Koronare Herzerkrankung

Kein erhöhtes Risiko durch Arzneimittel-freisetzende Stents bei Diabetikern


Bettina Christine Martini, Legau

Nachdem in Studien bei Diabetikern ein erhöhtes Sterberisiko nach Implantation Sirolimus-freisetzender Stents im Vergleich zu Metall-Stents beobachtet wurde, kamen Bedenken zur Sicherheit der Arzneimittel-freisetzenden Stents auf. Eine große aktuelle Metaanalyse konnte nun zeigen, dass kein erhöhtes Sterberisiko besteht, wenn nach der Stent-Implantation eine mindestens 6 Monate andauernde thrombozytenfunktionshemmende Therapie mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel durchgeführt wird.

Patienten mit Diabetes mellitus haben ein erhöhtes Risiko für eine koronare Herzerkrankung. Ist eine Stent-Implantation nötig, haben sie im weiteren Verlauf ein erhöhtes Risiko für eine Restenosierung. Daher sollten Arzneimittel-freisetzende Stents, die zu einer signifikanten Senkung der Restenoserate führen, insbesondere für Diabetiker einen Fortschritt bedeuten.

In den vergangenen Jahren sind jedoch Bedenken zur Sicherheit Arzneimittel-freisetzender Stents aufgekommen, nachdem in Studien eine erhöhte Sterblichkeit (unter anderem bedingt durch vermehrte Myokardinfarkte) bei Implantation von Sirolimus-freisetzenden Stents gegenüber gewöhnlichen Metall-Stents speziell bei Diabetikern beobachtet wurde: In einer Metaanalyse von vier älteren randomisierten, kontrollierten Studien, in denen Sirolimus-freisetzende Stents mit einfachen Metall-Stents verglichen wurden, ergab sich in der Untergruppe der Patienten mit Diabetes mellitus (n=428) eine signifikant erhöhte Letalität (Hazard-Ratio 2,90; 95%-Konfidenzintervall: 1,38–6,10). Das entspricht einer „number needed to harm“ von 4 innerhalb eines 4-Jahreszeitraums.

Zur Überprüfung der Effektivität und Sicherheit Sirolimus-freisetzender, Paclitaxel-freisetzender und Metall-Stents wurde nun eine wesentlich größere Metaanalyse durchgeführt.

Studiendesign

Insgesamt wurden 35 klinische Studien zur Stent-Implantation, an denen 3852 Diabetiker und 10947 Nicht-Diabetiker teilgenommen hatten, in die Metaanalyse einbezogen.

Primäre Endpunkte waren die Gesamtmortalität und die Revaskularisationsrate (target lesion revascularisation, TLR).

Ergebnisse

In 8 der 35 Studien betrug die Dauer der Therapie mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel weniger als 6 Monate. In diesen 8 Studien wurden Sirolimus-freisetzende Stents mit Metall-Stents verglichen: Die kurze Dauer der Thrombozytenfunktionshemmung war bei den Diabetikern mit einer erhöhten Mortalität beim Einsatz Sirolimus-freisetzender Stents assoziiert.

Unter Einbeziehung aller 35 Studien in die Analyse waren die Ergebnisse zur Mortalität bei den Diabetikern sehr inkonsistent. Bei Beschränkung der Analyse auf diejenigen Studien, in denen eine duale Thrombozytenfunktionshemmung über mindestens 6 Monate durchgeführt wurde, waren die Ergebnisse deutlich konsistenter und die Hazard-Ratios für Tod nach Stent-Implantation lagen bei den Diabetikern in Abhängigkeit von der Art des implantierten Stents zwischen 0,88 und 0,95 (Tab. 1). Die Ergebnisse zur Mortalität der Nicht-Diabetiker waren unabhängig von der Dauer der Thrombozytenfunktionshemmung (Hazard-Ratio zwischen 0,89 und 1,23, s. Tab. 1).

Tab. 1. Tod nach Stent-Implantation in Abhängigkeit vom eingesetzten Stent

Art des implantierten Stents

Hazard-Ratio

95 %-Konfidenzintervall

Diabetiker (≥ 6 Monate Thrombozytenfunktionshemmung mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel nach Stent-Einlage)

Sirolimus-freisetzender Stent vs. Metall-Stent

0,88

0,55–1,30

Paclitaxel-freisetzender Stent vs. Metall-Stent

0,91

0,60–1,38

Sirolimus-freisetzender Stent vs. Paclitaxel-freisetzender Stent

0,95

0,63–1,43

Nicht-Diabetiker

Sirolimus-freisetzender Stent vs. Metall-Stent

1,05

0,69–1,73

Paclitaxel-freisetzender Stent vs. Metall-Stent

0,89

0,66–1,18

Sirolimus-freisetzender Stent vs. Paclitaxel-freisetzender Stent

1,23

0,82–1,69

Die Revaskularisationrate (TLR) konnte mit beiden Arzneimittel-freisetzenden Stents sowohl bei Diabetikern als auch bei Nicht-Diabetikern signifikant gesenkt werden. Die Beschränkung der Analyse auf Studien mit mindestens 6 Monate andauernder Thrombozytenfunktionshemmung hatte keinen Einfluss auf die Revaskularisationsrate.

Fazit

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Arzneimittel-freisetzende Stents für Patienten mit Diabetes mellitus eine wirksame und sichere Therapieform sind, sofern mindestens über 6 Monate eine konsequente Thrombozytenfunktionshemmung mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel durchgeführt wird. Das in früheren Studien mit Sirolimus-freisetzenden Stents erhöhte Sterberisiko sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die duale Thrombozytenfunktionshemmung nur für weniger als 6 Monate erfolgte.

Mögliche Erklärungen für die Notwendigkeit einer längeren Thrombozytenfunktionshemmung seien ein langsamerer Heilungsprozess des Endothels bei Diabetikern, eine bei Diabetikern häufiger bestehende Acetylsalicylsäure-Resistenz und der dadurch bedingte erhöhte Nutzen durch Clopidogrel. Außerdem hätten Diabetiker tendenziell engere Gefäßlumina und längere Läsionen (= Prädiktoren für Stent-Thrombosen).

Ein kürzlich veröffentlichtes Consensus-Statement empfiehlt eine Therapiedauer von zwölf Monaten nach Stent-Implantation. Diesbezüglich geben die Autoren zu bedenken, dass in der Praxis Faktoren wie mangelnde Compliance, fehlende Nachbeobachtung, eine meist hohe Anzahl einzunehmender Arzneimittel, Allergien und weitere Komorbiditäten sowie die Kosten einer Clopidogrel-Therapie einer lang andauernden dualen Thrombozytenfunktionshemmung im Weg stehen können. Wenn bei einem Patienten einer oder mehrere dieser Faktoren vorliegen, sollten bei der Wahl des Stents Nutzen und Risiko sorgfältig abgewogen werden.

Ausblick

Zukünftige Studien sollten den Autoren zufolge zum einen die Kosteneffektivität Arzneimittel-freisetzender Stents bei Hochrisikopatienten wie Diabetikern untersuchen. Zum anderen sollte überprüft werden, ob die Einstufung als Diabetiker wie in den bisher durchgeführten Studien tatsächlich anhand der Behandlung (Insulin, orale Antidiabetika) vorgenommen werden sollte oder ob nicht möglicherweise andere Faktoren (z.B. HbA1c-Wert, Mikroalbuminurie oder Ausprägung der Retinopathie) den Erfolg einer Revaskularisierungstherapie beeinflussen und somit bei der Wahl der geeigneten Methode berücksichtigt werden müssten.

Quellen

Stettler C, et al. Drug eluting and bare metal stents in people with and without diabetes: collaborative network meta-analysis. BMJ 2008;337:668–72.

Agostoni P, et al. Drug eluting stents in patients with diabetes – long term aspirin and clopidogrel are key to improving safety. BMJ 2008;337:643–4.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(05)