Vasopressin-Rezeptorantagonisten bei Hyponatriämie


Tolvaptan als erster Vertreter eines neuen Therapieprinzips

Veröffentlicht am: 28.11.2019

Peter Gross, Dresden, und Susanne Heinzl, Reutlingen

Eine der häufigsten Serumelektrolytstörungen ist die Hyponatriämie (Serumnatriumkonzen- tration <136 mmol/l), die oft als Folge des Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) auftritt. Sie verursacht primär zerebrale Symptome wie Konzentrationsstörungen, Apathie, Lethargie, Desorientiertheit, Erbrechen, Schwindel und Übelkeit. Für die Behandlung der eu- und hypervolämischen Hyponatriäme befindet sich eine neue Substanzklasse in klinischer Entwicklung, die Vasopressin-Rezeptorantagonisten oder „Vaptane“. Mit Tolvaptan (Samsca®, Otsuka) ist seit September 2009 der erste Vertreter aus dieser Gruppe im Handel verfügbar.
Arzneimitteltherapie 2010;28:110–3.

Die Hyponatriämie gilt als eine häufige Elektrolytstörung. Ihre Inzidenz bei Krankenhauspatienten wird mit 7 bis 22% angegeben [1]. Eine Hyponatriämie liegt dann vor, wenn die Serumnatriumkonzentration unter 136 mmol/l sinkt. Die Symptome der Hyponatriämie werden häufig übersehen, es sind: Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Apathie, Lethargie, Appetitlosigkeit, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und in fortgeschrittenen Fällen Desorientiertheit und generalisierte Krämpfe. Der Schweregrad der Symptomatik hängt nicht nur vom Ausmaß der Hyponatriämie ab, sondern auch davon, ob eine akute Form vorliegt (<48 h Dauer; stärker ausgeprägte Symptomatik aufgrund von Hirnödem) oder eine chronische Hyponatriämie besteht (>48 h Dauer; kein Hirnödem, Patienten können weitgehend adaptiert sein und nur leichte Symptome haben) [1].

Während bei akuter schwerer Hyponatriämie (Serumnatrium <120 mmol/l, Dauer <36–48 h), die mit Bewusstseinstrübung oder Koma einhergeht, eine Therapie unabdingbar ist, besteht bei leichten bis moderaten chronischen Hyponatriämien (Serumnatrium 132–125 mmol/l, Dauer >36 h) eine gewisse Unsicherheit, ob eine Behandlung notwendig ist. Dies liegt vor allem daran, dass es bislang keine spezifische Therapie gibt, mit der eine Hyponatriämie adäquat korrigiert und damit entsprechende Symptome gebessert werden können [1].

Ursachen der Hyponatriämie

Die Hyponatriämie ist in erster Linie Folge einer Störung der Osmolalität, sie ist also auf einen relativen Wasserüber- schuss zurückzuführen [2]. Die Plasmaosmolalität wird normalerweise in einem engen Bereich konstant gehalten (280 bis 300 mosmol/kg). Diese präzise Regulation wird ermöglicht über Durst, Flüssigkeitszufuhr, Sekretion von antidiuretischem Hormon (ADH) und renale Wasserausscheidung. Störungen der Osmoregulation (Hypo-/Hypernatriämie) sind deshalb in erster Linie auf Veränderungen der ADH-Sekretion, des Durstmechanismus oder der renalen Ausscheidung von Wasser zurückzuführen. Hiervon ist die pathologisch vermehrte sogenannte nicht-osmotische ADH-Sekretion die häufigste Ursache der Hyponatriämie [2].

ADH (antidiuretisches Hormon, Adiuretin, Vasopressin) wird im Hypothalamus produziert und im Hypophysenhinterlappen gespeichert. Seine physiologische Wirkung besteht darin, nach Bindung an die V2-Vasopressinrezeptoren in den Sammelrohren der Nieren die Wasserresorption zu steigern.

Erhöhte Plasma-ADH-Konzentrationen treten bei verschiedenen klinischen Störungen wie fortgeschrittener Herzinsuffizienz, Leberzirrhose und Plasmavolumen- mangel auf [2]. Die vermehrte ADH-Sekretion wird dabei durch Barorezeptorsignale vermittelt. Auslöser der Barorezeptorsignale ist vermutlich der mangelnde Füllungszustand der arteriellen Zirkulation [1].

Die Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) ist dagegen auf eine primär gesteigerte ADH-Sekretion zurückzuführen. Beim SIADH wird ADH häufig direkt aus Tumorzellen, zum Beispiel paraneoplastisch beim kleinzelligen Bronchialkarzinom, freigesetzt [1].

Bei Hyponatriämie liegt immer auch ein gestörtes Durstempfinden vor. Obwohl die Patienten hyponatri- ämisch und damit meist auch hypoosmolar sind, bleibt paradoxerweise ihr Durst bestehen. Erst durch die Kombination aus ADH-Überschuss und Trinken werden sie hyponatriämisch [2]. Der Durst kann bei den Hyponatriämien mit Barorezeptorstimulation auf diese selbst zurückzuführen sein. Beim SIADH hingegen ist der anhaltende Durst unerklärt [1].

Eine weitere wichtige Ursache von Hyponatriämien ist die Dauertherapie mit Thiaziddiuretika. Schleifendiuretika verursachen dagegen nur sehr selten eine Hyponatriämie.

Klinische Formen der Hyponatriämie

Meist geht die Hyponatriämie mit einer Hypoosmolalität einher. Selten findet man gleichzeitig einer Hyperosmolalität, zum Beispiel bei unkontrolliertem Diabetes mellitus. Von Bedeutung sind folgende Formen der hypoosmolaren Hyponatriämie:

  • Hyponatriämien bei Herzinsuffizienz und Leberzirrhose (wegen der klinisch auffälligen Ödeme auch als „hypervolämische“ Hyponatriämie bezeichnet)
  • Hyponatriämie bei SIADH („euvolämische“ Hyponatriämie)
  • Hyponatriämie bei Plasmavolumenmangel (z.B. nach sehr starker Diarrhö; „hypovolämische“ Hyponatriämie) [1]

Bei allen Formen liegt die Urinosmolalität ADH-bedingt über 100 mosmol/kg. Die Nieren sind nicht in der Lage, maximal verdünnten Harn und damit überschüssiges Wasser auszuscheiden und so die Hyponatriämie zu korrigieren.

In der Therapie der Hyponatriämie hat die Entwicklung oraler V2- und V1a/V2-Vasopressin-Rezeptorantagonisten neue, spezifische und vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten eröffnet.

Vasopressin-Rezeptorantagonisten

Im Jahr 1992 gelang es erstmals, einen nichtpeptidischen, oral applizierbaren V2-Vasopressin-Rezeptorantagonisten, Mozavaptan, zu charakterisieren [1]. Seither wurden weitere nichtpeptidische oral applizierbare V2- und V1a/V2-Vasopressin-Rezeptorantagonisten entwickelt, wie Conivaptan (V1a/V2) oder die nur an V2-Rezeptoren wirkenden Substanzen Satavaptan, Lixivaptan oder Tolvaptan. Tolvaptan ist ein Benzazepin-Derivat (Abb. 1) und steht seit September 2009 als Samsca® im Handel zur Verfügung.

Abb. 1. Vasopressin-Rezeptorantagonist Tolvaptan (Samsca®, Otsuka)

Pharmakologie von Tolvaptan

Pharmakodynamik

Tolvaptan ist ein selektiver Vasopressin-V2-Rezeptorantagonist mit einer 1,8-fach größeren Affinität zum V2-Rezeptor als natives Arginin-Vasopressin. Die Affinität von Tolvaptan zum V2-Rezeptor ist 29-fach stärker als zum V1a-Rezeptor [3].

Bei oraler Verabreichung antagonisieren 15 bis 60 mg Tolvaptan die Wirkung von Vasopressin und führen zu einer Zunahme der Wasserausscheidung mit dem Harn, also zu einer verstärkten Aquarese, die wiederum zu verringerter Osmolalität des Urins und erhöhten Serumnatriumkonzentrationen führt. Die Ausscheidung von Natrium- und Kaliumionen mit dem Harn und die Kaliumionenkonzentration im Serum sind nicht signifikant verändert.

Weil sie eine Diurese ohne gleichzeitige Verstärkung der Elektrolytausscheidung induzieren, werden V2-Rezeptor- antagonisten wie Tolvaptan auch als Aquaretika bezeichnet [3].

Innerhalb von 2 Stunden nach oraler Verabreichung von Tolvaptan in Dosen von 15 bis 120 mg kam es zu einer signifikanten Zunahme der Harnausscheidung. Das 24-Stunden-Urinvolumen nahm dosisabhängig zu. Nach oralen Einzeldosen von 15 bis 60 mg kehrten die Harnausscheidungsraten nach 24 Stunden wieder auf die Ausgangswerte zurück. Wesentlich höhere Dosen von Tolvaptan erzeugen länger anhaltende Reaktionen, ohne die Ausscheidungsmenge zu beeinflussen, da über längere Zeit aktive Konzentrationen von Tolvaptan vorliegen.

Pharmakokinetik

Die Pharmakokinetik von Tolvaptan ist bei Dosierungen von 15 bis 60 mg linear.

Nach oraler Gabe wird Tolvaptan im Magen-Darm-Trakt resorbiert, die absolute Bioverfügbarkeit liegt bei 56%. Plasmaspitzenspiegel sind nach etwa 2 Stunden erreicht. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme hat keinen Einfluss auf die Plasmakonzentration.

Die reversible Bindung an Plasmaproteine ist mit 98% hoch. Tolvaptan wird umfangreich von der Leber verstoffwechselt, und zwar bevorzugt über Cytochrom P450 (CYP) 3A. Weniger als 1% des intakten Wirkstoffs werden unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Bei Versuchen mit radioaktiv markiertem Tolvaptan wurden 40% der Radioaktivität im Urin wiedergefunden, während 59% mit den Fäzes ausgeschieden wurden, wo unverändertes Tolvaptan 32% der Radioaktivität ausmachte. Die terminale Eliminationshalbwertszeit liegt bei etwa 8 Stunden [4–6].

Die Clearance von Tolvaptan wird vom Alter nicht signifikant beeinflusst [4].

In einer Analyse zur Gruppenpharmakokinetik bei Patienten mit Herzinsuffizienz unterschieden sich die Konzentrationen von Tolvaptan bei Patienten mit leichter (Creatinin-Clearance 50 bis 80 ml/min) oder mittelschwerer (Creatinin-Clearance 20 bis 50 ml/min) Niereninsuffizienz nicht signifikant von den Konzentrationen von Tolvaptan bei Patienten mit normaler Nierenfunktion (Creatinin-Clearance 80 bis 150 ml/min). Die Wirksamkeit und Sicherheit von Tolvaptan bei Patienten mit einer Creatinin-Clearance <10 ml wurde noch nicht untersucht und ist daher unbekannt [4].

Die Wirkung einer leicht oder mäßig eingeschränkten Leberfunktion (Child-Pugh-Stadien A und B) auf die Pharma- kokinetik von Tolvaptan wurde an 87 Patienten mit Lebererkrankungen verschiedener Ursachen untersucht. Für Dosen im Bereich von 5 bis 60 mg wurden keine klinisch signifikanten Veränderungen der Clearance beobachtet. Bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz (Child-Pugh-Stadium C) liegen nur in sehr begrenztem Umfang Informationen vor [4].

Wirkungen bei Hyponatriämie

In zwei zulassungsrelevanten, Plazebo-kontrollierten, klinischen Doppelblindstudien (SALT-1 und SALT-2 – Study of ascending levels of tolvaptan in hyponatremia) wurden Patienten mit euvolämischer oder hypervolämischer Hyponatriämie (Serumnatrium <135 mmol/l) aufgrund verschiedener Grundursachen (unter anderem Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) 30 Tage mit Tolvaptan (n=225) oder Plazebo (n=223) in einer Anfangsdosis von 15 mg/Tag behandelt. Die Dosis konnte in Abhängigkeit vom Ansprechen unter Verwendung eines 3-Tage-Titrationsschemas auf 30 und 60 mg/Tag erhöht werden. Die mittlere Serumnatriumkonzentration bei Aufnahme in die Studie betrug 129 mmol/l (Bereich 114 bis 136).

Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der Serumnatriumkonzentration von der Ausgangswert-Erhebung bis Tag 4 und bis Tag 30, gemessen anhand der durchschnittlichen täglichen AUC (area under the curve; Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve – hier von Natrium im Serum). Tolvaptan war Plazebo in beiden Studien in beiden Zeiträumen überlegen (p<0,0001) (Abb. 2). Diese Wirkung zeigte sich bei allen Patienten, in den Untergruppen mit schwerer (Serumnatrium: <130 mmol/l) und leichter (Serumnatrium: 130 bis <135 mmol/l) Erkrankung und in den Untergruppen aller Krankheitsätiologien (z.B. Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, SIADH). Sieben Tage nach Ende der Behandlung fielen die Natriumwerte auf die Spiegel der mit Plazebo behandelten Patienten [7].

Abb. 2. Wirkungen von Tolvaptan 15 mg bis 60 mg/Tag bei Patienten mit euvolämischer oder hypervolämischer Hyponatriämie [7]. Tolvaptan war Plazebo in beiden Zeiträumen bei allen Patienten sowie in den Untergruppen mit schwerer (Serumnatrium <130 mmol/l) und leichter (Serumnatrium 130 bis <135 mmol/l) Hyponatriämie überlegen (p<0,0001). AUC: Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve, hier von Natrium im Serum

Die gepoolte Auswertung der beiden Studien ergab, dass sich nach dreitägiger Behandlung bei fünfmal mehr Tolvaptan-Patienten die Serumnatriumkonzentrationen normalisierten als bei Plazebo-Patienten (49% vs. 11%). Diese Wirkung setzte sich bis Tag 30 fort, an dem mehr Tolvaptan- als Plazebo-Patienten noch immer normale Konzentrationen aufwiesen (60% versus 27%). Die Effekte zeigten sich bei den Patienten unabhängig von der Grunderkrankung. Die Ergebnisse des mit dem SF-12 Health Survey für mentale Scores selbst beurteilten Gesundheitszustands zeigten statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserungen für Tolvaptan im Vergleich zu Plazebo [7].

Die Daten zur Langzeitsicherheit und -wirksamkeit von Tolvaptan wurden über bis zu 106 Wochen in einer offenen klinischen Studie (SALTWATER – Safety and sodium assessment of long-term tolvaptan with hyponatremia: A year-long, open-label trial to gain experience under real-world conditions) mit Patienten, die zuvor eine der zulassungsrelevanten Hyponatriämie-Studien abgeschlossen hatten, gesammelt. Insgesamt begannen 111 Patienten in der offenen Verlängerungsstudie mit der Behandlung mit Tolvaptan, unabhängig von ihrer vorherigen Randomisierung. Verbesserungen der Serumnatriumkonzentrationen zeigten sich schon am ersten Tag nach Verabreichung der Dosis und hielten in Untersuchungen während der Behandlung bis Woche 106 an. Bei Abbruch der Behandlung sanken die Serumnatriumkonzentrationen etwa auf die Ausgangswerte [4].

Sicherheit und Verträglichkeit

Die aufgrund der Pharmakodynamik vorhersagbaren am häufigsten berichteten unerwünschten Wirkungen sind Durst, Mundtrockenheit und Pollakisurie.

Nebenwirkungen, die in klinischen Studien bei Patienten mit Hyponatriämie beobachtet wurden, sind in Tabelle 1 zusammengefasst [4].

Zur Wirkung in Schwangerschaft und Stillzeit liegen keine ausreichenden Daten vor. Deshalb ist Tolvaptan hier kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter müssen für einen ausreichenden Empfängnisschutz sorgen [4].

Tab. 1. Nebenwirkungen, die mit Tolvaptan in klinischen Studien bei Patienten mit Hyponatriämie beobachtet wurden [4]

Sehr häufig

Häufig

Gelegentlich

Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen

Polydipsie
Dehydratation
Hyperkaliämie

Hyperglykämie

Verminderter
Appetit

Nervensystem

Dysgeusie

Gefäße/
Kreislauf

Orthostatische
Hypotonie

Gastrointestinaltrakt

Übelkeit

Obstipation
Mundtrockenheit

Haut

Ekchymosis
Pruritus

Nieren und Harnwege

Pollakisurie
Polyurie

Wechselwirkungen

Tolvaptan wird in der Leber hauptsächlich über CYP3A4 verstoffwechselt. Bei gleichzeitiger Gabe von CYP3A4-Hemmern oder -Induktoren ist deshalb Vorsicht geboten. So steigen die Plasmakonzentrationen nach Gabe starker CYP3A4-Hemmer wie Ketoconazol, Makrolid-Antibiotika, Diltiazem oder Grapefruitsaft. Patienten, die Tolvaptan nehmen, sollten auf Grapefruitsaft verzichten [4].

Bei gleichzeitiger Gabe von Induktoren wie Rifampicin oder Barbituraten kann die Plasmakonzentration von Tolvaptan um bis zu 87% (AUC) verringert werden.

Tolvaptan hat als CYP3A4-Substrat keine Wirkung auf die Plasmakonzentrationen einiger anderer CYP3A4-Substrate wie Warfarin oder Amiodaron gezeigt. Die Plasmaspiegel von Lovastatin wurden allerdings um das 1,3- bis 1,5-Fache erhöht. Dieser Anstieg hat zwar klinisch keine Bedeutung, er zeigt jedoch, dass Tolvaptan die Exposition gegenüber CYP3A4-Substraten erhöhen kann [4].

Die Steady-State-Konzentrationen von Digoxin waren bei gleichzeitiger Verabreichung mit mehreren Tolvaptan-Dosen von 60 mg täglich erhöht. Patienten, die Digoxin erhalten, sollten deshalb bei Behandlung mit Tolvaptan auf verstärkte Digoxin-Wirkungen untersucht werden [4].

Indikation, Dosierung, Handhabung und Therapiekosten

Indikation

Tolvaptan ist zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit Hyponatriämie als Folge des Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH).

Dosierung

Die Behandlung mit Tolvaptan sollte im Krankenhaus eingeleitet werden, weil eine Dosistitrationsphase mit engmaschiger Überwachung des Serumnatriumspiegels erforderlich ist [4].

Die Behandlung mit Tolvaptan soll mit einer Dosis von 15 mg einmal täglich begonnen werden. Die Einnahme der Tabletten erfolgt vorzugsweise morgens, unabhängig von den Mahlzeiten. Sie müssen unzerkaut mit einem Glas Wasser eingenommen werden. Die Dosis kann je nach Verträglichkeit auf maximal 60 mg einmal täglich erhöht werden, um den gewünschten Serumnatriumspiegel zu erreichen. In der Titrationsphase sind Serumnatrium und Volumenstatus der Patienten sorgfältig zu überwachen. Falls der Serumnatriumspiegel nicht ausreichend steigt, sind andere Behandlungsoptionen statt Tolvaptan oder zusätzlich zu Tolvaptan in Erwägung zu ziehen. Bei Patienten mit angemessenem Anstieg des Serumnatriumspiegels sind die Grunderkrankung und der Serumnatriumspiegel regelmäßig zu überwachen, um die Notwendigkeit einer fortgesetzten Behandlung mit Tolvaptan bewerten zu können. Bei Hyponatriämie hängt die Behandlungsdauer von der Grunderkrankung und ihrer Behandlung ab. Es wird davon ausgegangen, dass die Behandlung mit Tolvaptan so lange dauert, bis die Grunderkrankung angemessen behandelt wurde oder bis die Hyponatriämie kein klinisches Problem mehr ist [4].

Handhabung

Die Patienten sollten Zugang zu Wasser haben und in der Lage sein, Wasser in ausreichender Menge zu trinken. Der Harnabgang muss sichergestellt sein. Patienten mit partieller Harnabflussbehinderung weisen ein erhöhtes Risiko für eine akute Retention auf [4].

Kosten der Therapie

Eine Packung mit 10 Tabletten Samsca® zu 15 mg kostet 1152,97 Euro. Der sehr hohe Preis dürfte einem breiteren Einsatz der Substanz im Wege stehen.

Zusammenfassung, Bewertung und Fazit

Das Präparat bessert störende Symptome einer Hyponatriämie schneller und zuverlässiger als alle anderen Maßnahmen. Solche Symptome sind Verwirrtheit, Somnolenz, Konzentrationsstörungen, Gleichgewichtsstörungen und Fallneigung sowie gestörte Feinmotorik zum Beispiel der Hände. Das Medikament bedeutet für Betroffene eine große Erleichterung, weil die sonst erforderliche (unangenehme) Flüssigkeitsrestriktion entfallen kann. Derartige symptomatische Hyponatriämien gibt es gelegentlich bei ambulanten Patienten mit SIADH, häufiger jedoch stationär in der onkologischen Tumortherapie, besonders bei erforderlichen Begleitinfusionen, in der Strahlentherapie, auf traumatologischen Stationen (Fraktur bei Hyponatriämie-bedingtem Sturz), in der Neurologie und in der Psychiatrie. Der unerwartet hohe Preis wird allerdings Schwierigkeiten bei der Anwendung des Medikaments nach sich ziehen.

Literatur

1. Palm C, Gross P. Hyponatriämie und Vaptane. Nephrologe 2008;3:375–83.

2. Gross P, Ketteler M, Hausmann C, Reinhard C, et al. Role of diuretics, hormonal derangements, and clinical setting of hyponatremia in medical patients. Klin Wochenschr 1988;66:662–9.

3. Costello-Boerrigter LC, Boerrigter G, Burnett JC. Pharmacology of vasopressin antagonists. Heart Failure Rev 2009;14:75–82.

4. http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/samsca/H-980-PI-de.pdf. (Zugriff am 15. Dezember 2009)

5. Rangasetty UC, Gheorghiade M, Uretsky BF, Orlandi C, et al. Tolvaptan: a selective vasopressin type 2 receptor antagonist in congestive heart failure. Exp Opin Invest Drugs 2006;15:533–40.

6. Shoaf SE, Wang Z, Bricmont P, Mallikaarjun S. Pharmacokinetics, pharmacodynamics, and safety of tolvaptan, a nonpeptide AVP antagonist, during ascending single-dose studies in healthy subjects. J Clin Pharmacol 2007;47:1498–507.

7. Schrier RW, Gross P, Gheorghiade M, Berl T, et al. Tolvaptan, a selective oral vasopressin V2-receptor antagonist, for hyponatremia. N Engl J Med 2006;355:2099–112.

Prof. Dr. med. Peter Gross, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Medizinische Klinik III, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, E-Mail: peter.gross@uniklinikum-dresden.de Dr. rer. nat. Susanne Heinzl, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Aulberstr. 8, 72764 Reutlingen, E-Mail: sh@medpharm-text.de

Arzneimitteltherapie 2010; 28(04)