Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Bei chronischer inflammatorischer demyelinisierender Polyradikuloneuropathie (CIDP) kommt es entweder in Schüben oder langsam progredient zu peripheren neurologischen Defiziten, insbesondere Paresen. Die Pathogenese der Erkrankung ist autoimmunologisch mit Beteiligung von T- und B-Zellen.
Die bisher durchgeführten randomisierten Therapiestudien konnten für Glucocorticoide, intravenös verabreichte Immunglobuline und Plasmapherese einen therapeutischen Effekt zeigen. Glucocorticoide führen in der Langzeiteinnahme aber zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und Immunglobuline sind sehr teuer. Daher untersuchte eine europäische Studiengruppe, ob eine Behandlung mit Methotrexat eine Alternative sein könnte.
Studiendesign
Es handelte sich um eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde Studie, in der Methotrexat mit Plazebo verglichen wurde.
In den ersten vier der insgesamt 40 Wochen dauernden Behandlung erhielten die Patienten 7,5 mg Methotrexat pro Woche, dann für vier Wochen 10 mg Methotrexat pro Woche und nachfolgend als Erhaltungsdosis 15 mg pro Woche für 32 Wochen. Alle Patienten erhielten zudem eine Basisbehandlung mit Glucocorticoiden und/oder intravenös verabreichten Immunglobulinen.
Nach 16-wöchiger Behandlung wurde die Dosierung der Glucocorticoide oder Immunglobuline alle vier Wochen um 20% reduziert, vorausgesetzt der Zustand des Patienten verschlechterte sich nicht.
Primärer Studienendpunkt war eine mehr als 20%ige Reduktion der durchschnittlichen wöchentlichen Glucocorticoid- oder Immunglobulin-Dosis in den letzten vier Wochen der Behandlung im Vergleich zu den ersten vier Studienwochen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten Bewegungseinschränkung und Kraft nach der Hälfte der Studiendauer und am Studienende.
Die Auswertung erfolgte als Intention-to-treat-Analyse.
Ergebnisse
Am Ende der Studie hatten 14 (52%) von 27 Patienten, die Methotrexat erhielten, und 14 (44%) von 32 Patienten, die Plazebo einnahmen, eine mindestens 20%ige Reduktion ihrer Glucocorticoid- oder Immunglobulin-Dosis erreicht. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant (Odds-Ratio [adjustiert] 1,21; 95%-Konfidenzintervall 0,4–3,7). Auch für alle sekundären Endpunkte ergaben sich keine klinisch und statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Es gab ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis in der Plazebo-Gruppe und drei in der Methotrexat-Gruppe, die jedoch wahrscheinlich nicht auf die Behandlung zurückzuführen waren.
Kommentar
In dieser Pilotstudie war Methotrexat bei Patienten mit CIDP nicht wirksamer als Plazebo. Das Ergebnis muss aber mit großer Vorsicht interpretiert werden: Zum einen war die Studie mit 60 Patienten relativ klein, zum anderen zeigte sich überraschenderweise ein sehr deutliches Ansprechen in der Plazebo-Gruppe. Dies könnte dafür sprechen, dass ein Teil der Patienten in der Plazebo-Gruppe beim Eintritt in die Studie mit einer zu hohen Dosis an Glucocorticoiden oder Immunglobulinen behandelt wurde. Eine andere Möglichkeit ist, dass Methotrexat zu niedrig dosiert war. Angesichts der potenziellen Nebenwirkungen ist allerdings eine weitere Studie mit höheren Methotrexat-Dosierungen eher unwahrscheinlich.
Quelle
RMC Trial Group. Randomised controlled trial of methotrexate for chronic inflammatory demyelinating polyradiculoneuropathy (RMC trial): a pilot, multicentre study. Lancet Neurol 2009;8:158–64.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(03)