Personalisierte Therapie des NSCLC

REASON sammelt Daten zu EGFR-Mutationen bei Kaukasiern


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) mit positivem EGFR-Mutationsstatus profitieren von der Behandlung mit EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Gefitinib. Um die Daten zur Prävalenz dieser Mutationen beim NSCLC sowie über die Zusammenhänge zwischen EGFR-Mutation und klinisch-pathologischen Eigenschaften der Patienten für kaukasische Patienten zu erhalten, wurde die REASON-Studie initiiert. Sie wurde im Dezember 2009 bei einem Pressegespräch der Firma AstraZeneca in Hamburg vorgestellt.

Die Entwicklung von „targeted therapies“ hat das onkologische Therapiearsenal bereichert. Mit diesen Medikamenten wird gezielt in die Pathomechanismen eingegriffen, die Krebszellen wachsen und streuen lassen. Ein Angriffspunkt ist der epidermale Wachstumsfaktor bzw. sein Rezeptor (EGFR). Eine EGFR-aktivierende Mutation in einer Krebszelle ist ein Schlüsselereignis, das die Zelle von der physiologischen EGFR-Regulation entkoppelt und so das Tumorzellwachstum, die Bildung von angiogenetischen Faktoren sowie die Metastasierung fördert und die Apoptose hemmt. Patienten, deren Tumoren aktivierende Mutationen der EGFR-Tyrosinkinase-Domäne aufweisen, sprechen auf die Behandlung mit EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren an. So ist der kleinmolekulare EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor Gefitinib (Iressa®) bei Patienten mit einer EGFR-Tyrosinkinase-Mutation im Lungentumorgewebe wirksam und zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit aktivierenden Mutationen der EGFR-Tyrosinkinase in allen Therapielinien zugelassen. Bei Patienten mit Tumoren ohne EGFR-Mutation zeigt Gefitinib dagegen keine klinisch relevante Aktivität.

Die Gefitinib-Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC erfolgt daher personalisiert, das heißt, vor Beginn der Therapie sollte der EGFR-Mutationsstatus untersucht werden (siehe Kasten). Bei positivem Resultat darf mit einer guten Ansprechrate auf den EGFR-Tyrosinkinasehemmer gerechnet werden: Eine aktuelle Subgruppenanalyse der IPASS-Studie (Iressa pan-Asia study), in der Daten von asiatischen Lungenkarzinom-Patienten ausgewertet wurden, sprachen 71% der Patienten mit einem positiven EGFR-Mutationsstatus auf Gefitinib an im Vergleich zu 1% ohne Mutation.

Bestimmung des EGFR-Mutationsstatus

Bei der molekularpathologischen Untersuchung auf diesen wichtigen Therapieprädiktor wird nach Mutationen im EGFR-Gen in der Region der Tyrosinkinase-Domäne (Exons 18, 19 und 21) gesucht. Dabei handelt es sich um Missense-Mutationen, Deletionen und In-Frame-Insertionen. Die Durchführung des Mutationstests ist aufwendig: Um die Zahl falsch-negativer Resultate zu reduzieren, darf die Mutationsanalyse nämlich nur mit Tumorzellen durchgeführt werden. Da in histologischen Proben aber auch viel „normales“ Gewebe vorliegt, muss vor der DNS-Sequenzierung eine mikroskopische Tumorzell-Markierung (Mikrodissektion) vorgenommen werden. Die markierten Tumorzellen werden dann aus den Gewebeproben, beispielsweise per Laser, herausgeschnitten, die DNS wird isoliert und routinemäßig in den Exons 18, 19 und 21 auf die Mutationen untersucht.

Die EGFR-Mutationsanalyse sollte ausschließlich in einem dafür zertifizierten Institut durchgeführt werden. Dies ist in Deutschland mittlerweile flächendeckend möglich: Ende 2009 waren 39 Institute nach Abschluss von Ringversuchen zertifiziert, inzwischen sind es 56.

Registerstudie REASON gestartet

Auch das Wissen über Zusammenhänge zwischen spezifischen klinisch-pathologischen Eigenschaften von Patienten und dem EGFR-Mutationsstatus als prädiktivem Biomarker für den Nutzen einer Gefitinib-Therapie basiert bisher überwiegend auf den Daten asiatischer Patienten. Danach sind Patienten mit Adenokarzinom besonders häufig von der Mutation betroffen. Auch bei Patienten, die nie geraucht haben, finden sich gehäuft EGFR-Mutationen als Tumorursache.

Ob diese Daten ohne weiteres auf Patienten kaukasischer Abstammung übertragen werden können, ist unklar. Deshalb wurde jetzt die nichtinterventionelle Registerstudie REASON (Registry for epidemiological and scientific evaluation of EGFR mutation status in patients with newly diagnosed stage IIIB/IV NSCLC patients in Germany) gestartet. Primäres Studienziel der epidemiologischen Studie ist die Erfassung des EGFR-Mutationsstatus bei kaukasischen Patienten mit NSCLC im Stadium IIIB/IV und die Korrelation mit klinisch-pathologischen Charakteristika. Daneben werden unter anderem auch pharmakoökonomische Fragestellungen zur Kostenstruktur der weiteren Behandlung untersucht.

Die vorgesehenen 6000 NSCLC-Patienten sollen bis Ende Oktober 2011 in rund 130 Zentren in Deutschland – zurzeit 112 Krankenhäuser mit pneumoonkologischem Schwerpunkt und 22 onkologische Praxen – aufgenommen werden. Über 1000 Patienten sind bereits rekrutiert (Stand Juni 2010). Die Ergebnisse von REASON sollen dann dazu beitragen, die Entscheidung zum diagnostischen Vorgehen bei Patienten mit einem NSCLC in fortgeschrittenem Stadium zu erleichtern und die Therapie dieser Patienten mehr als bisher zu individualisieren.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang Schütte, Halle, Prof. Dr. med. Manfred Dietel, Berlin, Pressekonferenz „Onkologische Versorgungsforschung in Deutschland: REASON und COMPACT“, veranstaltet von der Firma AstraZeneca, Hamburg, 17. Dezember 2009.

Arzneimitteltherapie 2010; 28(07)