Tuberöse Sklerose

Erweitert Everolimus die therapeutischen Möglichkeiten?


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Die tuberöse Sklerose ist eine komplexe Systemerkrankung, die in fast allen Organen zu Fehlbildungen führen kann. Die derzeitige Behandlung ist in erster Linie symptomatisch orientiert. Mit Everolimus liegen aus einer Phase-II-Studie ermutigende Ergebnisse vor. Die Einsatzmöglichkeiten des mTOR-Hemmers werden nun in zwei Phase-III-Studien weiter untersucht, wie bei einer Pressekonferenz von Novartis Oncology berichtet wurde.

Pro Jahr kommen in Deutschland etwa 100 Kinder mit tuberöser Sklerose zur Welt. Derzeit sind von der Erkrankung im Land schätzungsweise 10000 Personen betroffen. Abhängig vom Alter werden typische Veränderungen und Symptome in verschiedenen Organen gesehen. So können Rhabdomyome als kardiale Manifestation bei erkrankten Kindern bereits im Mutterleib festgestellt werden, während sich Angiomyolipome in den Nieren vorwiegend im Jugendlichen- und Erwachsenenalter entwickeln. Vorwiegend bei erwachsenen Frauen tritt an der Lunge die Lymphangioleiomyomatose auf. Aus subependymalen Knötchen im Gehirn, die bereits beim Neugeborenen vorliegen können, entwickeln sich bei einem Teil der Patienten subependymale Riesenzellastrozytome (SEGAs), die das Sehvermögen beeinträchtigen und zu neurologischen Störungen führen können. Schon im Kindesalter können starke, schwer zu behandelnde Epilepsien auftreten. In der Pubertät werden häufig dermatologische Symptome wie Angiofibrome im Bereich von Nase und Wangen beobachtet. Derzeit ist die Behandlung primär symptomorientiert.

mTOR-Hemmung als neuer Therapieansatz

Bei vielen Patienten mit tuberöser Sklerose ist durch genetische Veränderungen der mTOR-Signalweg dauerhaft und übermäßig aktiviert. Daher wurde untersucht, ob mTOR-Hemmer wie Everolimus ein wirksamer Therapieansatz sein könnten. In einer einarmigen Phase-II-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Everolimus bei 28 Patienten mit subependymalen Riesenzellastrozytomen (TS SEGA) untersucht. Primäre Endpunkte waren die Änderung des SEGA-Volumens und die Verträglichkeit von Everolimus. Ein sekundärer Endpunkt war die Rate von Krampfanfällen. Everolimus wurde so dosiert, dass ein Plasmaspiegel von 5 bis 15 ng/ml erreicht wurde. Die mediane Behandlungsdauer betrug 21,5 Monate (4,7–34,4 Monate).

Nach sechs Monaten konnte eine signifikante Reduktion (p<0,001) des SEGA-Volumens gesehen werden, bei 75% der Patienten (n=21) wurde das Volumen um mindestens 30%, bei 32% der Betroffenen (n=9) um mindestens 50% reduziert. Während der Behandlung musste kein Patient chirurgisch versorgt werden. Darüber hinaus konnte die Häufigkeit von Krampfanfällen signifikant verringert werden (p=0,02).

Everolimus war im Allgemeinen gut verträglich. Nebenwirkungen waren meist leicht bis mäßig schwer. Grad-4-Nebenwirkungen traten nicht auf. Am häufigsten kam es zu Stomatitiden, Sinusitiden und Infektionen der oberen Atemwege, jeweils vom Schweregrad 1 oder 2.

Aufgrund der Ergebnisse dieser Studie wurde Everolimus durch die FDA für die Behandlung von Patienten mit tuberöser Sklerose zugelassen, bei denen keine kurative chirurgische SEGA-Resektion möglich ist. In Europa ist die Zulassung beantragt.

Phase-III-Studien EXIST

Seit April 2009 laufen zwei weitere doppelblinde und randomisierte, internationale Phase-III-Studien: in der EXIST-1-Studie (Examining everolimus in a study of TS) werden Wirksamkeit und Sicherheit von Everolimus versus Plazebo bei 117 Patienten mit TS-SEGA untersucht, in der EXIST-2-Studie bei 99 Patienten mit Angiomyolipomen, die mit tuberöser Sklerose oder sporadischer Lymphangioleiomyomatose assoziiert sind. Die Studien dauern etwa vier bis fünf Jahre.

Quellen

Dr. Christoph Herzberg, Berlin, Priv.-Doz. Dr. Pablo Hernáiz-Driever, Berlin, Pressegespräch „Seltene Tumoren im Fokus“, Frankfurt, 24. November 2010, veranstaltet von Novartis Oncology.

Krueger DA, et al. Everolismus for subependymal giant-cell astrocytomas in tuberous sclerosis. N Engl J Med 2010;363:1801–11.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(02)