Tocilizumab bei rheumatoider Arthritis


Interleukin-6 als neues Target

Andrea Rubbert-Roth, Köln, und Susanne Heinzl, Reutlingen

Mit dem Interleukin-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab (RoACTEMRA®) steht seit Anfang 2009 ein neues Therapieprinzip für die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis zur Verfügung. Ähnlich wie Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha-Hemmer greift Tocilizumab in grundlegende Vorgänge bei den entzündlichen Reaktionen der Erkrankung ein. In einem groß angelegten Studienprogramm aus fünf Phase-III-Studien konnte eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit gezeigt werden, die nach bislang vorliegenden Daten über bis zu 2,5 Jahre anhält.
Arzneimitteltherapie 2009;27:299–306.

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch verlaufende progressive systemische Autoimmunerkrankung, deren Ursache noch nicht geklärt ist. Etwa 1% der erwachsenen Bevölkerung ist betroffen [1]. Es können zwar Menschen jeden Alters erkranken, meist beginnt die RA jedoch im Alter zwischen 40 und 70 Jahren. Etwa 2,5-mal mehr Frauen als Männer sind betroffen [1]. Die RA beginnt oft plötzlich und verläuft meist in Schüben. Zu Beginn sind kleine Finger- und Zehengelenke betroffen, die schmerzen und anschwellen. Im Verlauf der Erkrankung schreitet die Zerstörung von Gelenken mit Verlust von Knorpel- und Knochensubstanz mehr oder weniger rasch fort. Es kommt zum Verlust der körperlichen Funktionsfähigkeit und der Lebensqualität. Bei 90% der Patienten entwickelt sich innerhalb der ersten zwei Jahre ein röntgenologisch nachweisbarer Schaden. Bis zu 85% der Patienten sind bei nicht adäquater Therapie nach zehnjährigem Krankheitsverlauf berentet.

Darüber hinaus klagen die Patienten über Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und Leistungsschwäche, die mit einer mit der Erkrankung einhergehenden Anämie, aber auch mit der systemischen Entzündung, zusammenhängen können. Appetitlosigkeit, Fieber und Nachtschweiß sind weitere Symptome [1]. Die RA geht mit einer erhöhten Sterblichkeit einher, sie kann die Lebenserwartung um 3 bis 18 Jahre verringern [2].

Therapieziel bei der RA ist nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie eine dauerhafte Remission der Erkrankung. Sie ist definiert als ein Disease Activity Score 28 (DAS 28) <2,6 [3].

Therapeutische Möglichkeiten

Zur Therapie stehen derzeit nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Glucocorticoide, Disease Modifying Antirheumatic Drugs (DMARD) wie Goldsalze oder Chloroquin sowie Immunsuppressiva wie Methotrexat und Leflunomid zur Verfügung. Bei den Biologika gibt es eine gegen Zytokine wie TNFα (Etanercept, Adalimumab, Infliximab) oder Interleukine gerichtete Therapie sowie mit Rituximab und Abatacept zelluläre Therapieansätze, die eine Depletion von B-Zellen beziehungsweise eine Hemmung der T-Zellaktivierung bewirken.

Selbst mit modernen Therapieformen wie TNFa-Hemmern kann jedoch bei mehr als 50% der Patienten keine 50%ige Besserung erzielt werden [4, 5]. Es besteht also nach wie vor ein Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten, um dem Ziel, der dauerhaften Remission, näher zu kommen.

Das Zytokin Interleukin-6 – ein neues Target

Zytokine sind Peptide, die Überleben, Wachstum, Differenzierung und Effektorfunktionen von Zellen regulieren und bei der Immunantwort eine Schlüsselrolle spielen [6]. Zu den Zytokinen gehören beispielsweise Interleukine, Interferone, Kolonie-stimulierende Faktoren und Chemokine. Sie vermitteln über Bindung an spezifische Rezeptoren Zell-Zell-Interaktionen.

Interleukin-6 (IL-6), ein 26-kD-Glykopeptid, ist ein Zytokin aus der Gruppe der Interleukine, das 1986 identifiziert und beschrieben wurde. Es hat eine Reihe alternativer Namen, wie Interferon-beta2, B-Zell-stimulierender Faktor oder B-Zell-Differenzierungsfaktor, was auf seine vielfältigen Funktionen hindeutet [7].

IL-6 wird sowohl von lymphoiden Zellen (B- und T-Zellen) als auch von nicht-lymphoiden Zellen wie Makrophagen, Fibroblasten oder Endothelzellen gebildet [7, 8]. Seine physiologische Konzentration im Serum beträgt 1 pg/ml, bei metabolischem Syndrom sind die Spiegel auf 10 pg/ml und bei Sepsis auf 1000 pg/ml erhöht. Seine Halbwertszeit ist kurz, es wirkt nur wenige Minuten. Wie bei vielen Zytokinen üblich, unterliegt seine Freisetzung einem ausgeprägtem zirkadianen Rhythmus mit einem höheren Gipfel am Morgen und einem niedrigeren Gipfel am Abend.

IL-6 vermittelt seine Wirkungen über membrangebundene IL-6-Rezeptoren (mIL-6-R) und über lösliche IL-6-Rezeptoren (sIL-6-R). Mit Hilfe löslicher IL-6-Rezeptoren kann IL-6 auch Zellen aktivieren, die auf ihrer Oberfläche keine membrangebundenen Rezeptoren tragen. Durch die Rezeptoraktivierung werden in den Zellen verschiedene Signalkaskaden ausgelöst [6]. Im Gegensatz zu TNFa, bei dem die alleinige Bindung an den Rezeptor für die Auslösung einer Signalkaskade genügt, reicht dies für eine Signalübertragung durch IL-6 nicht aus. Der Komplex aus IL-6 und IL-6-Rezeptor muss zunächst an ein weiteres Zelloberflächenprotein, nämlich gp130, binden, um die Signalkaskade in der Zelle auszulösen [9].

Inzwischen liegen zahlreiche experimentelle, patho–physiologische und klinische Befunde vor, die eine wichtige Funktion von IL-6 in der Pathogenese rheumatischer Erkrankungen belegen. Experimentell konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass bei rheumatoider Arthritis die Konzentration von IL-6 in der Synovia und in der peripheren Zirkulation erhöht ist. Es besteht eine gute Korrelation zwischen IL-6-Konzentrationen in der Synovia und im Serum und Entzündungsparametern wie dem CRP-Wert und dem Rheuma-Faktor. Die IL-6-Spiegel korrelieren zudem mit der Anzahl der entzündeten Gelenke und mit der Morgensteifigkeit [10, 11].

IL-6 ist an der lokalen Gelenkzerstörung beteiligt, indem es die Produktion von Vascular endothelial growth factor (VEGF) durch Synoviozyten induziert. Dies kann zur Bildung von vaskularisiertem Granulationsgewebe beitragen, was mit einer Schädigung der Gelenkoberfläche einhergeht. Dieser Vorgang ist als Pannusbildung bekannt [12].

IL-6 aktiviert Osteoklasten und ist dadurch an der Knochenresorption beteiligt. Überhöhte IL-6-Spiegel tragen neben der Knochenresorption auch zur Entwicklung einer systemischen Osteoporose, einer bekannten Spätkomplikation der RA, bei [13].

IL-6 ist der Hauptstimulator der Akute-Phase-Proteine in der Leber, die die Akute-Phase-Reaktion bei Entzündung reguliert. IL-6 ist damit auch der Hauptstimulator des C-reaktiven Proteins (CRP). CRP wurde außerdem als Indikator für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko identifiziert [14, 15].

IL-6 spielt bei der Anämie bei entzündlichen Erkrankungen eine zentrale Rolle, es regt die Hepatozyten zur Sekretion von Hepcidin an. Hepcidin hemmt die Freisetzung von Eisen aus Makrophagen (retikuloendothelialer Block) und die Resorption von Eisen aus der Nahrung (Eisenmangel). Dies begünstigt die Entwicklung einer Anämie und erklärt die bei vielen Patienten auftretende Müdigkeit sowie das Gefühl der Erschöpfung und Leistungseinschränkung [16].

IL-6 stimuliert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) und trägt so ebenfalls zu Fatigue und veränderter Stimmungslage bei.

Pharmakologie von Tocilizumab

Pharmakodynamik

Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen IL-6-Rezeptoren. Es bindet spezifisch sowohl an lösliche als auch an membrangebundene IL-6-Rezeptoren (sIL-6R und mIL-6R) und hemmt die durch sIL-6R und mIL-6R nach Bindung an IL-6 vermittelte Signaltransduktion [17, 18].

Pharmakokinetik

Die Pharmakokinetik von Tocilizumab wurde basierend auf den Daten von 1793 Patienten mit RA, die während 24 Wochen alle 4 Wochen mit einer einstündigen Infusion von 4 und 8 mg/kg Tocilizumab behandelt wurden, untersucht. Für eine Dosierung von 8 mg/kg Tocilizumab, verabreicht alle 4 Wochen, wurden folgende Parameter (vorausberechneter Mittelwert±Standardabweichung) geschätzt [17]:

  • Steady-State Area under the Curve (AUC) = 35000±15500 h×µg/ml
  • Minimale Serumkonzentration (Cmin) = 9,74±10,5 µg/ml
  • Maximale Serumkonzentration (Cmax) = 183±85,6 µg/ml


Bei Patienten mit RA lag das zentrale Verteilungsvolumen bei 3,5 l, das periphere Verteilungsvolumen bei 2,9 l, woraus ein Verteilungsvolumen von 6,4 l im Steady-State resultiert [17].

Nach intravenöser Verabreichung wird Tocilizumab biphasisch aus dem Kreislauf eliminiert. Die Gesamt-Clearance von Tocilizumab war abhängig von der Konzentration und entspricht der Summe der linearen und der nichtlinearen Clearance. Die lineare Clearance wurde als Parameter in der Analyse zur Populationspharmakokinetik geschätzt und lag bei 12,5 ml/h. Die konzentrationsabhängige nichtlineare Clearance spielt nur bei niedrigen Konzentrationen von Tocilizumab eine wichtige Rolle. Wenn der nichtlineare Stoffwechselweg gesättigt ist, wird die Clearance bei höheren Konzentrationen von Tocilizumab hauptsächlich von der linearen Clearance bestimmt.

Die Halbwertszeit von Tocilizumab war konzentrationsabhängig. Im Steady-State reduzierte sich die tatsächliche Halbwertszeit nach Gabe einer Dosis von 8 mg/kg alle 4 Wochen mit abnehmender Konzentration innerhalb eines Dosierungsintervalls von 14 auf 8 Tage.

Die pharmakokinetischen Parameter von Tocilizumab veränderten sich im Zeitverlauf nicht. Bei einer Dosis von 4 bzw. 8 mg/kg alle 4 Wochen wurde ein mehr als dosisproportionaler Anstieg der AUC und der minimalen Serumkonzentration beobachtet. Im Steady-State lagen die prognostizierten AUC-Werte und die minimale Serumkonzentration bei Gabe von 8 mg/kg um das 2,7- bzw. 6,5-Fache höher als bei Gabe von 4 mg/kg Tocilizumab. Die maximale Serumkonzentration erhöhte sich dosisproportional.

Zur Ausscheidung von Tocilizumab bei Patienten mit Nieren- und Leberfunktionsstörungen wurden keine Studien durchgeführt. Alter, Geschlecht und ethnische Abstammung beeinflussen die Pharmakokinetik von Tocilizumab nicht.

Wirksamkeit

Die klinische Wirksamkeit von Tocilizumab bei der Behandlung von Patienten mit RA wurde in fünf randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Studien untersucht. In diesen Phase-III-Studien wurden Patienten mit einem Mindestalter von 18 Jahren mit aktiver RA eingeschlossen, die auf der Basis der Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) diagnostiziert wurden. Vier der fünf Studien dauerten 24 Wochen, die LITHE-Studie 2 Jahre (Tab. 1). Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte anhand verschiedener Kriterien (siehe Kasten und Tab. 1).

Tab. 1. Klinische Phase-III-Studien mit Tocilizumab (MTX = Methotrexat, DMARD = krankheitsmodifizierende Antirheumatika)

AMBITION [19]

LITHE [20]

OPTION [21]

TOWARD [22]

RADIATE [23]

Patienten (n)

Monotherapie*

(n=673)

Unzureichendes
Ansprechen auf MTX

(n=1196)

Unzureichendes
Ansprechen auf MTX

(n=622)

Unzureichendes
Ansprechen auf DMARD

(n=1216)

Unzureichendes Ansprechen auf TNFα-Antagonisten (n=499)

Studienarme

Tocilizumab 8 mg
Monotherapie

vs

MTX-Monotherapie

Tocilizumab 8 mg + MTX

vs

Tocilizumab 4 mg + MTX

vs

Plazebo + MTX

Tocilizumab 8 mg + MTX

vs

Tocilizumab 4 mg + MTX

vs

Plazebo + MTX

Tocilizumab 8 mg + DMARD

vs

Plazebo + DMARD

Tocilizumab 8 mg + MTX

vs

Tocilizumab 4 mg + MTX

vs

Plazebo + MTX

Primäre(r) Endpunkt(e) nach 24 Wochen

ACR20

ACR20

Radiologisches
Ansprechen**
physische Funktion**

ACR20

ACR20

ACR20

Ausgewählte sekundäre Endpunkte nach 24 Wochen

ACR50, ACR70, Zeit bis zum Ansprechen nach ACR-Kriterien,
Health Assessment Questionnaire (HAQ),

DAS28: Änderungen im Vergleich zum Ausgangswert, Patienten in Remission nach DAS,

CRP- und Hb-Werte: Änderungen im Vergleich zum Ausgangswert,

Lebensqualität (FACIT-F, SF-36)

*Patienten in dieser Studie hatten eine vorherige RA-Therapie mit MTX nicht wegen unzureichenden Ansprechens oder Unverträglichkeit abgebrochen; **Ausgewertet in Woche 52; ACR: American College of Rheumatology, DAS: Disease Activity Score (siehe Kasten)

Bewertung des Therapieansprechens:

Die ACR(American College of Rheumatology)-Kriterien sind validierte Messgrößen, die die proportionalen Veränderungen des Krankheitsstatus widerspiegeln. ACR 20, 50 oder 70 bedeutet eine Verbesserung um 20, 50 oder 70% in mindestens 5 von 7 Kriterien (darunter immer in den Kriterien Gelenkbeschwerden und -schwellung). Weitere Kriterien: Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, Patientenselbst- und Arzteinschätzung, Schmerz (nach visueller Analogskala) und Funktionseinschränkung nach dem HAQ-Fragebogen.

DAS28 (Disease activity score 28): Score zur Beurteilung der Krankheitsaktivität. In die Berechnung gehen die Anzahl der druckschmerzempfindlichen und geschwollenen Gelenke (28 Referenzgelenke), die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und die Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Patienten (visuelle Analogskala) ein. Eine Remission ist definiert als ein DAS28 <2,6, als klinisch bedeutsame Besserung gilt ein um mindestens 1,2 gebesserter DAS28.

Health Assessment Questionnaire Disability Index (HAQ-DI): Index für die körperliche Funktionseinschränkung; mit einem Fragebogen wird auf 8 Subskalen die Beurteilung durch den Patienten abgefragt: Es werden jeweils Werte zwischen 0 = keine und 3 = umfassende Funktionseinschränkung erreicht. Als klinisch bedeutsame Besserung gilt eine Besserung um mindestens 0,22 Einheiten.

Genant-modified Sharp Score: Score zur Beurteilung der strukturellen Gelenkschädigung; 2 erfahrene Radiologen bewerten unabhängig voneinander Erosionen und Gelenkspaltveränderungen. Auf einer 8- bzw. 9-Punkteskala können jeweils Werte von 0 bis 3,5 bzw. 0 bis 4,0 erreicht werden (0 = normal bis 3,5 = stark ausgeprägte Erosion bzw. 0 = normal bis 4,0 = versteiftes Gelenk).

Die Patienten aus diesen fünf Studien konnten anschließend in ein Langzeit-Studienprogramm (GROWTH95 und GROWTH96) überwechseln, in dem Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tocilizumab über insgesamt fünf Jahre untersucht werden [24].

OPTION (Tocilizumab pivotal trial in methotrexate inadequate responders)

Die dreiarmige, randomisierte, Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie wurde zwischen Februar 2005 und November 2006 in 73 Zentren in 17 Ländern durchgeführt.

Die 623 Patienten mit mäßiger bis schwerer RA, die unzureichend auf Methotrexat angesprochen hatten, durften mit TNFα-Inhibitoren behandelt sein, jedoch wurden nur Patienten aufgenommen, die die TNFα-Hemmer-Therapie nicht wegen Ineffektivität abgebrochen hatten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei etwa 51 Jahren, sie waren im Mittel 7,5 Jahre an RA erkrankt. Der DAS28 bei Studienbeginn betrug 6,8, der HAQ-DI-Score 1,6.

Die ACR20-, ACR50- und ACR70-Ansprechraten nach 24 Wochen waren in der Tocilizumab-Gruppe signifikant besser als in der Plazebo-Gruppe (Tab. 2). Nach 24 Wochen erreichten 27,5% der Patienten in der Gruppe mit Tocilizumab 8 mg/kg eine DAS28-Remission (DAS28 <2,6), in der Gruppe mit 4 mg/kg Tocilizumab waren es 13,5%, in der Plazebo-Gruppe nur 0,8%. Die Unterschiede waren jeweils signifikant. Die Besserung der Krankheitsaktivität war schon nach zwei Wochen zu sehen. Die CRP-Werte hatten sich bereits nach zwei Wochen Behandlung mit Tocilizumab 8 mg/kg normalisiert und blieben bis zum Ende der Therapie im Normalbereich. Auch die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) normalisierte sich mit der höheren Dosis. Die mittleren Hämoglobin-Konzentrationen stiegen um 0,6 bis 0,7 g/dl nach vier Wochen in beiden Tocilizumab-Gruppen, nicht jedoch in der Plazebo-Gruppe. In beiden Tocilizumab-Gruppen besserte sich die Lebensqualität stärker als in der Plazebo-Gruppe, der Score sank in der 8 mg/kg-Gruppe um 0,52, in der 4 mg/kg-Gruppe um 0,55 und in der Plazebo-Gruppe um 0,34 (p<0,05 bzw. 0,01).

Tab. 2. Patienten mit ACR-Ansprechen [%] in fünf Phase-III-Studien mit Tocilizumab 8 mg/kg (***p<0,0001, **p<0,001 versus jeweiligem Vergleich – dies war bei AMBITION eine Methotrexat-Monotherapie, bei allen anderen Studien wurde der Vergleich gegenüber Plazebo untersucht)

Studie

ACR20

ACR50

ACR70

Tocilizumab

Vergleich

Tocilizumab

Vergleich

Tocilizumab

Vergleich

AMBITION [19]

69,9***

52,5 (MTX)

44,1**

33,5

(MTX)

28,0**

15,1 (MTX)

LITHE [20]

56***

27

32***

10

13***

2

OPTION [21]

58,5***

26,5

43,9***

10,8

22,0***

2,0

TOWARD [22]

60,8***

24,5

37,6***

9,0

20,5***

2,9

RADIATE [23]

50,0**

10,1

28,8**

3,8

12,4**

1,3

Unerwünschte Ereignisse waren in den Tocilizumab-Gruppen häufiger, wobei schwere unerwünschte Ereignisse in allen drei Gruppen mit jeweils 6% vergleichbar häufig waren. Schwere Infektionen traten bei 6 Patienten (3%) in der höher dosierten, bei 3 Patienten (1%) in der niedriger dosierten Tocilizumab-Gruppe und bei 2 Patienten (1%) in der Plazebo-Gruppe auf [24].

TOWARD (Tocilizumab in combination with traditional DMARD therapy)

In die TOWARD-Studie wurden Patienten mit mäßig schwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis, die nicht mehr ausreichend auf ein DMARD ansprachen, eingeschlossen. Alle Patienten wurden mit einem DMARD (z.B. Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin oder Azathioprin) behandelt, 805 erhielten randomisiert Tocilizumab, 415 Plazebo über 24 Wochen.

Die Patienten waren im Durchschnitt 53 Jahre alt und bei Aufnahme in die Studie 9,8 Jahre erkrankt. Sie wiesen zu Beginn eine hohe Krankheitsaktivität mit einem durchschnittlichen DAS28 von 6,7 auf. 76% wurden mit einem DMARD, 23% mit zwei oder mehr DMARD behandelt.

In der Tocilizumab-Gruppe erreichten signifikant mehr Patienten ein ACR-Ansprechen nach 24 Wochen (Tab. 2). Das Ansprechen war unabhängig von der Art und Menge der zuvor nicht ausreichend wirksamen DMARD.

In der Tocilizumab-Gruppe erreichten 30,2% der Patienten eine DAS28-Remission und damit signifikant mehr als in der Vergleichsgruppe mit 3,4%. Von den Patienten, die weniger als 2 Jahre erkrankt waren, erreichten sogar 38,3% mit Tocilizumab eine Remission, während es bei den länger erkrankten Patienten 27,5% waren.

Bei den Patienten der Tocilizumab-Gruppe kam es bereits innerhalb der ersten zwei Wochen zu einer Normalisierung des CRP-Werts. Der Hämoglobin-Spiegel normalisierte sich bei den Patienten der Tocilizumab-Gruppe (+0,98 g/dl) nach 24 Wochen signifikant häufiger als bei den Patienten der Kontrollgruppe (–0,13 g/dl) (p<0,0001).

Die mit dem Health Assessment Questionnaire erfasste Lebensqualität der Patienten besserte sich unter Tocilizumab signifikant stärker als unter Plazebo.

Schwere unerwünschte Ereignisse wurden bei den Patienten der Tocilizumab-Gruppe häufiger als bei den Patienten der Kontrollgruppe gesehen. Bei 4% der Tocilizumab-Patienten und bei 2% der DMARD-Patienten musste die Therapie wegen unerwünschter Ereignisse abgebrochen werden [22].

RADIATE (Research on Actemra determining efficacy after anti-TNF failures)

Eingeschlossen wurden 499 Patienten mit aktiver mäßiger bis schwerer RA, die unzureichend auf einen oder mehrere TNFα-Inhibitoren ansprachen oder diese nicht vertragen haben. Die Therapie mit dem TNFα-Inhibitor wurde vor der Randomisierung abgesetzt.

Die demographischen Parameter der drei Gruppen waren vergleichbar, das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 52 Jahren, sie waren im Mittel 11,5 Jahre an RA erkrankt. Der mittlere DAS28 lag zu Studienbeginn bei 6,8, der HAQ bei 1,7.

In der Tocilizumab-Gruppe erreichten signifikant mehr Patienten ein ACR-Ansprechen nach 24 Wochen (Tab. 2). Das Ansprechen war unabhängig von der Art und Menge der zuvor nicht ausreichend wirksamen TNFα-Inhibitoren. Signifikant mehr Patienten in der Tocilizumab-Gruppe (30,1%) erreichten eine DAS28-Remission; in der Vergleichsgruppe waren es 1,6% (p=0,001). Unter Tocilizumab 8 mg/kg normalisierten sich die CRP-Werte und stiegen die Hämoglobin-Spiegel ab Woche 2.

Die meisten unerwünschten Ereignisse waren leicht oder mäßig schwer. Schwere unerwünschte Wirkungen waren mit 11,3% in der Kontrollgruppe häufiger als in den Tocilizumab-Gruppen (6,3 bzw. 7,4%). Unter Tocilizumab waren Infektionen, gastrointestinale Symptome, Hautausschlag und Kopfschmerzen häufiger als in der Vergleichsgruppe [23].

AMBITION (Actemra versus methotrexate double blind investigative trial in monotherapy)

Eingeschlossen wurden 673 Patienten mit aktiver mäßiger bis schwerer RA mit mindestens dreimonatiger Dauer, die während 6 Monaten vor der Randomisierung nicht mit Methotrexat behandelt worden waren und die eine vorangegangene Behandlung mit Methotrexat nicht aufgrund toxischer Wirkungen oder mangelnden Ansprechens abgebrochen hatten. Die Mehrzahl der Patienten (67%) war MTX-naiv. Verglichen wurde Tocilizumab 8 mg/kg alle vier Wochen als Monotherapie (n=288) mit Methotrexat (dosistitriert von 7,5 mg bis zu einem Maximum von 20 mg wöchentlich, über einen Zeitraum von acht Wochen) (n=284).

Die Patienten waren bei Aufnahme in die Studie zwischen 3,1 und 6,4 Jahre an RA erkrankt. Sie wiesen zu Beginn eine hohe Krankheitsaktivität mit einem durchschnittlichen DAS28 von 6,8 auf.

Die ACR20-, ACR50- und ACR70-Ansprechraten nach 24 Wochen waren in der Tocilizumab-Gruppe signifikant besser als in der Methotrexat-Gruppe (Tab. 2). Das ACR-Ansprechen war völlig unabhängig von der Vortherapie der Patienten. Vorbehandelte und nicht vorbehandelte Patienten sprachen auf die Tocilizumab-Behandlung gleich gut an [25].

Rund ein Drittel der Patienten unter Tocilizumab (33,6%) erreichte nach 24 Wochen Behandlung eine DAS28-Remission (DAS28<2,6), in der Methotrexat-Gruppe waren es 12,1%. Die Remissionsrate war bei den Tocilizumab-Patienten mit kürzerer Krankheitsdauer (<2 Jahre) mit 42% noch besser, als bei den Patienten mit einer Krankheitsdauer von mindestens 2 Jahren mit 28% (MTX 18 bzw. 7%) (Abb. 1). Diese Daten deuten darauf hin, dass Patienten mit RA von einem frühen Therapiebeginn besonders gut profitieren. Die Wirkung von Tocilizumab auf die DAS-Remission war ebenfalls völlig unabhängig von der Vortherapie der Patienten, wie eine Post-hoc-Analyse zeigte [25].

Abb. 1. AMBITION-Studie: Die klinische Remission (DAS28 <2,6) in Woche 24 war bei Patienten mit RA <2 Jahre (ITT-Analyse) häufiger [26] MTX: Methotrexat; TCZ: Tocilizumab; RA: rheumatoide Arthritis

Bei mehr als 90% der Patienten der Tocilizumab-Gruppe kam es bereits innerhalb der ersten zwei Wochen zu einer raschen Normalisierung des CRP-Werts, der im Verlauf der Studie auf diesem Niveau blieb. Der Hämoglobin-Spiegel stieg ab der zweiten Behandlungswoche und war ab der sechsten Behandlungswoche bei den Patienten der Tocilizumab-Gruppe, die zuvor erniedrigte Hämoglobinspiegel aufgewiesen hatten, normalisiert. Die mit dem HAQ erfasste Lebensqualität der Patienten besserte sich unter Tocilizumab stärker als unter Methotrexat.

Schwere unerwünschte Ereignisse traten in der Tocilizumab-Gruppe bei 3,8%, in der Methotrexat-Gruppe bei 2,8% der Patienten auf, schwere Infektionen wurden bei 1,4% (n=4) der Tocilizumab-Patienten und bei 0,7% (n=2) der Patienten unter Methotrexat beobachtet. Bei 13% der Patienten in der Tocilizumab-Gruppe kam es zu einem Anstieg der Gesamtcholesterol-Werte (Methotrexat: 1%). In der Tocilizumab-Gruppe kam es häufiger zu einem Abfall (Grad 3) der neutrophilen Granulozyten (3,1 vs. 0,4%). Bei 11 Patienten der Tocilizumab-Gruppe und bei 15 Patienten der Methotrexat-Gruppe wurde die Therapie wegen unerwünschter Ereignisse abgebrochen [19].

LITHE (Tocilizumab safety and the prevention of structural joint damage trial)

Die randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Phase-III-Studie läuft über 2 Jahre mit Datenanalyse in Woche 24 und 52. Aufgenommen wurden 1196 Patienten mit mäßiger bis schwerer RA mit unzureichendem Ansprechen auf Methotrexat. Sie wurden mit Tocilizumab (4 oder 8 mg/kg) (n=399, n=398) oder Plazebo (n=393) über 52 Wochen alle vier Wochen in Kombination mit einer stabilen Methotrexat-Dosis (10–25 mg wöchentlich) behandelt.

Neben dem ACR20-Ansprechen in Woche 24 waren primäre Endpunkte Änderungen vom Ausgangswert beim nach Genant modifizierten Total Sharp Score (GmTSS) und in der physischen Funktion (AUC der Änderung vom Ausgangswert im Health Assessment Questionnaire Disability Index [HAQ-DI]) in Woche 52.

Die drei Gruppen waren in den demographischen Parametern vergleichbar, das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 52 Jahren, 83% waren Frauen. Die Patienten waren im Mittel 9,3 Jahre erkrankt, 70% nahmen Glucocorticoide. Die Krankheitsaktivität der Patienten war hoch, der DAS28 betrug zu Beginn der Studie im Mittel 6,5. Der HAQ-Score lag bei 1,5, die BSG bei 46 mm/l. Die primären Endpunkte wurden in der ITT-Analyse (n=1190) erreicht (Tab. 2 und 3).

Tab. 3. LITHE-Studie: Wirksamkeit in Woche 52 [20]

Tocilizumab 8 mg/kg +
Methotrexat

(n=398)

Tocilizumab 4 mg/kg +
Methotrexat

(n=399)

Plazebo +
Methotrexat

(n=393)

Mittlere Änderung des GmTSS vom Ausgangswert (SD)

0,29 (1,3)*

0,34 (1,5)*

1,13 (3,0)

Keine GmTSS-Progression,% (n/n)

85 (294/348)*

81 (273/339)*

67 (195/290)

Änderung des Lebensqualitäts-Scores vom Ausgangswert

–144,1*

–128,4*

–58,1

*p≤0,0001 vs Kontrolle; (n/n)=Patienten mit Ansprechen/auswertbare Patienten; GmTSS: Genant-modified Total Sharp Score

Nach einem Jahr war bei Patienten in der Gruppe mit 8 mg/kg Tocilizumab die radiologische Progression signifikant stärker gehemmt. Die Lebensqualität in den beiden Tocilizumab-Gruppen war ebenfalls signifikant besser als in der Kontrollgruppe.

Die DAS28-Remissionsraten (DAS28<2,6, Woche 24/52) waren mit Tocilizumab 8 mg/kg (33%/47%) und 4 mg/kg (18%/30%) signifikant besser (p≤0,0002/p≤0,0001) als in der Kontrollgruppe (4%/8%). Die Remissionsraten stiegen im zweiten Halbjahr der Behandlung nochmals deutlich an und erreichten fast 50% [20].

Pro 100 Patientenjahre wurden in den Tocilizumab-Gruppen 11,5 (8 mg/kg) bzw. 12,8 (4 mg/kg) schwere unerwünschte Ereignisse gesehen, in der Kontrollgruppe waren es 10,2. Als häufigstes unerwünschtes Ereignis führten Laborwertveränderungen zum Therapieabbruch. Vorwiegend handelte es sich um Erhöhungen von Leberenzymwerten, die jedoch in keinem Fall mit einer klinisch relevanten Hepatitis oder einer Leberfunktionsstörung verbunden waren.

Schwere Infektionen traten in den Tocilizumab-Gruppen mit einer Häufigkeit von 4,0 (8 mg/kg) bzw. 3,7 (4 mg/kg) und in der Kontrollgruppe mit einer Häufigkeit von 2,3 jeweils pro 100 Patientenjahre auf. Am häufigsten waren Pneumonien. Es wurde kein Fall einer Tuberkulose beobachtet [27].

Langzeitextensionsstudien

Aus den fünf klinischen Studien wurden 2583 Patienten in zwei Langzeitextensionsstudien, die GROWTH95- und die GROWTH96-Studie aufgenommen. In der GROWTH95-Studie werden Patienten aus der OPTION-Studie und in der GROWTH-96-Studie Patienten aus den Studien TOWARD, AMBITION und RADIATE über fünf Jahre mit Tocilizumab 8 mg/kg weiterbehandelt. Parameter zu Wirksamkeit und Verträglichkeit werden alle drei Monate erhoben. Als Intention-to-Treat-Gruppe gelten alle Patienten, die ≥1 Dosis Tocilizumab in einer Extensionsstudie erhielten. Sie wurden in drei Gruppen unterteilt:

  • Monotherapie-Gruppe (Patienten aus der AMBITION-Studie)
  • DMARD-IR-Gruppe (Patienten aus der TOWARD- und OPTION-Studie; IR=inadequate response)
  • TNF-Inhibitor-IR-Gruppe (Patienten aus der RADIATE-Studie)


Stichtag für die Interimsanalyse nach 2,5 Jahren war der 10. März 2008. Da die Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten in die Langzeitstudien überwechselten und einige Patienten die Studien abbrachen, nahm die Zahl der Patienten über die Zeit ab. Daher sind in dieser Zwischenanalyse die Daten der DMARD-IR-Patienten über 132 Wochen, die der beiden anderen Gruppen über 108 Wochen berücksichtigt. Während der Beobachtungszeit über 108 und 132 Wochen nahm in allen drei Gruppen der Anteil der Patienten zu, die ein ACR20/50/70-Ansprechen erreichten oder bei denen ein ACR70-Ansprechen über 24 Wochen ununterbrochen aufrechterhalten werden konnte. Ebenso stieg in allen drei Gruppen der Anteil der Patienten, die eine geringe Krankheitsaktivität oder eine DAS28-Remission erreichten, kontinuierlich oder wurde aufrechterhalten (Abb. 2).

Abb. 2. Langzeitextensionsstudie: Anteil der Patienten mit DAS28-Remission [24] Monotherapie: Patienten aus der AMBITION-Studie; DMARD-IR(inadequate response): Patienten aus der TOWARD- und OPTION-Studie; TNF-Inhibitor-IR: Patienten aus der RADIATE-Studie

Ein bedeutendes klinisches Ansprechen (Major Clinical Response – MCR), definiert als ACR70-Ansprechen über mindestens 6 aufeinanderfolgende Monate, konnte nach 96 Wochen bei 17% der Patienten in der Monotherapie- und in der DMARD-IR-Gruppe sowie bei 13% der Patienten in der Anti-TNF-IR-Gruppe gesehen werden. Nur 3% der Patienten brachen die Therapie wegen unzureichender Wirkung ab [24].

Sicherheit und Verträglichkeit

Wie bei allen immunmodulierenden Substanzen besteht auch bei Tocilizumab ein erhöhtes Infektionsrisiko. Infektionen treten vor allem im Bereich der oberen Atemwege, als Zellulitis oder Herpesinfektionen auf. Gelegentlich kann es zu einer Divertikulitis kommen.

An der Haut wurden Exanthem, Pruritus und gelegentlich Urtikaria, an den Augen eine Konjunktivitis beobachtet. Kopfschmerzen und Schwindel sind ebenfalls häufig.

Ferner ist mit einer Erhöhung der Lebertransaminasen-Werte, vor allem bei Kombination mit DMARD wie Methotrexat, und seltener mit einer Erhöhung des Gesamtbilirubin-Spiegels zu rechnen, ebenso mit einem Abfall der neutrophilen Granulozyten. Cholesterol- und Triglycerid-Spiegel können unter Tocilizumab-Therapie steigen, bei Erhöhungen über die Norm können die Patienten in der Regel mit einem CSE-Hemmer erfolgreich behandelt werden. Mit Überempfindlichkeitsreaktionen muss gerechnet werden [17].

Mit Stichtag 10. März 2008 wurden gepoolte Daten von Patienten, die in den klinischen Phase-III-Studien, einer Phase-I-Studie und den offenen Extensionsstudien GROWTH95 und GROWTH96 mindestens 1 Dosis Tocilizumab erhalten hatten, analysiert. Zusätzlich wurden Patienten mit bis zu 52 Wochen Behandlung aus der noch nicht abgeschlossenen LITHE-Studie eingeschlossen. Die Studienpopulation umfasste damit 3857 Patienten, die im Mittel 1,48 Jahre mit Tocilizumab behandelt worden waren.

Schwere unerwünschte Ereignisse traten mit einer Häufigkeit von 15,1 pro 100 Patientenjahre auf (Tab. 4). Die Abbruchrate aufgrund solcher Ereignisse betrug 6,5/100 Patientenjahre.

Tab. 4. Unerwünschte Ereignisse bei Behandlung mit Tocilizumab über 1,5 Jahre: Analyse der Daten von 3857 Patienten [28]

Ereignisrate pro 100 Patientenjahre (95%-Konfidenzintervall)

Unerwünschte Ereignisse

370 (365–375)

Schwere unerwünschte Ereignisse

15,1 (14,1–16,1)

Schwere Infektionen

4,4 (3,8–5,0)

Herzinfarkte

0,26 (0,15–0,43)

Schlaganfälle

0,18 (0,08–0,32)

Neutropenien vom Schweregrad 3/4 wurden bei 4% der Patienten gesehen.

Schwere Infektionen wurden mit einer Rate von 4,4 pro 100 Patientenjahre beobachtet. Zehn Patienten starben an einer schweren Infektion. Die häufigsten Infektionen waren Pneumonie (n=66) und Zellulitis (n=31). Neun opportunistische Infektionen wurden berichtet (0,2/100 PJ), und zwar je eine M.-avium-complex-Infektion, mykobakterielle Harnwegsinfektion, P.-jirovecii-Pneumonie, Candida-Osteomyelitis, gastrointestinale Candidiasis, Pilzösophagitis und Pilzsinusitis. Bei zwei Patienten war eine Tuberkulose aufgetreten.

Während der Infusion traten Infusionsreaktionen mit einer Häufigkeit von 2,8/100 Patientenjahre auf, innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der Infusion lag die Rate bei 5,7/100 Patientenjahre. Bei 15 Patienten (0,4%) musste die Therapie wegen schwerer Infusionsreaktionen abgebrochen werden.

Die mittleren LDL- und HDL-Cholesterolwerte stiegen in den ersten sechs Wochen der Therapie und blieben dann auf einem stabilen Niveau. Bei 224 Patienten (5,8%) wurde während der Tocilizumab-Behandlung eine Therapie mit einem Lipidsenker begonnen, auf den die Patienten in der Regel ansprachen.

Bösartige Erkrankungen wurden mit einer Rate von 1,67/100 Patientenjahre beobachtet, 81 waren bestätigte bösartige Erkrankungen, in neun Fällen handelte es sich um gutartige und in fünf Fällen um unspezifizierte Neubildungen.

Eine einmalige Erhöhung der Lebertransaminasen-Werte wurde in den ersten 24 Wochen der Therapie häufiger gesehen, später trat dies seltener auf. Bei 1,67% (n=67) der Patienten wurde die Therapie wegen Leberenzymerhöhung abgebrochen. Diese Transaminasenanstiege gingen nicht mit Hepatitiden oder Leberfunktionsstörungen einher. In keinem Fall nahmen die unerwünschten Ereignisse bei fortgesetzter Behandlung im Lauf der Zeit zu [28].

Die Analyse von klinischen Datenbanken bei Roche und Chugai ergab, dass bei >10000 Patientenjahren Tocilizumab-Exposition sechs Fälle einer Infektion mit Mycobacterium tuberculosis berichtet wurden, die in der Regel nach Absetzen der Therapie und adäquater Tuberkulosebehandlung ausheilten [29].

Wechselwirkungen

In Analysen zur Populationspharmakokinetik fand sich kein Einfluss von Methotrexat, NSAR oder Glucocorticoiden auf die Clearance von Tocilizumab. Die Bildung der hepatischen Cytochrom-P450-Enzyme wird durch Zytokine wie IL-6 unterdrückt. Daher ist zu erwarten, dass die Bildung von CYP450-Enzymen normalisiert wird, wenn eine wirksame Behandlung zur Zytokinhemmung, wie Tocilizumab, eingeleitet wird. Nach In-vitro-Studien mit kultivierten menschlichen Hepatozyten bewirkt IL-6 einen Rückgang der CYP1A2-, CYP2C9-, CYP2C19- und CYP3A4-Enzymexpression und Tocilizumab normalisiert die Expression dieser Enzyme [17]. Wenn eine Therapie mit Tocilizumab begonnen oder beendet wird, sollten Patienten, die Arzneimittel einnehmen, für welche die Dosis individuell angepasst wird und die durch CYP450 3A4, 1A2, 2C9 oder 2C19 metabolisiert werden (z.B. Atorvastatin, Calciumkanalblocker, Theophyllin, Warfarin, Phenytoin, Ciclosporin oder Benzodiazepine), überwacht werden, da Dosiserhöhungen erforderlich sein könnten, um die therapeutische Wirkung zu erhalten. Aufgrund seiner langen Eliminationshalbwertszeit kann die Wirkung von Tocilizumab auf die CYP450-Enzymaktivität mehrere Wochen nach dem Ende der Therapie anhalten [17].

Indikation, Dosierung, Einsatz und Handhabung

Indikation

Tocilizumab ist, in Kombination mit Methotrexat (MTX), für die Behandlung erwachsener Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis (RA) angezeigt, die unzureichend auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren DMARD oder TNFα-Inhibitoren angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Tocilizumab kann bei diesen Patienten als Monotherapie verabreicht werden, falls eine Methotrexat-Unverträglichkeit vorliegt oder eine Fortsetzung der Therapie mit Methotrexat unangemessen erscheint [17].

Dosierung und Handhabung

Die empfohlene Dosierung beträgt 8 mg/kg Körpergewicht. Die Dosis wird einmal alle vier Wochen intravenös infundiert. Zur Zubereitung, Anwendung und zu vorbereitenden Fragen an den Patienten gibt es detaillierte Anweisungen des Herstellers.

Kosten der Therapie

Bei Gabe von 560 mg Tocilizumab für einen 70 kg schweren Patienten liegen die Kosten für das Arzneimittel, je nach Packungsgröße, zwischen 1640 und 1662 Euro. Sie liegen damit in einer ähnlichen Größenordnung wie die TNFα-Inhibitoren. Hinzu kommen bei Tocilizumab die Kosten der Applikation.

Zusammenfassung, Bewertung und Fazit

Mit Tocilizumab steht ein neues Therapieprinzip für die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis zur Verfügung, das die Palette der therapeutischen Möglichkeiten erweitert. Der monoklonale Antikörper kann in Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat oder anderen DMARD eingesetzt werden. Aus klinischer Sicht ist der möglichst frühe Einsatz von hoch wirksamen Substanzen bei RA-Patienten sinnvoll, um das Fortschreiten der Gelenkdestruktion weitgehend verhindern zu können.

Tocilizumab hat den Nachteil, dass es alle 4 Wochen intravenös, wenn auch nicht mit langer Infusionszeit, gegeben werden muss. Allerdings stellen sich wegen der begleitenden DMARD-Therapie viele Patienten sowieso in regelmäßigen Abständen beim Rheumatologen vor, so dass die Gabe einer Infusion in monatlichen Abständen möglich ist und in der Praxis vom Patienten, gute Wirksamkeit und Verträglichkeit vorausgesetzt, in der Regel akzeptiert wird. Der Zulassungsstatus erlaubt den Einsatz von Tocilizumab als Erstlinien-Biologikum, dieser Status war bisher den TNFα-Inhibitoren vorbehalten. Besonders geeignet sind Patienten, die eine intravenöse Therapie wünschen oder bei denen eine ausgeprägte Müdigkeit und Begleitanämie vorliegt.

Im Tierexperiment war IL-6 – im Gegensatz zu TNFα – nicht zur Aufrechterhaltung der Granulome bei Infektionen mit Mykobakterien erforderlich. Innerhalb der Studien mussten sich jedoch alle teilnehmenden Patienten einer Untersuchung auf das Vorliegen einer latenten Tuberkulose (PPD-Hauttest) unterziehen, im positiven Fall wurde ein Vorgehen gemäß nationaler Richtlinien empfohlen.

Ein besonderer Vorteil von Tocilizumab ist der mögliche Einsatz als Monotherapie bei Patienten, die Methotrexat nicht vertragen oder bei denen eine Fortführung der Methotrexat-Therapie aus anderen Gründen nicht angezeigt ist. Die AMBITION-Studie hat gezeigt, dass eine Monotherapie mit Tocilizumab bei Patienten, die nicht zuvor eine Methotrexat-Therapie wegen mangelnden Ansprechens abgebrochen hatten oder die Methotrexat-naiv waren, gegenüber Methotrexat eine überlegene Effektivität bei vergleichbarer Verträglichkeit hat. Bezüglich der Kosten ist die Therapie mit Tocilizumab mit einer TNFα-Inhibitor-Therapie vergleichbar.

Wichtig ist allerdings der Hinweis, dass in verschiedenen Situationen zum Einsatz von Tocilizumab noch wenige Daten vorliegen. So waren Patienten mit begleitender Hepatitis-B- oder -C-Infektion von den Studien ausgeschlossen. Auch Patienten mit früheren Malignomen wurden, wie auch sonst bei klinischen Studien üblich, nicht im Phase-III-Programm untersucht, so dass auch für diese Patientengruppe formal keine Daten zur Sicherheit vorliegen.

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Priv.-Doz. Dr. med. Andrea Rubbert-Roth, Universitätsklinik Köln, Medizinische Klinik I, Josef-Stelzmann-Straße 9, 50924, Köln, E-Mail: andrea.rubbert@uk-koeln.de Dr. rer. nat. Susanne Heinzl, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation. Aulberstr. 8, 72764 Reutlingen, E-Mail: sh@medpharm-text.de


Tocilizumab – treatment of rheumatoid arthritis

Since January 2009 the interleukin-6 receptor inhibitor tocilizumab (RoACTEMRA®) is approved in Europe for the treatment of adults with moderate to severe active rheumatoid arthritis. It is used in combination with methotrexate in patients who did not respond adequately to a treatment with disease modifying drugs or tumor necrosis factor (TNF) inhibitors or who could not tolerate these treatments. Tocilizumab is approved for monotherapy in patients who cannot take methotrexate. Like TNF-alpha inhibitors tocilizumab affects the inflammatory response. Efficacy and tolerability of tocilizumab were demonstrated in five phase-III-trials.

Keywords: Tocilizumab, rheumatoid arthritis, interleukin-6 receptor inhibitor

Arzneimitteltherapie 2009; 27(10)