Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Magenkarzinome sind lange von der Forschung vernachlässigt worden, weil die fortgeschrittene Erkrankung eine schlechte Prognose hat: Mit den bislang zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten liegt die Überlebenszeit durchschnittlich bei etwa 10 Monaten. Weltweit wurden unterschiedliche multimodale Therapieansätze überprüft, so in den USA die adjuvante Radiochemotherapie, in Japan die adjuvante Chemotherapie und in Europa die perioperative Chemotherapie. Für die perioperative Chemotherapie konnte in mehreren Studien ein Überlebensvorteil gezeigt werden, dieses Konzept scheint also sinnvoll zu sein. Dennoch leben nach fünf Jahren nur noch 20 bis 30% der Patienten. Palliative Therapieansätze mit verschiedenen Chemotherapie-Schemata führten zu einem medianen Überleben von etwa 10 Monaten.
Da rund 22% aller Magentumoren HER2-positiv sind, ähnlich häufig wie bei Mammakarzinomen, bietet sich ein Ansatzpunkt für eine zielgerichtete Therapie mit dem HER2-Blocker Trastuzumab an. Deshalb wurden in der ToGA-Studie Wirkungen und Verträglichkeit von Trastuzumab bei Patienten mit inoperablem lokal fortgeschrittenem, rezidivierendem und/oder metastasiertem HER2-positivem Karzinom im Bereich des Magens oder gastroösophagealen Übergangs untersucht (siehe Arzneimitteltherapie 2010;28:32). Das Gesamtüberleben der Patienten wurde durch die zusätzliche Gabe von Trastuzumab signifikant von 11,1 auf 13,8 Monate verlängert (p=0,0046). Besonders eindrucksvoll war der Effekt bei den Patienten, die mit Immunhistochemie (IHC) 3+ oder IHC2+ und mit Fluoreszenz-In-situ-Hybridisierung (FISH) positiv auf den HER2-Rezeptor getestet worden waren, hier verlängerte sich das Gesamtüberleben von 11,8 auf 16,0 Monate, also um mehr als vier Monate. Für diese Gruppe von Patienten ist Trastuzumab nun von der Europäischen Kommission zugelassen worden.
Neues Scoring-System
Histologische Unterschiede zwischen Magen- und Mammakarzinomen machten ein neues HER2-Scoring-System für das Magenkarzinom erforderlich. Nur die Immunhistochemie ist als Primärtest zugelassen. Eine HER2-Überexpression wird durch alleiniges IHC3+ definiert oder durch IHC2+ mit einem zusätzlichen positiven FISH-Nachweis (Abb. 1).

Abb. 1. Neuer Algorithmus zur HER2-Diagnostik bei Patienten mit Magenkarzinom
Bis zum 30. Juni 2010 kann man den HER2-Status von Magenkarzinom- und GEJ-Patienten kostenfrei in fünf Referenzzentren (siehe Kasten) testen lassen.
Referenzzentren zur kostenfreien Testung des HER2-Status von Magenkarzinom- und GEJ-Patienten
Prof. Dr. M. Dietel, Berlin, manfred.dietel@charite.de
Prof. Dr. H. H. Kreipe, Hannover, kreipe.hans@mh-hannover.de
Prof. Dr. H. Höfler, München, hoefler@lrz.tum.de
Prof. Dr. J. Rüschoff, Kassel, rueschoff@patho-nordhessen.de
Prof. Dr. G. B. Baretton, Dresden, gustavo.baretton@uniklinikum-dresden.de
Quellen
Priv.-Doz. Dr. Markus Möhler, Mainz, Priv.-Doz. Dr. Salah-Eddin Al-Batran, Frankfurt, Pressekonferenz „Herceptin®: Die erfolgreiche Therapie jetzt auch bei Patienten mit metastasiertem Magenkrebs”, Frankfurt/Main, 17. Februar 2010, veranstaltet von der Roche Pharma AG.
Van Cutsem E, et al. Efficacy results from the ToGA trial: a phase III study of trastuzumab added to standard chemotherapy in first-line human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-positive advanced gastric cancer. Vortrag 45. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO), Orlando, 28. Mai bis 2. Juni 2009, J Clin Oncol 2009;27 (18s): LBA 4509.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(04)