Publikation von negativen oder neutralen Studien


Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen

In den letzten Monaten gab es eine richtiggehende Welle von Publikationen, die darauf hinwiesen, dass eine ganz klare Tendenz besteht, dass positive Studien publiziert werden und negative Studien nicht. Sehr schnell wurde unterstellt, dass dahinter eine Absicht von Wissenschaftlern, Klinikern und gegebenenfalls der Pharma-Industrie stecke mit dem Ansinnen, diese neutralen oder negativen Studienergebnisse der wissenschaftlichen Welt vorzuenthalten. Die meisten dieser Publikationen und Editorials waren sehr vorwurfsvoll und formulieren auch einen gewissen Generalverdacht, dass in der medizinischen Wissenschaft allgemein so verfahren würde.

In vielen Fällen ist die Wahrheit aber sehr viel trivialer. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, als ich versuchte, eine Studie, die negativ ausgegangen war, zu publizieren. Ich musste sie über einen Zeitraum von zwei Jahren bei insgesamt sieben wissenschaftlichen Zeitschriften mit großem Aufwand einreichen, mich jeweils stundenlang durch Fragebögen zu potenziellen Interessenkonflikten quälen, die bei jeder Zeitschrift anders aufgebaut sind, und die Publikation siebenmal überarbeiten, um den jeweiligen Reviewern Genüge zu tun. Erst die achte Zeitschrift war dann bereit – und wahrscheinlich auch nur über den persönlichen Kontakt mit dem Herausgeber –, die Studie letztendlich zu publizieren.

Ich kann mir vorstellen, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen bereits zu einem früheren Zeitpunkt das Handtuch werfen und, nachdem sie sich mehrere Absagen von wissenschaftlichen Journalen eingehandelt haben, darauf verzichten, die negative Studie zu publizieren. Bei dieser Thematik sind auch die Herausgeber von wissenschaftlichen Journalen gefragt. Es kann nicht das einzige Ziel einer Zeitschrift sein, durch möglichst viele positive Studien den Impactfaktor zu erhöhen. Zur wissenschaftlichen Ehrlichkeit gehört auch der Wille, neutrale und negative Studien zu publizieren. Vielleicht wäre eines Tages die Lösung, das „Journal of Negative Trials“ herauszubringen.

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