht bekannt, ob Lapatinib zu einer Reduktion der Inzidenz von ZNS-Metastasen und zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens führt. Dazu ist eine Phase-III-Studie in Planung, in der die Inzidenz von Hirnmetastasen unter Lapatinib im Vergleich zu einer Trastuzumab-Therapie untersucht werden soll.
Verträglichkeit
In der offenen Phase-III-Studie, in der vorbehandelte Frauen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ErbB2/HER2-überexprimierendem Brustkrebs mit Lapatinib plus Capecitabin oder Capecitabin allein behandelt wurden, wurden als häufigste unerwünschte Wirkungen der Therapie Diarrhö, Hand-Fuß-Syndrom, Übelkeit, Fatigue, Erbrechen und Hautausschlag berichtet (Abb. 4) [14]. Hierbei traten Diarrhö und Hautauschlag häufiger in der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe auf – hauptsächlich aufgrund einer Zunahme von Grad-1-Toxizitäten.

Abb. 4. Häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkungen in einer offenen Phase-III-Studie zur Wirksamkeit von Lapatinib plus Capecitabin im Vergleich zur Capecitabin-Monotherapie bei vorbehandelten Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ErbB2/HER2-überexprimierendem Brustkrebs [nach 14]
Therapieunterbrechungen oder Dosisreduktionen aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen waren in beiden Behandlungsgruppen vergleichbar häufig erforderlich (43 % vs. 42 % bzw. 28 % vs. 28 %). 14 % der Patienten brachen in beiden Behandlungsgruppen die Therapie aufgrund von Toxizitäten ab.
Ein Patient in der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe entwickelte eine Prinzmetal-Angina; die Behandlung in der Studie wurde daraufhin abgebrochen. Es zeigte sich eine Abnahme der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) von 65 % auf 45 %, die später wieder auf 52 % stieg.
In der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe zeigten sich weiterhin vier asymptomatische kardiale Ereignisse, in der Capecitabin-Gruppe waren es zwei. Die Ereignisse in der Lapatinib-Capecitabin-Gruppe wurden mit der Studienmedikation in Verbindung gebracht, bei den Ereignissen, die in der Capecitabin-Gruppe auftraten, wurde keine Verbindung mit der Studienmedikation gesehen.
Eine Verringerung der LVEF wurde in der offenen Phase-III-Studie bei 2,1 % der Patientinnen sowohl unter der Kombination von Lapatinib und Capecitabin als auch unter der Monotherapie mit Capecitabin beobachtet, in mehr als 90 % der Fälle war die LVEF-Verringerung asymptomatisch [17].
Laut Fachinformation zählt die verringerte LVEF zu den häufigen unerwünschten Wirkungen unter der Therapie mit Lapatinib (Häufigkeit ≥ 1/100, < 1/10) [16]. Eine weitere häufige unerwünschte Wirkung ist die Hepatotoxizität.
Gelegentlich, das heißt bei ≥ 1/1 000 und < 1/100 Patientinnen, wurde unter der Therapie mit Lapatinib eine interstitielle Lungenerkrankung/Pneumonitis beobachtet.
Wechselwirkungen
Wechselwirkungen sind bei der gleichzeitigen Gabe von Lapatinib mit sowohl starken CYP3A4-Inhibitoren als auch starken CYP3A4-Induktoren zu erwarten [12, 16]. Die gleichzeitige Gabe dieser Arzneistoffe sollte vermieden werden.
In In-vitro-Studien wurde gezeigt, dass Lapatinib CYP3A4 und CYP2C8 hemmt. Vorsicht ist daher geboten, wenn Lapatinib gleichzeitig mit Arzneistoffen angewendet wird, die über diese CYP-Isoenzyme metabolisiert werden; dies gilt insbesondere für Arzneistoffe mit enger therapeutischer Breite.
Da Lapatinib ein Substrat von P-Glykoprotein ist, ist weiterhin Vorsicht bei der gleichzeitigen Anwendung von Lapatinib mit Arzneistoffen, die ebenfalls Substrate von P-Glykoprotein sind, geboten.
Indikation, Dosierung, Einsatz und Handhabung
Lapatinib ist in Kombination mit Capecitabin entsprechend der Zulassung durch die europäische Arzneimittelagentur angezeigt zur Behandlung von Patientinnen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ErbB2/HER2-überexprimierendem Brustkrebs. Lapatinib sollte dem EMEA-Zulassungstext entsprechend nur bei Patientinnen angewendet werden, deren Krankheit nach einer vorherigen Behandlung, die ein Anthracyclin oder ein Taxan einschloss, und unter einer anschließenden Behandlung der metastasierten Erkrankung mit Trastuzumab progredient war.
Lapatinib sollte fortlaufend eingenommen werden. Die empfohlene Tagesdosis von 1 250 mg sollte nicht aufgeteilt werden.
Die Einnahme sollte eine Stunde vor oder mindestens 1 Stunde nach einer Mahlzeit erfolgen. Zusätzlich sollte an den Tagen 1 bis 14 eines dreiwöchigen Zyklus Capecitabin eingenommen werden.
Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung
Lapatinib wurde mit Berichten über eine verringerte LVEF in Verbindung gebracht. Vor Beginn der Behandlung sollte bei allen Patientinnen die LVEF bestimmt werden; der Ausgangswert der LVEF sollte innerhalb des Normbereichs der jeweiligen Einrichtung liegen. Die Beurteilung der LVEF sollte während der Behandlung mit Lapatinib fortgesetzt werden. Wird unter der Therapie eine Verringerung der LVEF mit Symptomen (≥ Grad 3 nach den Kriterien des National Cancer Institute – common criteria for adverse events, NCI CTCAE; bzw. LVEF < unterer Grenzwert für den Normbereich der jeweiligen Einrichtung) beob achtet, sollte die Therapie mit Lapatinib beendet werden. Eine Wiederaufnahme der Therapie mit reduzierter Dosis (1 000 mg/d) ist nach einer Mindestzeit von 2 Monaten möglich, wenn die LVEF wieder im Normalbereich liegt und die Patientin keine Symptome mehr aufweist.
Weiterhin wurde Lapatinib mit Berichten über eine pulmonale Toxizität einschließlich einer interstitiellen Lungenerkrankung und Pneumonitis in Verbindung gebracht. Die Patientinnen sollten entsprechend auf Symptome einer pulmonalen Toxizität hin überwacht werden. Lapatinib sollte abgesetzt werden, wenn pulmonale Symptome ≥ Grad 3 nach NCI CTCAE auftreten.
Unter der Anwendung von Lapatinib trat Hepatotoxizität auf, die in seltenen Fällen tödlich verlaufen kann. Die Leberfunktion (Transaminasen, Bilirubin und alkalische Phosphatase) sollten vor Beginn der Behandlung und danach monatlich kontrolliert werden. Bei schweren Leberfunktionsstörungen sollte Lapatinib abgesetzt und die Behandlung nicht wieder aufgenommen werden.
Kosten der Therapie
Die reinen Arzneimittelkosten für die Therapie mit Lapatinib (1 250 mg/d) betragen rund 115 Euro pro Tag (Apothekenverkaufspreis, Rote Liste, Stand September 2008).
Zusammenfassung, Bewertung und Fazit
Mit Lapatinib liegt ein neuartiger und potenter Thyrosinkinasehemmer vor, der bei Trastuzumab-refraktärer Brustkrebserkrankung erneut Wirksamkeit zeigt. Lapatinib bindet intrazellulär an die ATP-Bindungsstelle der Rezeptor-Tyrosinkinasen der beiden Rezeptoren ErbB1 und ErbB2/HER2 und verhindert dadurch die Autophosphorylierung und Aktivierung der nachgeschalteten Signaltransduktionswege. In einer Phase-III-Studie konnte gezeigt werden, dass bei Trastuzumab-refraktären Patientinnen Lapatinib und Capecitabin gegenüber Capecitabin allein in Bezug auf die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung signifikant überlegen war. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMEA (CHMP) hat auf der Basis der eingereichten Daten zur pharmazeutischen Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Substanz eine positive Nutzen-Risiko-Bewertung vorgenommen und Lapatinib im Juni 2008 zugelassen. Die Zulassung ist „conditional“, das heißt gebunden an die spätere Vorlage weiterer Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMEA hatte aufgrund der im Dezember 2007 eingereichten Daten zunächst für eine Zulassung votiert, nahm diese Entscheidung aber aufgrund von Berichten über hepatobiliäre Toxizitäten, die in laufenden klinischen Studien beobachtet wurden, zurück. Eine sich anschließende intensive Neubewertung der genannten Toxizitäten führte schließlich doch zu einer positiven Einschätzung, die beobachteten Risiken einer Lebertoxizität wurden allerdings in den nationalen Fachinformationen als Warnhinweis aufgeführt.
Eine fundierte Wertung der Kardiotoxizität unter Lapatinib ist derzeit noch nicht möglich. Die Mechanismen der medikamenteninduzierten Kardiotoxizität von Lapatinib und Trastuzumab werden derzeit als vergleichbar eingeschätzt.
Es ist jetzt abzuwarten, wie die weiteren klinischen Studien verlaufen und ob aus dem beobachteten progressionsfreien Intervall auch ein signifikanter Überlebensvorteil resultiert.
Lapatinib
+ Orale Einnahme
+ Neue Option für Patientinnen in diesem Stadium der Erkrankung
+ Wirksamkeit bei Resistenz gegenüber Trastuzumab
– Metabolisierung über CYP-Enzyme, Interaktionspotenzial
– Toxizität
– Bislang noch kein Vorteil im Gesamtüberleben gezeigt
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16. Fachinformation Tyverb®, Stand Juni 2008.
17. http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/tyverb/H-795-en6.pdf
Prof. Dr. med. Clemens Unger, Klinik für Tumorbiologie, Breisacher Straße 117, 79106 Freiburg, E-Mail: unger@tumorbio.uni-freiburg.de
Dr. rer. nat. Annemarie Musch, Redaktion Arzneimitteltherapie, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart
Lapatinib – new therapeutic option for advanced or metastatic ErbB2/HER2-positive breast cancer
Lapatinib (Tyverb®) is a dual receptor tyrosine kinase inhibitor that is selective for the intracellular tyrosine kinases of epidermal growth factor receptors ErbB1 (EGFR) and ErbB2 (HER2). In Europe lapatinib in combination with capecitabine is approved for the treatment of patients with advanced or metastatic HER2-positive breast cancer since June 2008. The treatment is indicated for women with progressing disease following prior treatment with anthracyclines, taxanes and trastuzumab in the metastatic setting. In a phase III trial with patients with advanced or metastatic HER2-positive breast cancer treatment with lapatinib in combination with capecitabine significantly prolonged time to progression compared to treatment with capecitabine alone. All patients were previously treated with anthracycline-, taxane-, and trastuzumab-containing regimens.
Keywords: Lapatinib, dual tyrosine kinase inhibitor, advanced or metastatic ErbB2/HER2-positive breast cancer
Arzneimitteltherapie 2008; 26(11)