Dr. Petra Jungmayr, Esslingen
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) sind die häufigsten mesenchymalen malignen Krebserkrankungen des Gastrointestinaltrakts. Sie treten bevorzugt im Magen und Dünndarm auf und gehören in der europäischen Bevölkerung mit einer geschätzten Prävalenz von 15 bis 20 Fällen pro 1 Million Einwohner zu den seltenen Tumoren.
In Deutschland werden jährlich etwa 1500 bis 2000 Neuerkrankungen erfasst. Symptome sind abdominelle Schmerzen, Erbrechen, Blutungen im Magen-Darm-Trakt mit Bluterbrechen und blutigem Stuhl, Zunahme des Bauchumfangs, Abgeschlagenheit, Fieber, Anämie, Übelkeit, Obstipation und Schluckstörungen.
GIST sprechen kaum auf eine konventionelle zytostatische Chemotherapie an, so dass eine Resektion des Tumors die einzige kurative Maßnahme ist. Allerdings ist auch nach der chirurgischen Intervention die Gefahr eines erneuten Auftretens der Erkrankung groß, zumal bei der Diagnosestellung bereits bei einem Drittel der Patienten Metastasen aufgetreten sind. Die früher sehr schlechte Prognose mit einer medianen Gesamtüberlebensdauer von 53 Wochen im metastasierten Stadium hat sich seit der Einführung zielgerichteter Substanzen deutlich verbessert.
Zielgerichtete Therapie
Gastrointesinale Tumoren exprimieren die Tyrosinkinase c-Kit. Aktivierende Mutationen des c-Kit-Gens, teilweise auch des PDGFRA(Platelet derived growth factor receptor A)-Gens, bewirken eine konstitutive, von Wachstumsfaktoren unabhängige Aktivierung der Tyrosinkinase, die für die Tumorgenese und das Tumorwachstum verantwortlich ist. Am häufigsten sind c-Kit-Mutationen des Exons 11 (60% der Patienten), gefolgt von Mutationen des Exons 9 (10%). Die Bestimmung des Mutationsstatus ist obligat, da der Tumorgenotyp prognostisch bedeutsam ist und der Tumor je nach Mutation unterschiedlich auf die Therapie anspricht.
Die Überexpression der Tyrosinkinase c-Kit und des PDGF-Rezeptors sind die Angriffspunkte für zielgerichtete Therapeutika. Mit der Einführung des Tyrosinkinase-Inhibitors Imatinib konnten erstmals auch im metastasierten Stadium beeindruckende Therapieerfolge verzeichnet werden. So führte eine Therapie mit Imatinib in einer Dosierung von 400 mg pro Tag bei primär unbehandelten Patienten zu einer deutlichen Verlängerung der Überlebensdauer. Allerdings sind 10 bis 15 % der Patienten primär gegen Imatinib resistent und etwa 50 % entwickeln innerhalb von zwei Jahren aufgrund selektiver Mutationen eine Imatinib-Resistenz.
Sunitinib als Alternative bei Tumorprogress
Bei Vorliegen einer Exon-9-Mutation wird nach den Leitlinien der European Society of Medical Oncology (ESMO) a priori eine Verdoppelung der Imatinib-Dosis auf 800 mg/Tag empfohlen. Besteht hingegen eine Exon-11-Mutation, schlägt sich bei Imatinib-Versagen die Dosiserhöhung nicht in einem Nutzen nieder. Eine Alternative ist ein Wechsel auf den Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib. Dieser blockiert zusätzlich zu c-Kit und PDGFRA weitere Tyrosinkinasen, neben RET (Rearranged during transfection receptor) und FLT3 (FSM-like tyrosine kinase 3) insbesondere die VEGF (Vascular endothelial growth factor)-Rezeptoren 1 bis 3. Im Unterschied zu Imatinib hemmt Sunitinib zusätzlich die Tumor-Angiogenese.
Sunitinib wurde zur Second-Line-Therapie gastrointestinaler Stromatumoren aufgrund einer Phase-III-Studie mit 312 Patienten zugelassen, in der Sunitinib das Gesamtüberleben nach Imatinib-Versagen im Vergleich mit Plazebo mehr als verdoppelte (73,9 vs. 35,7 Wochen nach Korrektur bezüglich Cross-over von Plazebo auf Sunitinib). Dieses Ergebnis wurde durch die Treatment-Use-Studie mit 1 117 vorbehandelten Patienten bestätigt, in der die Patienten unter Sunitinib median 41 Wochen progressionsfrei blieben und ein Gesamtüberleben von 75 Wochen erreichten. Bei Patienten mit einem gutem Allgemeinzustand (Performance Status 0 oder 1) verlängerte sich das Gesamtüberleben auf median 88 Wochen.
Diese Ergebnisse werfen die Frage auf, ob Sunitinib auch in der First-Line-Gabe dem derzeitigen Standardtherapeutikum Imatinib überlegen ist. Ferner ist zu klären, ob eine kontinuierliche GIST-Therapie mit 37,5 mg Sunitinib täglich wirksamer sein könnte als die zugelassene Standarddosierung mit 50 mg im On-Off-Schema (vier Wochen Therapie, zwei Wochen Pause).
Quellen
Blay J. The treatment of GIST tumors in 2009. Vortrag gehalten beim World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGIC), Barcelona, 25. Juni 2009.
Dr. Marcus Schlemmer, München. Pressegespräch „Aktuelles Therapiemanagement bei GIST – Ein Update vom ASCO und WCGIC 2009“, veranstaltet von Pfizer Oncology, Barcelona, 26. Juni 2009.
Blay J, et al. Advanced gastrointestinal stromal tumor in Europe: a review of updated treatment recommendations. Expert Rev Anticancer Ther 2009;9:831–8.
Therapeutische Optionen beim GIST
Primäre Therapie: chirurgische Entfernung des Tumors
Bei Risikopatienten nach einer Resektion des Tumors eine zwölfmonatige adjuvante Therapie mit Imatinib (einmal täglich 400 mg)
Ist keine chirurgische Tumorentfernung möglich: Imatinib (400 mg/Tag)
Bei Progress oder Exon-9-Mutation: Dosiserhöhung auf 800 mg Imatinib (2-mal 400 mg/Tag)
Bei Vorliegen einer Exon-11-Mutation: Nach Versagen von 400 mg Imatinib, Wechsel auf Sunitinib 50 mg/Tag (vier Wochen Therapie, zwei Wochen Pause)
Third-Line-Therapien: Nilotinib, Sorafenib, Masitinib, Kombinationen zielgerichteter Substanzen (off label)
Arzneimitteltherapie 2009; 27(10)