Zusätzliche Gabe von Cetuximab in der First-Line-Therapie nicht sinnvoll


Bettina Christine Martini, Legau

Als Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms wird aktuell eine Fluoropyrimidin-basierte Chemotherapie in Kombination mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab empfohlen. Die Zugabe eines weiteren „Biological“, des EGF-Antikörpers Cetuximab, scheint dagegen die Effektivität nicht zu verbessern, wie die Ergebnisse einer Phase-III-Studie zeigen.

Durch kombinierte Chemotherapieregime, wie „FOLFIRI“ (Folinsäure, Fluorouracil und Irinotecan) oder „FOLFOX“ (Folinsäure, Fluorouracil und Oxaliplatin) konnte die mediane Überlebenszeit beim metastasierten kolorektalen Karzinom in den letzten Jahren von weniger als einem Jahr auf mehr als 20 Monate verbessert werden. Durch Zugabe des Angiogenesehemmers Bevacizumab (Avastin®) konnten weitere Fortschritte erzielt werden. Derzeit gilt die Kombination einer Fluoropyrimidin-basierten Chemotherapie mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab als Standard in der Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms.

Nun wurde in einer randomisierten, kontrollierten Studie untersucht, ob durch die zusätzliche Gabe des EGFR-Hemmers Cetuximab (Erbitux®) möglicherweise weitere Verbesserungen erzielt werden können.

Cetuximab ist bisher beim metastasierten Kolorektalkarzinom zugelassen in Kombination mit einer Chemotherapie und als Monotherapie bei Patienten, bei denen die Therapie mit Oxaliplatin und Irinotecan versagt hat und die Irinotecan nicht vertragen. Die Zulassung ist auf Patienten mit EGFR-exprimierendem Kolorektalkarzinom mit Wildtyp-K-ras-Gen beschränkt, da bekannt ist, dass Cetuximab bei Vorliegen einer K-ras-Mutation nicht wirksam ist (siehe Kasten).

K-ras-Mutationen

Das vom Protoonkogen K-ras (Kirsten Rat Sarcoma 2 viral oncogene homologue) kodierte Protein spielt eine zentrale Rolle in der Signaltransduktionskette des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors EGFR. In Tumoren trägt die Aktivierung von K-ras durch EGFR zur EGFR-vermittelten gesteigerten Proliferation, zum Zellüberleben sowie zur Produktion angiogenesefördernder Faktoren bei. K-ras ist eines der am häufigsten aktivierten Onkogene bei Krebserkrankungen des Menschen. Bestimmte Mutationen des K-ras-Gens bewirken die konstitutive Aktivierung des K-ras-Proteins, unabhängig von einer Signalwirkung durch EGFR.

Cetuximab ist nur bei Vorliegen des K-ras-Wildtyps indiziert.

[Fachinformation Cetuximab; Stand November 2008]

Studiendesign

755 chemotherapeutisch nicht vorbehandelte Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom wurden mit Capecitabin, Oxaliplatin und Bevacizumab behandelt; randomisiert bekam die Hälfte der Patienten (n=377) zusätzlich Cetuximab (400 mg/m2 als Initialdosis an Tag 1, dann einmal wöchentlich 250 mg/m2). Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben. Außerdem wurde der Einfluss des K-ras-Mutationsstatus auf die Prognose untersucht.

VEGF: Vascular endothelial growth factor

EGF: Epidermal growth factor

EGFR: EGF-Rezeptor

Ergebnisse

Durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab konnte das progressionsfreie Überleben der Patienten nicht verbessert werden. Im Gegenteil: Die mit Cetuximab behandelten Patienten hatten ein signifikant kürzeres progressionsfreies Überleben als die Kontrollgruppe (median 9,4 Monate vs. 10,7 Monate; p=0,01). Beim Gesamtüberleben und den Ansprechraten unterschieden sich die beiden Gruppen nicht.

Unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder 4 waren in der Cetuximab-Gruppe, insbesondere aufgrund der Zunahme an Hauttoxizitäten, signifikant häufiger (81,7% vs. 73,2%; p=0,006).

Bei Patienten mit mutiertem K-ras-Gen verkürzte die Zugabe von Cetuximab das progressionsfreie Überleben deutlicher als bei Patienten mit K-ras-Wildtyp oder Patienten mit mutiertem K-ras-Gen ohne Cetuximab (Tab. 1).

Tab. 1. Progressionsfreies Überleben bei metastasiertem kolorektalem Karzinom in Abhängigkeit von K-ras-Mutationsstatus und Therapie mit Capecitabin, Oxaliplatin und Bevacizumab ohne/mit Cetuximab

Progressionsfreies Überleben [Monate]

K-ras-Wildtyp

K-ras-Mutation nachgewiesen

p-Wert

Ohne Cetuximab

10,6 (n=156)

12,5 (n=108)

0,80

Mit Cetuximab

10,5 (n=156)

8,1 (n=98)

0,04

p-Wert

0,30

0,003

Lebensqualität und allgemeiner Gesundheitszustand entwickelten sich außerdem in der Gruppe ohne Cetuximab signifikant besser als in der Gruppe mit dem EGFR-Hemmer (p=0,007 bzw. 0,03).

Diskussion und Fazit

Die Zugabe des EGF-Antikörpers Cetuximab zur Standardchemotherapie einschließlich Bevacizumab resultierte in einem signifikant kürzeren progressionsfreien Überleben und einer schlechteren Lebensqualität. Warum die Kombination von Bevacizumab und Cetuximab das Behandlungsergebnis offensichtlich verschlechtert, ist bisher nicht bekannt. Tatsache ist, dass bereits eine weitere Studie ein ähnliches Ergebnis erbrachte, in der Panitumumab, ebenfalls ein EGFR-Hemmer, in Kombination mit Bevacizumab bei Patienten mit kolorektalem Karzinom untersucht wurde [Hecht et al., J Clin Oncol 2009;27:672–80]. Die jeweiligen Studienautoren vermuten eine unerwartete Interaktion, die allerdings bislang nicht identifiziert werden konnte.

Dass Patienten mit K-ras-Mutation nicht von einer Cetuximab-Therapie profitieren, bestätigt sich erneut in der vorliegenden Studie.

Insgesamt mahnt die Studie zur Vorsicht, dass Kombinationen zielgerichteter Therapien nicht analog den Kombinationen klassischer zytotoxischer Therapien funktionieren.

Quellen

Tol J, et al. Chemotherapy, bevacizumab, and cetuximab in metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2009;360:563–72.

Mayer RJ. Targeted therapy for advanced colorectal cancer – more is not always better. N Engl J Med 2009;360:623–5.

Arzneimitteltherapie 2009; 27(07)