Akute Rhinosinusitis

Antibiotika-Gabe nur selten indiziert


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Monika Neubeck, Kaiserslautern

Bei akuter Rhinosinusitis konnten keine klinischen Symptome identifiziert werden, die eine antibiotische Therapie eindeutig rechtfertigen. Selbst bei längerdauernden Beschwerden oder hohem Lebensalter sollte Erwachsenen nicht automatisch ein Antibiotikum verordnet werden.

Obwohl die meisten Rhinosinusitiden viral bedingt sind, wird in allgemeinärztlichen Praxen in den USA bei etwa 80 % der Patienten mit akuter Rhinosinusitis ein Antibiotikum verordnet, in Europa bei 72 bis 92 %. Da eine Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Rhinosinusitis in der hausärztlichen Praxis schwierig ist, kommt es insbesondere hier zu einer unnötig häufigen Verschreibung von Antibiotika, auch wenn es sich nicht um eine bakterielle Infektion handelt. In einer Metaanalyse wurde die Wirksamkeit der antibiotischen Therapie bei akuter Rhinosinusitis untersucht und geprüft, ob allgemeine Anzeichen, Symptome oder spezifische Patienten-Charakteristika zur Identifizierung der Patienten genutzt werden können, die von einer solchen Behandlung profitieren.

Studiendesign

Neun randomisierte Doppelblind-Studien wurden in der Metaanalyse berücksichtigt. Insgesamt erhielten 2547 erwachsene Patienten mit Rhinosinusitis-artigen Symptomen ein Antibiotikum oder Plazebo. Die Patienten mussten mindestens 1-mal die Studienmedikation erhalten haben. Studien, bei denen zusätzlich Abstriche, radiologische Untersuchungen oder andere Schnelltests durchgeführt wurden, wurden nicht berücksichtigt, da dies nicht den allgemeinärztlichen Gegebenheiten entspricht.

Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, der zu dem in den einzelnen Studien festgelegten Zeitpunkt zur Erfassung des primären Endpunkts geheilt werden konnte. Die Wirksamkeit der antibiotischen Behandlung und das Vorhandensein typischer Krankheitszeichen und Symptome wurden über die Number needed to treat (NNT) bestimmt.

Ergebnisse

Das Odds-Ratio für die Wirksamkeit einer antibiotischen Therapie lag bei 1,35 (95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 1,15–1,59) im Vergleich zu Plazebo. Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen, dass 15 Rhinosinusitis-Patienten mit einem Antibiotikum behandelt werden müssen, damit ein weiterer Patient geheilt werden kann; das bayesianische 95%-Konfidenzintervall („credible interval“; vgl. Arzneimitteltherapie 2008;26:464–5) lag dabei zwischen 7 und 190. Bei Patienten mit höherem Lebensalter oder länger andauernden und stärkeren Beschwerden wurde zwar eine verlängerte Heilungszeit beobachtet, sie profitierten jedoch nicht stärker von der Applikation eines Antibiotikums als andere Patienten.

Eitriges Pharynxsekret war am ehesten ein prognostisches Symptom für die Indikation einer antibiotischen Behandlung. Acht Behandlungsfälle wurden in dieser Subgruppe benötigt, um einen weiteren Patienten zu heilen (95%-„credible interval“ 4–47). Weitere Symptome oder allgemeine Krankheitszeichen waren nicht geeignet, um die Patientensubgruppe zu identifizieren, für die eine Antibiotika-Gabe gerechtfertigt ist.

Diskussion

Bei akuter Rhinosinusitis konnten keine Krankheitszeichen oder klinischen Symptome identifiziert werden, die eine antibiotische Therapie eindeutig rechtfertigen. Am ehesten scheinen Patienten mit eitrigem Pharynxsekret von einer antibiotischen Therapie zu profitieren. Selbst bei Patienten mit längerdauernden, stärkeren Beschwerden ist aufmerksame Zurückhaltung angeraten. Ausnahmen bilden Patienten, bei denen mit ernsthaften Komplikationen zu rechnen ist, beispielsweise Patienten mit hohem Fieber oder heftigen Gesichtsschmerzen. Auch die Gabe eines Antibiotikums nach 7- bis 10-tägigem Abwarten – wie in vielen Leitlinien empfohlen – ist nicht sinnvoll.

Patienten mit länger andauerndem Auftreten von Symptomen, mit einer Verschlimmerung der Symptomatik und Patienten in zunehmendem Alter brauchen zwar länger bis zur Genesung, profitieren aber nicht stärker von der Gabe eines Antibiotikums als andere Patienten.

Die erhaltenen Resultate beziehen sich auf die Behandlung in allgemeinärztlichen Praxen, in denen weder radiologische Untersuchungen noch Abstriche zur Abklärung eingesetzt werden. Durch den Ausschluss schwer erkrankter, potenziell eher bakteriell infizierter Personen von der Plazebo-kontrollierten Untersuchung war die Aussagekraft der Studie eingeschränkt.

Kinder oder immungeschwächte Patienten wurden in der Metaanalyse nicht berücksichtigt. Ob diese Gruppen von einer Antibiotikatherapie profitieren, sollte in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Durch eine zurückhaltendere Antibiotika-Verordnung bei der Behandlung akuter Rhinosinusitiden in allgemeinärztlichen Praxen könnten Kosten eingespart und Nebenwirkungen vermieden werden. Günstig würde sich eine zurückhaltende Verordnung auch auf die Entwicklung resistenter Erreger auswirken.

Quelle

Young J, et al. Antibiotics for adults with clinically diagnosed acute rhinosinusitis: a meta-analysis of individual patient data. Lancet 2008;371:908–14.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(05)