Andreas Plettenberg, Leonie Meemken, Irene Walther, Hamburg, Norbert Brockmeyer, Bochum, und Albrecht Stoehr, Hamburg
Die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART, siehe Kasten) hat die Lebenserwartung von Menschen mit einer HIV(human immunodeficiency virus)-Infektion deutlich verbessert, so dass die Betroffenen mit der Infektion alt werden können und das mittlere Lebensalter der HIV-positiven Patienten kontinuierlich steigt. In der deutschen Kompetenznetz-Kohorte, in der 12500 Personen mit HIV-Infektion beobachtet werden, sind derzeit 26% über 50 Jahre alt. Für die USA wird vorausgesagt, dass im Jahr 2015 mehr als die Hälfte aller HIV-Infizierten älter als 50 Jahre sein werden [1]. Dieser in den entwickelten Ländern weltweit zu verzeichnende demographische Wandel bei Menschen mit HIV-Infektion hat zur Folge, dass der Faktor Alter zunehmend in den Fokus klinischer und wissenschaftlicher Fragestellungen rückt.
Informationen zu Arzneimittelinteraktionen
Das Interaktionspotenzial der antiretroviralen Therapie ist sehr vielfältig und die Begleitmedikation (beispielsweise Zytostatika) oftmals sehr komplex, so dass spezielle Interaktionsdatenbanken genutzt werden sollten. Für Fragen zu den Arzneimittelinteraktionen kann die ifi-Interaktions-Hotline genutzt werden, die unter der Telefonnummer 0160/90244100 oder unter www.ifi-interaktions-hotline.de erreichbar ist.
Doch ab wann gilt der Mensch als alt? In der Literatur finden sich unterschiedliche Definitionen: In vielen Publikationen wird die Grenze zum Alter bei 50 Jahren gezogen, zum Teil aber auch bei 45, 55 oder 60 Jahren. Auch wenn der Begriff „Alter“ bisher nicht allgemeingültig definiert ist, herrscht Einigkeit dahingehend, dass eine antiretrovirale Therapie im Alter anderen Ansprüchen genügen muss als bei jungen Menschen. Die exakte Festlegung, was genau im Alter anders gehandhabt werden soll, wird dadurch erschwert, dass bei Studien zur antiretroviralen Therapie alte Menschen, ebenso wie Kinder, oft ausgeschlossen werden.
Epidemiologische Aspekte
Auch in Deutschland ist das mittlere Alter der HIV-infizierten Menschen während der zurückliegenden Jahre gestiegen. Laut einer Auswertung des vom Robert-Koch-Institut (RKI) durchgeführten Projekts „Klinische Surveillance der HIV-Erkrankung (ClinSurv HIV)“ mit mittlerweile etwa 14000 Patienten ist das mittlere Alter bei Beobachtungsbeginn von 1999 bis 2008 bei Männern um etwa zwei Jahre und bei Frauen um etwa drei Jahre gestiegen. Vergleicht man für die einzelnen Jahre das jeweils mittlere Alter aller beobachteten Patienten, so ist dieses während der 10-jährigen Beobachtungsphase bei den Frauen von 36 auf 41 Jahre und bei den Männern von 41 auf 46 Jahre gestiegen [2]. In den Vereinigten Staaten ist die Entwicklung ähnlich. So stieg hier der Anteil der bei Erstdiagnose der HIV-Infektion über 45-Jährigen von 22% im Jahr 2000 auf 25% im Jahr 2003 [3].
Zwar ist der Anteil der älteren Personen an der Gesamtheit aller Menschen mit bekannter HIV-Infektion gestiegen, man geht jedoch davon aus, dass bei den alten Menschen der Anteil nicht bekannter HIV-Infektionen besonders hoch ist. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen denken Ärzte bei alten Menschen seltener differenzialdiagnostisch an die HIV-Infektion, zum anderen haben Ältere größere Hemmungen, über mögliche HIV-Risiken zu berichten. Studien haben gezeigt, dass bei älteren Menschen die HIV-Infektion häufiger im Rahmen von Krankenhausaufenthalten festgestellt wird als bei jungen Menschen. Es ist davon auszugehen, dass die spätere Diagnosestellung der HIV-Infektion bei Älteren einen negativen Einfluss auf die Prognose hat.
Einfluss des Alters auf das Immunsystem
Sowohl das Alter als auch die HIV-Infektion beeinflussen die Immunfunktionen hinsichtlich mehrerer Parameter in ähnlicher Weise [4]. Ebenso wie die HIV-Infektion bewirkt auch das Alter eine Dysfunktion sowohl des T-Zell- als auch des B-Zell-Immunsystems. Von den vielen Parametern, für die dies gezeigt wurde, kommt den CD4-Lymphozyten die größte Bedeutung zu. Mit zunehmendem Alter nimmt die Zahl der CD4-Lymphozyten im peripheren Blut ab. Unter antiretroviraler Therapie (ART) steigt die CD4-Zellzahl bei älteren Patienten zudem langsamer und geringer an: Während bei <50-jährigen Patienten unter HAART während der ersten sechs Monate ein monatlicher Anstieg der CD4-Zellzahl um 42,9 Zellen/mm3 nachgewiesen werden konnte, waren es bei den >50-Jährigen nur 36,9 Zellen/mm3 [5].
Ein wesentliches Kriterium dafür, wann eine antiretrovirale Therapie begonnen werden sollte, ist die Zahl der CD4-Lymphozyten. Bei älteren Patienten sollte die antiretrovirale Therapie bereits bei höheren CD4-Lymphozytenzahlen begonnen werden als bei jüngeren. Interessant ist, dass es bei älteren Menschen trotz niedrigerer CD4-Lymphozytenzahl seltener zu virologischem Therapieversagen kommt als bei jungen Menschen, was am ehesten mit der im Alter besseren Therapieadhärenz zu erklären ist.
Einfluss des Alters auf die Compliance
Mehrere Studien haben gezeigt, dass ältere HIV-positive Menschen eine höhere Therapieadhärenz gegenüber der HAART haben als jüngere. Laut Balkrishnan stehen ältere Menschen Medikamenten grundsätzlich positiver gegenüber als junge Menschen und realisieren in stärkerem Maße sowohl die Bedeutung der Medikamente für sich selbst als auch Faktoren wie die Kosten der Therapie [6]. Außerdem leiden ältere Menschen weniger unter Stress, haben größere Angst vor Krankheiten und mehr Verständnis für medizinische Maßnahmen. All die genannten Faktoren wirken sich positiv auf die Therapieadhärenz aus [7].
Einfluss des Alters auf Krankheitsmanifestationen und Komplikationen
Auch wenn die Studienergebnisse uneinheitlich sind, sprechen die meisten Studien dafür, dass höheres Alter mit einer schnelleren Progression der HIV-Infektion einhergeht. So berichten Grabar et al. von einer Studie, in der es bei 10,2% der Patienten über 50 Jahre innerhalb eines Jahres nach Beginn der HAART zu neuen AIDS-definierenden Erkrankungen oder Tod kam, im Vergleich zu 5% bei den unter 50-Jährigen [5].
Für mehrere klassische AIDS-definierende Krankheitsbilder wie Zytomegalie-Virus-(CMV-)Infektion, Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie, progressive multifokale Leukenzephalopathie, HIV-Enzephalopathie oder Kaposi-Sarkom wird ein häufigeres Auftreten im höheren Alter angegeben. Dies gilt auch für die HIV-Demenz: Bei den über 50-jährigen Patienten der „Hawaii aging with HIV-1 cohort“ war die HIV-Demenz dreimal häufiger als bei den jüngeren Patienten (20 bis 39 Jahre) [8].
Es gibt mehrere Berichte dahingehend, dass die Nebenwirkungsrate der HAART im Alter höher ist. Zu erklären ist dies vor allem durch die im Alter reduzierte Leber- und Nierenfunktion, die zu erhöhten Arzneistoffspiegeln führt, die ihrerseits mit gesteigerten Toxizitäten einhergehen.
Auch wenn noch viele Fragen ungeklärt sind, werden für einige antiretrovirale Substanzen Nebenwirkungen diskutiert, denen im Alter eine besondere Bedeutung zukommt. Dies gilt beispielsweise für eine mögliche Schädigung der Nierenfunktion durch Tenofovir (Viread®) oder aber für den derzeit diskutierten Zusammenhang zwischen der Einnahme von Abacavir (Ziagen®) und dem Auftreten von Herzinfarkten. Bei Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen, die bei alten Menschen häufiger zu finden sind, sollte möglichst auf alternative Arzneistoffe ausgewichen werden, was im Regelfall möglich ist.
Andere Nebenwirkungen der HAART wie Hepatotoxizität oder Fettstoffwechselstörungen sind weniger substanzspezifisch, so dass auch durch eine gezielte Auswahl der antiretroviralen Substanzen eine Risikoreduktion nur bedingt zu erreichen ist.
Altersbedingte Organveränderungen und deren Einfluss auf die Pharmakologie
Leber
Der überwiegende Teil der antiretroviralen Arzneistoffe wird über das Cytochrom-P450-System der Leber metabolisiert. Mit zunehmendem Alter lässt dieser Metabolismus nach, so dass die Arzneistoffe langsamer abgebaut werden und folglich in höheren Plasma- und Gewebekonzentrationen vorliegen, was mit einer vermehrten Toxizität einhergeht [9]. Schon ab dem 25. Lebensjahr nimmt das Blutvolumen der Leber um etwa 0,5 bis 1,5% pro Jahr ab, so dass mit zunehmendem Alter der hepatische Blutfluss und die Clearance geringer werden. Infolge des reduzierten hepatischen First-Pass-Effekts kann die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen, die überwiegend über die Leber abgebaut werden, erhöht beziehungsweise deren Halbwertszeit verlängert werden. Dabei wird die Aktivität der Phase-I-Enzyme (besonders CYP2C9, CYP2D6) mehr beeinträchtigt als die der Phase-II-Enzyme (Glucuronosyltransferasen, UGT). In der Aktivität des Isoenzyms CYP3A4 wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen jungen und alten Menschen gefunden [1].
Niere
Bei Patienten mit HIV-Infektion steigt das Risiko von Nierenerkrankungen mit zunehmendem Alter. Da die Konzentrationen nierengängiger Arzneimittel wie der nucleosidischen Reverse-Transcriptase-Hemmer (NRTI) sich proportional zur geschätzten Creatinin-Clearance oder glomerulären Filtrationsrate (eGFR) verändern, kann ein Monitoring und gegebenenfalls eine Dosisanpassung der NRTI erforderlich sein. Ältere Frauen sind davon stärker betroffen als ältere Männer [10].
Aktuell wird diskutiert, ob Tenofovir ein Prädiktor für eine tubuläre Dysfunktion ist und welchen Einfluss erhöhte intrazelluläre Tenofovir-Konzentrationen in den renalen proximalen Tubuluszellen bei eingeschränkter Nierenfunktion besitzen.
Gastrointestinaltrakt
Mit zunehmendem Alter steigt der pH-Wert im Magen, so dass Arzneistoffe wie Atazanavir (Reyataz®) oder Raltegravir (Isentress®), deren Löslichkeit vom pH-Wert abhängt, vermindert oder vermehrt vom Körper resorbiert werden können. Weiterhin kommt es mit zunehmendem Alter zu einer Abnahme der Dünndarmoberfläche, so dass die Aufnahme von Medikamenten reduziert sein kann.
Körperfett
Mit zunehmendem Alter nimmt der Körperfettanteil zu. Für lipophile Arzneimittel wird dadurch das Verteilungsvolumen größer, was eine Verlängerung der Halbwertszeit (HWZ) bewirken kann. Für wasserlösliche Arzneimittel verkleinert sich das Verteilungsvolumen, so dass die Halbwertszeit kürzer werden kann.
Wechselwirkungen von Arzneimitteln aufgrund altersbedingter Komorbiditäten
Die für die Behandlung von Begleiterkrankungen eingesetzten Arzneimittel sollten immer auf ihre Kombinierbarkeit mit der antiretoviralen Therapie hin geprüft werden. Insbesondere gilt dies für Antihypertensiva, Antidiabetika, Hypnotika, Lipidsenker, Säureblocker, Lifestyle-Arzneimittel, Hormone und Zytostatika.
Antihypertensiva
Bei den Antihypertensiva sind es vor allem die Calciumkanalblocker, bei denen Spiegelschwankungen unter den Proteasehemmern (PI) und den nichtnucleosidischen Reverse-Transcriptase-Hemmern (NNRTI) zu erwarten sind. Calciumkanalblocker werden über das Isoenzym CYP3A4 abgebaut. Der Metabolismus wird von geboosteten Proteasehemmern gehemmt, wodurch es zu erhöhten Calciumkanalblocker-Spiegeln im Blut und einer verstärkten Hypotension mit entsprechenden Nebenwirkungen kommen kann. Eine Dosisreduktion der Calciumkanalblocker sollte erwogen werden. Umgekehrt können die NNRTI die Enzymproduktion induzieren, so dass es nach etwa 10 bis 14 Tagen zu einem verminderten Ansprechen kommen kann und gegebenenfalls eine Dosiserhöhung der Calciumkanalblocker notwendig ist [16, 17].
Betablocker werden überwiegend über das Isoenzym CYP2D6 abgebaut. Da Ritonavir neben CYP3A4 auch dieses Isoenzym hemmt, kann es theoretisch auch zu erhöhten Betablocker-Spiegeln kommen. Diese Interaktion wird als moderat eingeschätzt [18, 19].
Klinisch relevant wird diese Interaktion bei Patienten mit einer reduzierten Expression des Isoenzyms CYP2D6, da der Arzneistoffabbau durch die reduzierte Enzymaktivität zusätzlich verlangsamt wird. Das Isoenzym CYP2D6 unterliegt einem großen genetischen Polymorphismus, weshalb verschiedene Menschen unterschiedliche Konzentrationen dieses Isoenzyms besitzen.
Das Interaktionspotenzial der ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (AT1-Blocker, Sartane) ist eher gering einzuschätzen [18].
Antikoagulanzien
Da die Phenprocoumon-Spiegel unter Proteasehemmern und NNRTI schwanken können, müssen Patienten, die Marcumar® einnehmen, bei jedem Wechsel der antiretroviralen Therapie intensiv überwacht und die Phenprocoumon-Dosis gegebenenfalls angepasst werden [12].
Clopidogrel wird unter anderem durch das Enzym CYP3A4 aktiviert. Es ist bisher noch unklar, ob die Hemmung von CYP3A4 durch Ritonavir die Aktivierung hemmt und damit die Wirkung von Clopidogrel schwächt [20].
Antidiabetika
In der Gruppe der Antidiabetika muss vor allem auf die Thiazolidindione geachtet werden: Pioglitazon hat einen leichten induktiven Effekt auf die NNRTI und Proteasehemmer. Bei gleichzeitiger Einnahme können nach 10 bis 14 Tagen die Spiegel der NNRTI und Proteasehemmer sinken, so dass eine Spiegelbestimmung sinnvoll sein kann. Andererseits kann es unter Proteasehemmern und NNRTI auch zu Pioglitazon-Spiegelschwankungen kommen [21, 22].
Unter Rosiglitazon wurde ein Absinken des Atazanavir-Spiegels um 17% und ein Anstieg des Rosiglitazon-Spiegels um 35% gemessen [23]. Unter Rosiglitazon wurden vermehrt kardiovaskuläre Ereignisse beobachtet [24].
Hypnotika
Bei den verschreibungspflichtigen Schlafmitteln ist beispielsweise das Benzodiazepin Triazolam zu vermeiden, da es unter einem Proteasehemmer-haltigen Regime zu Nebenwirkungen wie Benommenheit und Desorientiertheit kommen kann. Die Halbwertszeit von Triazolam verlängert sich von 4 auf 50 Stunden. Oxazepam und Temazepam sind zu bevorzugen. Für Zolpidem wird eine reduzierte Dosis unter einem Proteasehemmer-haltigen Regime empfohlen [11, 12, 25].
Lipidsenker
Klare Empfehlungen gibt es für die CSE-Hemmer (Statine):
Eine Kombination von Lovastatin und Simvastatin mit Proteasehemmern ist kontraindiziert, da unter einem Proteasehemmer-haltigen Regime die Simvastatin- und Lovastatin-Spiegel stark ansteigen können und das Risiko für eine Rhabdomyolyse erhöht ist. Atorvastatin wird teilweise über das Isoenzym CYP3A4 metabolisiert, so dass unter einem Proteasehemmer-haltigen Regime eine niedrigere Dosis empfohlen wird. In Kombination mit NNRTI können CSE-Hemmer vermindert wirksam sein, da der Abbau nach 10 bis 14 Tagen beschleunigt wird. Deshalb werden CSE-Hemmer empfohlen, die nicht über das Isoenzym CYP3A4 abgebaut werden. Dazu gehören Pravastatin und Fluvastatin, wobei es für Fluvastatin keine Interaktionsstudien sondern nur In-vitro-Daten gibt [11, 12].
Ezetimib besitzt ein geringes Interaktionspotenzial mit der ART, das Kombinationspräparat Inegy® sollte aber vermieden werden, da hier zusätzlich Simvastatin enthalten ist.
Für die Fibrinsäurederivate liegt nur eine Interaktionsstudie von Lopinavir/r (Lopinavir mit niedrig dosiertem Ritonavir als Booster; Kaletra®) mit Gemfibrozil vor. Hier sanken die Gemfibrozil-Spiegel um 41%. Da Ritonavir eine induzierende Wirkung auf die Glucuronosyltransferase besitzt, über die alle Fibrate abgebaut werden, könnte dieser Effekt theoretisch bei allen Fibraten in Kombination mit geboosteten Proteasehemmern eintreten. NNRTI sind hier unproblematisch [26].
Säureblocker
Säureblocker können mit verschiedenen antiretroviralen Therapeutika interagieren. Der entscheidende Mechanismus hierbei ist nicht die Beeinflussung der Metabolisierung, sondern die pH-Wert-Verschiebung im Magen. Einige Proteasehemmer lösen sich bei einem basischen pH-Wert im Magen nur unvollständig und werden deshalb nur unzureichend resorbiert. Dies betrifft insbesondere Atazanavir und Tipranavir (Aptivus). Daher sollte zwischen der Einnahme dieser Proteasehemmer und der Einnahme von Antazida ein Intervall von mindestens zwei Stunden liegen [12].
Die Kombination von geboostetem Atazanavir mit H2-Rezeptorantagonisten ist in Dosen äquivalent bis zweimal täglich 20 mg Famotidin möglich. Generell wird ein größtmöglicher Abstand der beiden Substanzen von beispielsweise zehn Stunden empfohlen. Bei höher dosierter H2-Rezeptorantagonisten-Therapie sollte eine Dosis von 400/100 mg Atazanavir/Ritonavir erwogen werden. Wird zusätzlich Tenofovir gegeben, sollten H2-Rezeptorantagonisten vermieden werden, da Tenofovir die Atazanavir-Spiegel ebenfalls senkt. Wenn eine Kombination dieser Substanzen nicht zu vermeiden ist, sollte eine erhöhte Dosis von 400/100 mg Atazanavir/Ritonavir überlegt werden und gleichzeitig Atazanavir-Spiegelmessungen im Blut durchgeführt werden [13].
Protonenpumpeninhibitoren werden auch in Kombination mit geboostetem Atazanavir nicht empfohlen. Wenn eine solche Kombination unumgänglich ist, wird eine erhöhte Dosis von Atazanavir/Ritonavir (400/100 mg) empfohlen, dabei sollte die Dosis des Protonenpumpeninhibitors das Dosisäquivalent von 20 mg Omeprazol nicht überschreiten [13].
Bei Raltegravir besteht der umgekehrte Effekt. Unter einem basischen Magen-pH-Wert steigen Raltegravir-Spiegel stark an und können eventuell vermehrte Nebenwirkungen auslösen. Für konkrete Empfehlungen zur Dosisanpassung reicht die Datenlage derzeit nicht aus [14].
Lifestyle-Arzneimittel
Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil sollten unter einem Proteasehemmer-haltigen Regime nur in niedriger Dosis und in einem Abstand von mindestens 48 Stunden eingenommen werden, da ihr Abbau durch Ritonavir stark verlangsamt wird und es sonst durch die verstärkte Erweiterung der Gefäße zu vermehrten Nebenwirkungen kommen kann [12].
Hormonersatztherapie/Arzneimittel zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden
Die Datenlage zur Menopause und zur Einnahme von Hormonpräparaten bei älteren Frauen mit HIV-Infektion ist sehr begrenzt. Frauen mit HIV-Infektion scheinen früher in die Menopause zu kommen als HIV-negative Frauen. So haben Studien gezeigt, dass die Menopause bei HIV-positiven Frauen bereits im Alter von 46 bis 47 Jahren auftritt, in der Allgemeinbevölkerung hingegen erst bei einem mittleren Alter von 50 bis 52 Jahren [3]. Dabei ist einschränkend zu berücksichtigen, dass im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bei HIV-positiven Frauen eher Faktoren wie Drogenabhängigkeit, Rauchen und niedrigerer sozioökonomischer Status zu finden sind, die ihrerseits ein früheres Eintreten der Menopause bewirken können. Clark et al. stellten fest, dass nur 11% der Frauen in der Postmenopause Hormonersatzpräparate einnehmen. Die Arbeitsgruppe berichtet weiter, dass die Nichteinnahme von Hormonersatzpräparaten ein Prädiktor für erhöhte Mortalität sei [15].
Bei Einnahme von NNRTI und geboosteten Proteasehemmern können die Hormonspiegel sinken und die Hormonersatztherapie folglich unzureichend wirken. Estrogene und Gestagene werden über das Isoenzym CYP3A4 und die Glucuronosyltransferase abgebaut. Ritonavir induziert den Abbau über die Glucuronosyltransferase, die NNRTI den Abbau über das Isoenzym CYP3A4. Eine individuelle Dosisanpassung der Gestagene und Estrogene scheint deshalb erforderlich zu sein [12, 27].
Ungeboostetes Atazanavir scheint die Gestagen- und Estrogenspiegel im Körper zu erhöhen, wodurch eventuell die Dosis der Hormonersatztherapeutika reduziert werden kann. Hier ist die Datenlage noch unzureichend.
Bei dem freiverkäuflichen Medikament Remifemin® sollte das Kombinationspräparat Remifemin plus® vermieden werden, da es Johanniskraut enthält. Johanniskraut senkt die Plasmaspiegel der NNRTI und Proteasehemmer, wodurch die Entstehung von Resistenzen gegen antiretrovirale Medikamente begünstig wird. Johanniskraut ist auch in pflanzlichen Kombinationspräparaten zur Schlafförderung enthalten. Auch diese Kombinationen sollten vermieden werden [12, 27].
Literatur
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Hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART)
Die hochaktive antiretrovirale Therapie ist eine Kombinationstherapie aus mindestens drei antiretroviralen Substanzen. Als sehr wirksam, sicher und gut verträglich hat sich die Kombination von zwei nucleosidischen Reverse-Transcriptase-Hemmern (NRTI) und einem nichtnucleosidischen Reverse-Transcriptase-Hemmer (NNRTI) oder einem mit Ritonavir (RTV) geboosteten Proteasehemmer (PI/r) erwiesen.
Prof. Dr. med. Andreas Plettenberg, Leonie Meemken, Irene Walther, Dr. med. Albrecht Stoehr, ifi – Institut für interdisziplinäre Medizin, Lohmühlenstraße 5, Haus K, 20099 Hamburg, E-Mail: plettenberg@ifi-medizin.de Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Sprecher des Kompetenznetzes HIV/AIDS, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Gudrunstr. 56, 44791 Bochum
HIV-therapy in eldery people
Advances in treatment of HIV disease have resulted in increased survival for HIV-infected patients. Therefore the HIV infection in eldery people is increasing worldwide. Older patients have a slower immunological response to HAART and a more rapid progression of HIV infection than younger patients. Management of HIV infection in older patients has to consider age-associated comorbidities, an increased risk of toxicities, and many drug interactions.
Key words: HIV, HAART, elderly, age
Arzneimitteltherapie 2010; 28(03)