Bestimmung freier Leichtketten im Serum bei Plasmazelldyskrasien


Überlegungen zum differenzierten Einsatz des FLC-Tests

Stefan Knop, Würzburg

Mit dem FLC-Test können die freien, also nicht an Schwerketten gebundenen, Kappa- und Lambda-Immunglobulin-Leichtketten (free light chains, FLC) im Serum quantitativ bestimmt werden. Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten dieses Tests bei Patienten mit monoklonalen Plasmazellproliferationen (Plasmazelldyskrasien) umfassen unter anderem die Erstdiagnose, die Einschätzung der Prognose, die Rezidiverkennung und die Verlaufskontrolle bei unterschiedlichen Myelomtypen. Der diagnostische Nutzen und der differenzierte Einsatz der FLC-Bestimmung werden nachfolgend im Spiegel veröffentlichter Empfehlungen und Leitlinien diskutiert.
Arzneimitteltherapie 2009;27:309–13.

Die Identifikation eines geeigneten Verlaufsparameters ist bei den meisten Krebserkrankungen Voraussetzung für die eindeutige Messung des Therapieerfolgs. Darüber hinaus sind Verlaufsparameter nicht selten geeignet, eine Risikoabschätzung für den weiteren Krankheitsverlauf eines individuellen Patienten zu treffen. So verhält es sich auch beim multiplen Myelom, einer hämatologischen Systemerkrankung, die ihren Ursprung in den terminal differenzierten B-Lymphozyten, den Plasmazellen, hat [1].

Charakteristisch für das sogenannte sezernierende multiple Myelom ist das Vorkommen eines monoklonalen Eiweißes (Paraprotein, M-Protein) im Serum und/oder Urin des Patienten. Die klonalen Plasmazellen produzieren Immunglobuline eines einzigen Idiotypen (monoklonale Immunglobuline IgG, A oder D), die sich entsprechend immunologisch und im elektrischen Feld gleichartig verhalten.

In etwa 30 % der Myelom-Fälle werden anstelle von intakten Immunglobulinen nur Immunglobulin-Bruchstücke, sogenannte freie Leichtketten oder Bence-Jones-Proteine, gefunden.

In 1–5% der Fälle liegt ein sogenanntes asekretorisches Myelom vor, bei dem in der Serum- und Urinelektrophorese weder monoklonale Antikörper noch Immunglobulin-Leichtketten nachgewiesen werden können [2].

Charakteristika der Erkrankung

Ein bereits symptomtisches Myelom macht sich häufig durch unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Schwäche, Knochenschmerzen und Infektanfälligkeit bemerkbar. Häufigste Symptome bei neu diagnostizierter Erkrankung sind Knochenschmerzen (in 60 bis 80% der Fälle) und Anämie (70%). Hyperkalzämie (15%) und Niereninsuffizienz mit erhöhtem Serumcreatinin (20%) sind seltener. Etwa 25% der Patienten sind bei Diagnosestellung symptomfrei [3]. Bei 80% der asymptomatischen Patienten ist eine Erhöhung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, die sogenannte Sturzsenkung, der erste auffällige Befund.

Bei etwa 15 bis 20% der Patienten wird die Erkrankung zufällig im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen oder Routinekontrollen infolge anderer gesundheitlicher Beschwerden diagnostiziert [3, 4].

Vom symptomatischen multiplen Myelom beziehungsweise Plasmozytom sind die „monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz“ (MGUS) und das asymptomatische multiple Myelom („smoldering myeloma“) abzugrenzen, für die das Fehlen myelomassoziierter Organkomplikationen („Endorganschäden“) charakteristisch ist.

Eine MGUS tritt bei rund 5% der über 70-Jährigen auf. Mit einer Häufigkeit von etwa 1% pro Jahr geht sie in eine maligne B-Zell-Erkrankung, meist ein multiples Myelom oder eine primär systemische (AL-)Amyloidose, über [5].

Anhand der für das multiple Myelom charakteristischen Endorganschäden kann das symptomatische Myelom vom asymptomatischen Myelom und der MGUS unterschieden werden. Im angloamerikanischen Sprachgebrauch wird als Merkhilfe für die häufigsten Endorganschäden das Akronym „CRAB“ (Hypercalcemia; renal insufficiency; anemia; bone lesions) verwendet [6].

Diagnostik beim multiplen Myelom

Für die Diagnosestellung des symptomatischen und damit behandlungsbedürftigen multiplen Myeloms sind Nachweise von monoklonalem Eiweiß (M-Protein) in Serum und/oder Urin des Patienten, von klonalen Plasmazellen im Knochenmark (alternativ der bioptische Nachweis eines Weichteilplasmozytoms) und von einem oder mehreren der oben genannten „CRAB“-Kriterien nötig [7]. Neben der Knochenmarkpunktion mit zytologischer, histologischer und molekularzytogenetischer Analyse (ob die Durchflusszytometrie aus Knochenmark erforderlich ist bzw. ergänzende Informationen liefert, wird kontrovers diskutiert) gehören die röntgenologische Untersuchung des Skelettsystems (Ganzkörper-CT in Mehrzeilentechnik mit niedriger Strahlendosis) sowie die Anamnese und gründliche körperliche Untersuchung zum diagnostischen Standard beim multiplen Myelom. Von besonderer Bedeutung ist die Labordiagnostik: Blutsenkungsgeschwindigkeit, Differenzialblutbild, klinische Chemie mit besonderem Augenmerk auf Calcium und Nierenfunktion. Zur Erfassung des Stadiums und Festlegung eines geeigneten Verlaufsparameters müssen ferner Gesamteiweiß, Albumin und Beta2-Mikroglobulin im Serum bestimmt werden. Serumeiweißelektrophorese und Immunfixationselektrophorese dienen dem Nachweis und der quantitativen Bestimmung des M-Proteins. Ferner muss der während einer 24-Stunden-Periode gesammelte Urin elektrophoretisch (Immunfixation) untersucht werden. Meist sind entweder die densitometrische Bestimmung des in der Serumeiweißelektrophorese detektierten M-Gradienten (bei Sekretion eines intakten Immunglobulins) oder die Bestimmung der Menge der in den Urin ausgeschiedenen klonalen Leichtketten (Leichtkettenmyelom) geeignete Verlaufsparameter während der Therapie.

Der FLC-Test, ein latexverstärkter Immunoassay, ermöglicht die nephelometrische Bestimmung der Konzentration freier Leichtketten (kappa und lambda) in Serum und spielt inzwischen unter anderem in der Primärdiagnostik und bei der Beurteilung des Therapieansprechens eine Rolle (s. „Fazit für die Praxis“).

In Abbildung 1 sind die Serum-Leichtkettenkonzentrationen von Patienten mit Leichtkettenmyelom im Vergleich zu Gesunden dargestellt.

Abb 1. Konzentrationen freier Leichtketten im Serum bei Patienten mit Leichtkettenmyelom und bei Gesunden [nach 20]

Messung der freien Leichtketten im Serum bei nichtsezernierendem multiplem Myelom

Die Häufigkeit des nichtsezernierenden Myeloms liegt bei 1 bis 5% aller Erkrankungsfälle. Die Diagnose konnte bis vor einigen Jahren nur durch die Analyse von Knochenmarkzytologie und Kochenmark-Stanzzylinder in Zusammenhang mit weiteren klinischen Kriterien gestellt werden [8]. Im Jahr 2000 berichtete eine britische Arbeitsgruppe erstmals über die Möglichkeit, freie Serum-Immunglobulin-Leichtketten mit einem latexverstärkten Immunoassay (FLC-Test) nephelometrisch zu bestimmen. In 19 von 28 Serumproben von Patienten mit einem asekretorischem Myelom konnten mittels dieses neuen Ansatzes eine deutliche Erhöhung der Kappa- oder Lambda-Leichtkettenkonzentrationen und ein pathologischer Kappa/Lambda-Quotient nachgewiesen werden, bei vier weiteren zeigte sich eine Suppression der nicht betroffenen Kappa- oder Lambda-Leichtketten und nur fünf der Proben blieben unauffällig [9]. Vorteil dieses Ansatzes war die hohe Sensitivität: Einer mittels FLC-Test im Serum messbaren Konzentration freier Leichtketten von weniger als 1 mg/l stehen eine Nachweisgrenze von 150 bis 500 mg/l in der Serumimmunfixation und sogar von 500 bis 2000 mg/l in der Serumelektrophorese gegenüber [10] (Abb. 2).

Abb. 2. Sensitivität verschiedener Testverfahren zur Quantifizierung freier Leichtketten im Serum [nach 20]

SPE: Serumeiweißelektrophorese; IFE: Immunfixationselektrophorese; Total κ und λ: Gesamtkonzentration der Kappa- und Lambda-Leichtketten (nephelometrisch gemessen; Assay nicht latexverstärkt); FLC: nephelometrische Bestimmung der Konzentration freier Leichtketten mittels latexverstärktem Immunoassay (FLC-Test); UPE: Urin-Eiweißelektrophorese; die Fehlerbalken geben die laborspezifischen Referenzbereiche der verschiedenen Testverfahren an

Messung der freien Leichtketten im Serum bei unterschiedlichen Myelomtypen

Nachdem die hohe Sensitivität des Immunoassays für freie Leichtketten im Serum nachgewiesen war, zeigte eine Untersuchung von 224 Patienten mit Bence-Jones-Myelom (Leichtkettenmyelom) die Einsatzmöglichkeiten dieses neuen Serumtests: Alle 224 Patienten wurden anhand der Serum-FLC-Analyse korrekt identifiziert, ohne dass die Ergebnisse der Immunfixationselektrophorese des Urins hier eine Überlegenheit gezeigt hätten [11]. Interessant war in diesem Zusammenhang, dass im Therapieverlauf 32% von 82 in dieser Studie während ihrer Behandlung seriell beobachteten Patienten normale Leichtkettenkonzentrationen im Urin erreicht hatten und ihr Ansprechen dementsprechend als komplette Remission (CR) klassifiziert worden war. Dagegen zeigte sich nur bei 11% dieser Probanden auch eine Normalisierung der Serum-FLC-Konzentration, was der Rate kompletter Remissionen von 9,8% bei Patienten mit einem intaktes Immunglobulin sezernierenden Myelom entspricht.

Eine deutsche Arbeitsgruppe untersuchte seriell Serum- und Urinproben-Paare von 82 Patienten mit unterschiedlichen Myelomtypen (Myelom mit intaktem Immunglobulin, Leichtkettenmyelom, asekretorisches Myelom) [12]. In 42% der Proben mit unauffälligem Befund in der Immunfixationselektrophorese (Bence-Jones-Protein negativ) zeigten sich im Serum-FLC-Test pathologische Kappa/Lambda-Quotienten (>1,65 bzw. <0,26). Dagegen fanden sich nur in 5% (neun Probenpaare) der im Urintest positiven Proben gerade noch normale Serum-FLC-Ergebnisse. Diese Ergebnisse könnten durch einen zu breiten Referenzbereich insbesondere für Kappa-Leichtketten im Urin und eine große renale Clearance von Kappa-Ketten mit rascher Ausscheidung in den Urin zu erklären sein.

Ein weiterer Aspekt dieser Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen der Serum-FLC-Konzentrationen und einem positiven Befund in der Urin-Immunfixation. Es zeigte sich, dass die Urinuntersuchung eine vorhandene Bence-Jones-Proteinurie erst bei einer ungefähr 6-fach erhöhten Serum-FLC-Konzentration für Kappa- und sogar einer 11-fach erhöhten Konzentration für Lambda-Ketten anzuzeigen vermag. Dass monoklonale Proteine mit der Serum-FLC-Untersuchung gut über ein weites Konzentrationsspektrum quantifizierbar sind, ist ein großer Vorteil gegenüber dem Urintest.

In einer weiteren Studie, die Myelom-Patienten mit Sekretion intakter Immunglobuline betraf, wurde nachgewiesen, dass bei 89% der Patienten ebenfalls im Serum-FLC-Test pathologische Werte vorhanden waren [13]. Die Zahl der auffälligen Proben lag sogar bei 96%, wenn man den Kappa/Lambda-Quotienten betrachtete. Interessanterweise war die prozentuale Abweichung des Kappa/Lambda-Quotienten vom Normwert im FLC-Test bei Patienten mit IgD-Myelom am höchsten und lag im Bereich der Werte von Patienten mit Leichtkettenmyelom. Wiederholte, serielle Messungen bei 17 Patienten aus dieser Studie zeigten einen signifikant rascheren Abfall der Serum-FLC-Konzentrationen im Vergleich zu den betroffenen (intakten) Immunglobulinen. Dies war Ausdruck der signifikant kürzeren Serumhalbwertszeit der FLC (2 bis 6 Stunden im Vergleich zu 20 bis 25 Tagen für intaktes IgG, sechs Tagen für IgA, drei Tagen für IgD und zwei Tagen für IgE). Die Bestimmung der Konzentration der freien Leichtketten im Serum kann deshalb eine Verlaufskontrolle des Therapieansprechens nahezu in „Echtzeit“ ermöglichen.

Bedeutung der FLC-Bestimmung für Myelom-Erstdiagnose und Prognose

Die Gruppe um Bart Barlogie von der University of Arkansas berichtete über den Einsatz des Serum-FLC-Tests zur Erfassung der Ansprechkinetik von Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom: Bei 303 Patienten wurde seriell getestet, wie rasch anfänglich erhöhte FLC-Konzentrationen während der Therapie im Rahmen der „TotalTherapy3“-Studie abfielen [14]. Serum-FLC-Konzentrationen von mehr als 75 mg/dl zum Zeitpunkt der Primärdiagnose waren mit Bence-Jones-Myelom, Niereninsuffizienz, Erhöhung des LDH-Werts, erhöhtem Plasmazellgehalt im Knochenmark und erhöhter Beta2-Mikroglobulin-Konzentration im Serum assoziiert. Überraschenderweise zeigten Patienten mit rascher FLC-Reduktion vor dem zweiten Induktionszyklus trotz vergleichsweise höherer Remissionsqualität ein schlechteres ereignisfreies (HR 2,56; p=0,003) und Gesamtüberleben (HR 2,97; p=0,003). Die Autoren begründeten diese Beobachtung damit, dass es sich um Fälle mit einerseits rascher initialer Tumorreduktion, aber eben auch aggressiver Proliferation zwischen den Therapiezyklen handelte.

Eine ähnliche Schlussfolgerung zog eine griechische Arbeitsgruppe aus ihrer Untersuchung von 94 Patienten, von denen 13 ein Leichtkettenmyelom hatten: Patienten, bei denen der Serum-FLC-Quotient (Kappa/Lambda-Quotient) über dem Durchschnitt aller Probanden („hohe“ FLC-Ratio) lag, hatten mit 30% ein signifikant schlechteres 5-Jahresüberleben als diejenigen mit einem unter dem Durchschnitt liegenden Quotienten (83%; p<0,001). Bei Berücksichtigung der initialen Serum-FLC-Ratio und des ISS(International Staging System)-Stadiums (Tab. 1) verloren weitere prognostische Faktoren bis auf die Serum-LDH ihre Wertigkeit [15].

Tab. 1. Stadieneinteilung des multiplen Myeloms (International Staging System, ISS)

Stadium

Kriterien

Definition

Medianes Überleben [Monate]

I

Niedrige β2-Mikroglobulin-Konzen-
tration im Serum

β2-Mikroglobulin<3,5 mg/l und

Serum-Albumin≥3,5 g/dl

62

II

Weder Stadium I
noch Stadium III

β2-Mikroglobulin<3,5 mg/l und Serum-Albumin<3,5 g/dl

oder

β2-Mikroglobulin: 3,5 bis <5,5 mg/l (unabhängig von der Albumin-Konzentration)

44

III

Hohe β2-Mikroglobulin-Konzentration
im Serum

β2-Mikroglobulin ≥ 5,5 mg/l

29

Autoren der Mayo-Klinik aus Rochester, Minnesota/USA, untersuchten eine große Patientenkohorte mit neu diagnostiziertem Myelom ebenfalls auf die prognostische Wertigkeit des Serum-FLC-Tests bei Diagnosestellung. In dieser Gruppe hatten 22% der Patienten ein Leichtkettenmyelom und 1,4% ein asekretorisches Myelom, das heißt ein nur im FLC-Assay zu messendes Paraprotein [16]. Um herauszufinden, welche Grenzwerte des Kappa/Lambda-Quotienten eine Abschätzung der Prognose erlauben, wurde der Bereich zwischen zwei möglichen Grenzwerten schrittweise erweitert, was mit einer Verbesserung der prognostischen Aussagekraft einherging. Die Grenzwerte wurden schließlich bei 0,03 und 32 festgelegt, wodurch die Gesamtpopulation in zwei zahlenmäßig etwa gleich große Gruppen aufgeteilt wurde. Das mediane Gesamtüberleben der 479 Patienten deren Kappa/Lambda-Quotient <0,03 oder >32 war, lag mit 30 Monaten signifikant unter dem der 311 Patienten mit einem FLC-Quotienten zwischen 0,03 und 32 (39 Monate, p<0,001; Abb. 3). Snozek et al. schlugen daraufhin die Integration pathologischer FLC-Quotienten in das Risikomodell des ISS vor. Zum modifizierten ISS gehören demnach ein pathologischer Serum-FLC-Test sowie eine erniedrigte Albumin- und eine erhöhte Beta2-Mikroglobulin-Konzentration im Serum. Bei Vorhandensein von einem oder mehreren der Kriterien lassen sich vier Risikogruppen bilden, deren Überlebenskurven separiert voneinander verlaufen (Abb. 4).

Abb 3. Medianes Gesamtüberleben in Abhängigkeit vom Kappa/Lambda-Quotienten (freie Leichtketten im Serum) (Kaplan-Meier-Analyse; nach [16]) Das mediane Gesamtüberleben der Patienten, deren Kappa/Lambda-Quotient <0,03 oder >32 war, lag mit 30 Monaten signifikant unter dem der Patienten mit einem FLC-Quotienten zwischen 0,03 und 32 (39 Monate, p<0,001).

Abb. 4. Modell zur Risikostratifizierung (nach [16])

Risikofaktoren waren pathologischer Serum-FLC-Quotient (<0,03 oder >32), β2-Mikroglobulin-Konzentration im Serum ≥3,5 mg/l und Albumin-Konzentration im Serum <3,5 g/dl. Das mediane Gesamtüberleben unterschied sich signifikant in Abhängigkeit von der Anzahl der Risikofaktoren und betrug bei Patienten mit 0, 1, 2 oder 3 Risikofaktoren 51, 39, 30 oder 22 Monate.

FLC-Assay bei Rezidiv und Transformation

Vermutlich mitbedingt durch die Expansion der therapeutischen Möglichkeiten (autologe und allogene Transplantation, Thalidomid, Lenalidomid, Bortezomib) und die Begünstigung einer klonalen Selektion, häufen sich Berichte über ungewöhnliche klinische Bilder zum Rezidivzeitpunkt. Eine Gruppe aus Freiburg berichtete kürzlich über zehn Patienten mit einem sogenannten „Light chain escape“-Phänomen [17]. Die Autoren subsumierten unter diesem Phänomen Fälle mit anfänglicher Sekretion intakter Immunglobuline, die zum Zeitpunkt des manifesten Rezidivs aber nicht mehr signifikant anstiegen und dementsprechend nicht zur Rezidivdiagnose geeignet waren. Stattdessen fand sich bei all diesen Patienten eine erhebliche pathologische Erhöhung einer der beiden freien Leichtketten im Serum, die fortan auch zur Quantifizierung des Ansprechens auf die Therapie eingesetzt werden konnten. Die Autoren schlagen eine Aufnahme der regelmäßigen FLC-Analyse bei Patienten mit langjährig bekanntem und scheinbar indolent verlaufendem Myelom insbesondere dann vor, wenn sie „intensiv“ behandelt wurden.

In dieser Serie zeigte sich interessanterweise nur bei einem der zehn Patienten ein extramedullärer Befall durch das Myelom und eine Stabilisierung oder messbare Verbesserung der Erkrankung in neun der Fälle. Im Gegensatz hierzu steht eine Publikation zu drei Patienten, die ebenfalls eine Transformation des Myeloms mit initialer Sekretion intakter Immunglobuline in ein extramedulläres Krankheitsbild mit ausschließlicher Sekretion freier Leichtketten erfuhren [18]. Bei diesen Patienten zeigte sich nur eine marginale Beeinflussbarkeit der Erkrankung durch Rezidivtherapien mit geringen Überlebenszeiten zwischen fünf und zehn Monaten nach Diagnose des extramedullären Rückfalls.

Fazit für die Praxis

Die hohe Sensitivität des Serum-FLC-Assays spiegelt sich mittlerweile auch in den Empfehlungen von Expertengremien und Fachgesellschaften wider. Beispielsweise spielt der FLC-Assay bei der Beurteilung des Therapieansprechens des multiplen Myeloms eine Rolle [7]:

Konzentration der FLC im Serum als Ersatz einer in der Immunfixationselektrophorese messbaren Erkrankungsaktivität: klonale („involved“) FLC-Konzentration ≥10 mg/dl bei pathologischem FLC-Quotienten; damit können auch Patienten mit Serum-M-Protein unter 1 g/dl und Urin-M-Protein unter 200 mg/24 Stunden in Studien eingeschlossen werden

Es wurde der Begriff der stringenten kompletten Remission (sCR) eingeführt. Dabei muss über die Kriterien der kompletten Remission (CR: kein immunfixationselektrophoretischer Nachweis monoklonaler Proteine in Serum und Urin, <100 mg Bence-Jones-Proteinurie/24 h; ≤5% Plasmazellen im Knochenmark und Verschwinden von Weichteilplasmozytomen) hinaus der FLC-Quotient im Normbereich liegen und es dürfen keine klonalen Plasmazellen mittels Immunhistochemie oder -zytologie nachweisbar sein.

Des Weiteren ist der Einsatz des FLC-Assays beim multiplen Myelom und verwandten Plasmazelldyskrasien seit 2008 in den Leitlinien der „International Myeloma Working Group“ verankert [19]:

Bei der Suche nach einer zugrunde liegenden Plasmazelldyskrasie beziehungsweise bei der differenzialdiagnostischen Abklärung erreicht die Kombination aus Serumelektrophorese, Immunfixation des Serums und Serum-FLC-Test eine so hohe Sensitivität, dass keine 24-Stunden-Urinsammlung durchgeführt werden muss. Aber: Nach Diagnosestellung muss bei allen Patienten ein 24-Stunden-Sammelurin analysiert werden. Vor allem bei der primär-systemischen (AL-)Amyloidose wird eine 24-Stunden-Sammelurinprobe benötigt, da hierbei häufig ein nephrotisches Syndrom auftritt.

  • Der FLC-Assay besitzt bei allen Plasmazelldyskrasien (Myelom und Vorstufen sowie AL-Amyloidose) eine prognostische Bedeutung. Allerdings gibt es bislang keine daran angepassten therapeutischen Konsequenzen.
  • Der FLC-Assay kann bei Patienten mit geringer M-Protein-Konzentration in Serum und Urin als Verlaufsparameter herangezogen werden. Dies gilt insbesondere für zwei Drittel der Patienten mit asekretorischem Myelom.
  • Der FLC-Assay ersetzt bei Myelom-Patienten, bei denen M-Protein im Urin messbar ist, nicht die Bestimmung der Paraproteinausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin.

Bei Patienten mit Sekretion eines intakten Immunglobulins oder von Leichtketten in den Urin besitzt der FLC-Assay seinen Stellenwert aktuell nur im Rahmen der Primärdiagnose und der Überprüfung der CR hinsichtlich stringenter CR.

Unabhängig von diesen publizierten Leitlinien sollte an die serielle Serum-FLC-Bestimmung bei intensiv vorbehandelten Patienten gedacht werden, beispielsweise nach allogener Stammzelltransplantation, bei Einsatz von zwei oder mehr der neuen Substanzen und bei Patienten mit ungewöhnlicher (extramedullärer) Manifestation der Plasmazelldyskrasie bereits bei Primärdiagnose oder bei einem vorangegangenen Rezidiv. Die Erfahrung unserer Klinik weist darauf hin, dass die Bestimmung der Serum-FLC und der Serum-LDH bei nahezu allen Patienten mit extramedullärem Progress oder Rezidiv einen Verlaufsparameter darstellen kann.

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Dr. Stefan Knop, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Würzburg, Zentrum für Innere Medizin, Oberdürrbacher Straße 6, 97080 Würzburg, E-Mail: Knop_S@medizin.uni-wuerzburg.de


Serum free light chain measurement in patients with plasma cell dyscrasias – considerations on the differentiated use of the FLC assay

The free light chain (FLC) assay does quantify concentrations of free kappa and lambda immunoglobulin light chains in serum. The potential use of this diagnostic test for patients diagnosed with plasma cell dyscrasias includes, amongst others, primary diagnosis, prognosis, detection of relapse and monitoring of disease activity in different types of myeloma. The diagnostic value and differentiated use of the FLC assay are discussed in context of published recommendations and guidelines.

Keywords: Immunoglobulin, free light chains, plasma cell dyscrasia, multiple myeloma

Arzneimitteltherapie 2009; 27(10)