Pharmakovigilanz

Arzneimittelinteraktionen aktuell


Prof. Dr.Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden

An dieser Stelle informieren wir Sie kurz über aktuelle Veröffentlichungen zu therapierelevanten Arzneimittelwechselwirkungen.

Olanzapin-Toxizität nach Raucherentwöhnung

Fallbericht: Eine 73-jährige weiße Frau mit der aktuellen Diagnose eines Morbus Parkinson und einer Anamnese von chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Hyperlipidämie, chronischer Arthrose und Hypothyreose wird wegen Bewusstseinstrübung, Schwäche und Gehstörungen ins Krankenhaus eingeliefert. Die Diagnose des Morbus Parkinson erfolgte vor vier Monaten, unter einer Carbidopa-Levodopa-Therapie besserte sich die Symptomatik jedoch nicht, sondern verschlechterte sich weiter. Die Patientin erhielt zur Behandlung ihrer bipolaren Störung seit Längerem 30 mg Olanzapin (Zyprexa®) täglich, sie war langjährige starke Raucherin und hatte vor vier Monaten mit dem Rauchen aufgehört.

Die Ergebnisse einer neurologischen Untersuchung verneinten das Vorliegen eines Morbus Parkinson, vielmehr wurde eine Olanzapin-Toxizität als Folge der Raucherentwöhnung vermutet. Die Parkinson-Therapie wurde abgesetzt und Olanzapin wurde durch 20 mg/Tag Aripiprazol (Abilify®) ersetzt. Im Laufe der Therapie verbesserten sich Grad der Wachheit und die Bradykinesie. Die extrapyramidalen Symptome besserten sich schrittweise, zwei Tage vor der Entlassung konnten keine Zeichen eines Parkinsonismus mehr festgestellt werden.

Im vorliegenden Fall ist eine erhöhte Olanzapin-Toxizität nach dem Wegfall des enzyminduzierenden Effekts von Tabakrauch hochwahrscheinlich. Tabakrauch induziert Cytochrom P450-1A2 (CYP1A2), das am Metabolismus von Olanzapin entscheidend beteiligt ist. Nach Wegfall des induzierenden Tabakrauchs kam es zu einer erhöhten Toxizität von Olanzapin.

Erstaunlich ist, dass nicht schon bei der anfänglichen Diagnose eines Morbus Parkinson an die Möglichkeit eines Parkinsonismus als Nebenwirkung der Olanzapin-Behandlung gedacht wurde. Dass die Patientin etwa zum Zeitpunkt (und möglicherweise wegen) der Parkinson-Diagnose das Rauchen einstellte, führte letztlich zur Verschlimmerung ihres Zustands.

Quelle

Arnoldi J, Repking N. Olanzapine-induced parkinsonism associated with smoking cessation. Am J Health Syst Pharm 2011;68:399–401.

Interaktion zwischen Zolpidem und Ciprofloxacin

Ziel der vorliegenden pharmakokinetischen Studie war es, eine mögliche Interaktion zwischen Zolpidem (z.B. Stilnox®) und Ciprofloxacin (z.B. Ciprobay®) bei gesunden Probanden zu untersuchen. Zur Bestimmung des Referenzwerts erhielt jeder Freiwillige eine einzelne Dosis von 5 mg Zolpidem. Dann nahmen die Probanden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen täglich 500 mg Ciprofloxacin als Einzel-Tagesdosis ein. Am darauffolgenden Testtag erhielten sie wiederum eine einzelne Dosis von 5 mg Zolpidem und 500 mg Ciprofloxacin. Die Plasmakonzentrationen von Zolpidem wurden während eines 12-Stunden-Zeitraums nach Verabreichung der Arzneistoffe bestimmt. Die pharmakokinetischen Parameter von Zolpidem in jeder Behandlungsphase wurden unter Verwendung einer nichtkompartimentellen Analyse berechnet.

Die Ergebnisse (Tab. 1) zeigen, dass Ciprofloxacin mit Zolpidem interagiert und bei gesunden Probanden dessen Bioverfügbarkeit um etwa 46% erhöht. Das Ausmaß der Wechselwirkung ist wahrscheinlich klinisch signifikant. Grund dieser Wechselwirkung ist vermutlich die Hemmung von CYP1A2 und eventuell CYP3A4 durch Ciprofloxacin.

Tab. 1. Pharmakokinetische Parameter von Zolpidem nach Einmaleinnahme allein bzw. nach mehrtägiger Ciprofloxacin-Einnahme [Vlase et al.]

Parameter

Zolpidem allein

Zolpidem nach Ciprofloxacin-Einnahme

Mittlere maximale Plasmakonzentration (Cmax) [ng/ml]

75,73±28,34

80,58±22,40

Zeit bis Cmax (tmax) [h]

0,91±0,42

1,44±0,61

Fläche unter der Kurve (AUC0–∞) [ng/h/ml]

300,2±115,5

438,1±142,6

Halbwertszeit (t1/2) [h]

2,39±0,53

3,34±0,87

Quelle

Vlase L, et al. Pharmacokinetic interaction between zolpidem and ciprofloxacin in healthy volunteers. Eur J Drug Metab Pharmacokinet 2011;35:83–7.

Klinisch relevante Wechselwirkung zwischen Theophyllin und Ciprofloxacin

Ciprofloxacin vermag den über CYP1A2 vermittelten Metabolismus von Theophyllin zu hemmen, aber die klinische Relevanz dieser Wechselwirkungen ist nicht exakt beschrieben. In der vorliegenden populationsbasierten, kontrollierten Fallstudie wurde das Risiko einer Theophyllin-Toxizität bei einer Komedikation mit Ciprofloxacin untersucht. Hierzu wurden die Daten von ≥66-jährigen Patienten aus der Provinz Ontario ausgewertet, die zwischen dem 1. April 1992 und dem 31. März 2009 mit Theophyllin behandelt wurden. Aus dieser Gruppe wurden die Patienten identifiziert, die mit einer Theophyllin-Toxizität ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Jedem dieser Fälle wurden aus der gleichen Kohorte 50 Kontrollpatienten zugeordnet. Ermittelt wurde das Odds-Ratio (OR) für die Assoziation zwischen Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Toxizität von Theophyllin und der gleichzeitigen Therapie mit Ciprofloxacin in den 14 Tagen vor dem Krankenhausaufenthalt.

Von den 77251 Patienten unter einer Therapie mit Theophyllin wurden 180 Patienten aufgrund einer Theophyllin-Toxizität stationär aufgenommen. Der Vergleich mit den Daten von 9000 Kontrollpersonen ergab nach Elimination möglicher Variablen nahezu eine Verdoppelung des Risikos für eine Theophyllin-Toxizität nach der Gabe von Ciprofloxacin (adjustiertes OR 1,86; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,18–2,93). Im Gegensatz hierzu konnte bei Patienten, die andere Antibiotika erhielten (Levofloxacin, Co-trimoxazol oder Cefuroxim), kein erhöhtes Risiko für eine Theophyllin-Toxizität beobachtet werden (adjustiertes OR 0,78; 95%-KI 0,38–1,62).

Die Behandlung mit Ciprofloxacin war mit einem signifikanten Anstieg des Risikos einer Toxizität von Theophyllin assoziiert. Wenn klinisch vertretbar, sollten daher bei Patienten unter einer Theophyllin-Therapie alternative Antibiotika eingesetzt werden.

Quelle

Antoniou T, et al. Ciprofloxacin-induced theophylline toxicity: a population-based study. Eur J Clin Pharmacol 2011:DOI 10.1007/s00228-010-0985-0.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(04)