Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) im Kindes- und Jugendalter ist sicherlich eine seltene Erkrankung. Die häufigsten Formen sind die idiopathische und die hereditäre pulmonal-arterielle Hypertonie sowie die pulmonal-arterielle Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern. Ausgehend von den Daten des Euro Heart Surveys leben in Deutschland etwa 9000 Erwachsene mit einer pulmonal-arteriellen Hypertonie auf dem Boden eines angeborenen Herzfehlers. Bei Kindern mit einer pulmonal-arteriellen Hypertonie dürfte in etwa 50% der Fälle ein angeborener Herzfehler die Ursache sein, und zwar unabhängig davon, ob der Herzfehler operativ korrigiert wurde oder nicht.
Komplexe Pathophysiologie
Die Pathophysiologie der pulmonal-arteriellen Hypertonie auf dem Boden eines angeborenen Herzfehlers ist komplex. Dabei spielen sowohl Druck- als auch Volumenbelastungen die entscheidende Rolle. Diese Faktoren führen zu einer initialen Störung der pulmonalen endothelialen Funktion und diese wiederum zu einer Störung der Balance zwischen vasodilatatorischen (NO, Prostacyclin) und vasokonstriktorischen Faktoren (Endothelin, Thromboxan, Angiotensin II) sowie zu einer Zellproliferation, einer gestörten Apoptose und einer veränderten Wechselwirkung von Endothelzellen und glatten Muskelzellen. Folge ist eine inflammatorische Gefäßwandschädigung mit konsekutiver Thrombozytenaggregation, was zu einer weiteren Störung der Lungenperfusion führt. Darüber hinaus entstehen bei angeborenen Herzfehlern auch vermehrt Scherkräfte am Gefäßendothel, die die pulmonale Vaskulopathie verstärken.
Folgen dieser pathogenetischen Mechanismen sind eine Zunahme des pulmonalen Gefäßwiderstands und schließlich die Shuntumkehr, das sogenannte Eisenmenger-Syndrom.
Bei Kindern kann bereits eine milde pulmonale Vaskulopathie mit geringer pulmonaler Widerstandserhöhung und normalen pulmonal-arteriellen Drücken zu einer erheblichen klinischen Beeinträchtigung führen. Ziel einer pathophysiologisch orientierten Therapie sollte es sein, neben einer Vasodilatation auch die gesteigerte Proliferation und Inflammation im pulmonalen Gefäßsystem günstig zu beeinflussen.
Verzögerte Diagnosestellung
Vom Beginn der ersten Beschwerden bis zur endgültigen Diagnosesicherung einer pulmonal-arteriellen Hypertonie vergehen im Durchschnitt 2,5 Jahre. Die entscheidende Ursache für die verzögerte Diagnosestellung ist die Tatsache, dass die Symptomatik meist unspezifisch ist. Die betroffenen Kinder leiden zunächst an langsam zunehmender Luftnot bei körperlicher Anstrengung, rascher Ermüdbarkeit und verminderter Leistungsfähigkeit. Gelegentlich ist auch ein obstruktiver Husten das Initialsymptom, so dass nicht selten die Fehldiagnose Asthma bronchiale gestellt wird. Erst bei fortgeschrittener pulmonal-arterieller Hypertonie kommt es zum Rechtsherzversagen mit peripheren Ödemen, Aszites und Pleuraergüssen. Dann finden sich auch im EKG Zeichen der rechtsventrikulären Hypertrophie.
Die wichtigste Untersuchungsmethode bei der Diagnostik einer pulmonal-arteriellen Hypertonie ist die Echokardiographie. Sie ermöglicht die Diagnosestellung auf nichtinvasivem Weg und zugleich die Erkennung oder den Ausschluss angeborener oder erworbener Herzfehler. Soweit möglich, sollte auch ein 6-Minuten-Gehtest durchgeführt werden, um die Belastbarkeit objektiv beurteilen zu können. Die Bestimmung von BNP (Brain natriuretic peptide) bzw. NT-proBNP (N-terminales proBNP) ist sinnvoll zur Verlaufsbeurteilung und Prognoseabschätzung.
Bosentan bei Kindern
Bei der Therapie von Kindern mit pulmonal-arterieller Hypertonie werden in Ermangelung gesicherter Daten meist Erfahrungen aus der Erwachsenenmedizin auf diese Altersgruppe übertragen. Bei der Behandlung von Kindern mit der für Erwachsene zugelassenen Darreichungsform von Bosentan in einer Dosierung von 2 mg/kg Körpergewicht (KG) 2-mal täglich resultieren im Vergleich zu Erwachsenen etwa 50% niedrigere Plasmakonzentrationen [1, 2].
Im Rahmen der prospektiven, offenen, nicht kontrollierten FUTURE-1-Studie (FUTURE: Pediatric formulation of bosentan in pulmonary artery hypertension) wurden Pharmakokinetik, Sicherheit und klinische Daten zur Wirksamkeit einer neu entwickelten dispergierbaren Tablette, die sich vierteln lässt, untersucht. Eingeschlossen waren 36 Kinder ≥2 und <12 Jahre, die an einer idiopathischen oder hereditären pulmonal-arteriellen Hypertonie im NYHA-Stadium II oder III litten. Kinder <30 kg KG erhielten zunächst 4 Wochen lang 2-mal täglich 2 mg Bosentan/kg, anschließend erfolgte eine Dosiserhöhung auf eine Erhaltungsdosis von 2×4 mg/kg für weitere 8 Wochen. Bei Kindern >30 kg KG betrug die Initialdosis 2×64 mg/kg/Tag und die Erhaltungsdosis 2×120 mg/kg/Tag. An die 12-wöchige Studie schloss sich eine Verlängerungsstudie (FUTURE-2) mit einem Beobachtungszeitraum von 24 Monaten an.
FUTURE-1 ergab, dass die unter 2 und 4 mg/kg KG erreichten Bosentan-Plasmakonzentrationen ähnlich waren, die Erhöhung der Dosierung also keine höhere Bosentan-Exposition zur Folge hatte.
In Woche 12 waren 20 der 23 Patienten im NYHA-Stadium II im Vergleich zum Ausgangswert stabil. Zwei Patienten verbesserten sich und erreichten das NYHA-Stadium I, einer verschlechterte sich. Bei keinem der 12 Patienten im NYHA-Stadium III wurde eine Verschlechterung beobachtet, drei Patienten verbesserten sich hin zum NYHA-Stadium II. Die Werte bezüglich der Lebensqualität waren sowohl im physischen als auch im psychologischen Bereich unverändert. Nach 24 Monaten hatte sich der klinische Gesamteindruck nach Einschätzung der Eltern bei 18 Kindern, nach Einschätzung der Ärzte bei 15 Kindern verbessert. Eine Verschlechterung wurde bei drei bzw. zwei Kindern beobachtet. Die übrigen Kinder waren über den Beobachtungszeitraum stabil. Die Überlebensrate nach 24 Monaten betrug 91%.
Bezüglich Sicherheit und Verträglichkeit waren die Ergebnisse der beiden FUTURE-Studien vergleichbar mit den Daten von erwachsenen Patienten. Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Atemwegsinfekte (25%), gastrointestinale Schmerzen (11%) und Erbrechen (8%). Eine Erhöhung der Transaminasen über das 3-Fache des oberen Normwerts fand sich bei einem Kind. Sechs Kinder beendeten die Studie vorzeitig wegen Verschlechterung oder einer Autoimmunhepatitis. Während der FUTURE-1-Studie verstarb ein Kind, während der FUTURE-2-Studie zwei weitere Kinder.
Auf der Basis der FUTURE-1-Studie wurde eine neue kindgerechte suspendierbare Darreichungsform zugelassen, und zwar mit einer Dosierungsempfehlung von 2-mal täglich 2 mg/kg Körpergewicht [1, 3, 4].
Zulassung zur Behandlung der PAH bei Patienten mit Eisenmenger-Syndrom
Die meisten Erfahrungen bei der Therapie von Kindern mit pulmonal-arterieller Hypertonie auf dem Boden angeborener Herzfehler liegen für den Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan vor. Auch ist diese Substanz die einzige, die für solche Patienten explizit zugelassen ist. Basis dieser Zulassung sind die Ergebnisse kontrollierter randomisierter Studien bei erwachsenen Patienten mit einer pulmonal-arteriellen Hypertonie auf dem Boden eines angeborenen Herzfehlers (BREATHE-5-Studie) und eine interventionelle offene Studie mit Kindern mit idiopathischer pulmonal-arterieller Hypertonie oder pulmonal-arterieller Hypertonie bei angeborenen Herzfehlern (BREATHE-3-Studie) [5, 6]. Inzwischen existieren auch erste Langzeitdaten für Bosentan bei Patienten mit Eisenmenger-Syndrom. Während einer 4- bis 10-monatigen Therapie mit dieser Substanz kam es zu einer Verbesserung der körperlichen Belastungsfähigkeit und einer Verbesserung der NYHA-Klasse [7]. Nach retrospektiven Datenanalysen dürfte eine längerfristige Therapie über im Mittel bis zu vier Jahre auch zu einer Verbesserung der Überlebenszeit dieser Patienten führen. Daten aus kontrollierten Studien signalisieren, dass auch bei diesen Patienten eine Kombinationstherapie vorteilhaft sein könnte.
Fazit
Die pulmonal-arterielle Hypertonie bei Kindern ist eine seltene, schwerwiegende und progredient verlaufende Erkrankung, die sowohl die Lebensqualität als auch die Prognose quoad vitam stark beeinträchtigt. Die häufigste Ursache sind angeborene Herzfehler. Entscheidend für die Prognose sind eine frühzeitige Diagnosestellung und eine daraus resultierende frühzeitige Therapieeinleitung. Die meisten Erfahrungen bei diesem Krankheitsbild liegen für den Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan vor. Dieser Arzneistoff ist als einziger explizit zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie bei Eisenmenger-Syndrom und zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie bei Kindern ab zwei Jahre zugelassen. Die Daten der FUTURE-Studien sprechen dafür, dass mit Bosentan eine Verbesserung der Lebensqualität und des Langzeitüberlebens erreicht werden kann.
Quellen
1. Priv.- Doz. Johannes Breuer, Bonn, Priv.- Doz. Christian Apitz, Gießen, Dr. Oliver Niera, Berlin, Dr. Siegrun Mebus, München; Symposium „Standortbestimmung und Perspektive: PAH bei Kindern und Jugendlichen“, veranstaltet von Actelion Pharmaceuticals Deutschland GmbH im Rahmen der 42. DGPK Jahrestagung, Weimar, 3. Oktober 2010.
2. Barst RJ, et al. Pharmacokinetics safety and efficacy of bosentan in pediatric patients with pulmonary arterial hypertension. Clin Pharmacol Ther 2003;73:372–82.
3. Beghetti M, et al. Pharmacokinetic and clinical profile of a novel formulation of bosentan in children with pulmonary arterial hypertension: the FUTURE-1 study. Br J Clin Pharmacol 2009;68:948–55.
4. Beghetti M. Bosentan in pediatric patients with pulmonary arterial hypertension. Curr Vasc Pharmacol 2009;7:225–33.
5. Dimopoulos K, et al. Improved survival among patients with Eisenmenger syndrome receiving advanced therapy for pulmonary arterial hypertension. Circulation 2010;121:20–5.
6. Galiè N, et al. Bosentan therapy in patients with Eisenmenger syndrome: a multicenter, double-blind, randomized, placebo-controlled study. Circulation 2006;114:48–54.
7. Gatzoulis MA, et al. Longer-term bosentan therapy improves functional capacity in Eisenmenger syndrome: Results of the BREATHE-5 open label extension study. Int J Cardiol 2008;127:27–32.
Arzneimitteltherapie 2010; 28(12)