ANCA-assoziierte Vaskulitis

Kein Therapievorteil von Mycophenolatmofetil gegenüber Azathioprin


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Patienten mit Anti-Neutrophilen-zytoplasmatischer-Antikörper-(ANCA-)assoziierter Vaskulitis konnte die Krankheit mit Mycophenolatmofetil weniger erfolgreich in Remission gehalten werden als mit Azathioprin. Die Nebenwirkungsrate fiel in dieser offenen, randomisierten, kontrollierten Multicenterstudie in beiden Behandlungsgruppen ähnlich aus.

Glossar

Wegener-Granulomatose: Nekrotisierende Entzündung der Gefäße, die mit einer Granulombildung einhergeht. Betroffen sind vor allem die Gefäße der oberen und unteren Atemwege sowie der Niere. Die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt, vermutet wird eine Auslösung durch Autoantikörper. Charakteristisch ist das Vorkommen von Anti-Neutrophilen-zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA), die vorwiegend gegen in neutrophilen Granulozyten lokalisierte Enzyme gerichtet sind. Die Erkrankung tritt sehr selten auf, Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Mikroskopische Polyangiitis: Vaskulitis, die kleine Gefäße betrifft und sich im Vollbild vor allem an Lunge oder/und Niere manifestiert. Sie gehört zu den Autoimmunerkrankungen und ist – ähnlich wie die Wegener-Granulomatose – mit ANCA-Autoantikörpern assoziiert.

Bei Patienten mit Wegener-Granulomatose und mikroskopischer Polyangiitis werden häufig Anti-Neutrophilen-zytoplasmatische Antikörper (ANCA) gefunden. Beide Erkrankungen werden aufgrund ihrer ähnlichen klinischen und histologischen Merkmale, Prognose und Behandlungsmöglichkeiten als ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV) betrachtet. Als Standard-Induktionstherapie zur Einleitung der Remission für Patienten mit AAV werden Cyclophosphamid und Glucocorticoide eingesetzt, die anschließende Erhaltungstherapie wird mit Azathioprin (z.B. Azafalk®) oder Methotrexat (z.B. Lantarel®) und absteigenden Glucocorticoid-Dosen durchgeführt. Rückfälle treten innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnosestellung bei 50% der Patienten auf. Wünschenswert wären weitere wirksame und besser verträgliche Therapien, die die ANCA-assoziierte Vaskulitis in Remission halten können. Als mögliche Alternative ist Mycophenolatmofetil (z.B. CellCept®) in der Diskussion. Ein pathogenetischer Faktor bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis ist nämlich eine abnorme Lymphozytenfunktion. Mycophenolatmofetil gilt als relativ lymphozytenspezifisches Immunsuppressivum.

Studienziel und -design

In der Improve(International mycophenolate mofetil protocol to reduce outbreaks of vasculitides)-Studie wurde untersucht, ob Mycophenolatmofetil bei Patienten mit ANCA-assoziierter Vaskulitis Rückfälle besser verhindern kann als Azathioprin. Die offene, randomisierte, kontrollierte Studie wurde zwischen April 2002 und Januar 2009 in 42 klinischen Zentren in 11 europäischen Ländern durchgeführt. Es nahmen 156 Patienten mit neu diagnostizierter Wegener-Granulomatose oder mikroskopischer Polyangiitis im Alter zwischen 18 und 75 Jahren teil. Sie wurden nach der drei- bis sechsmonatigen Induktionstherapie mit Cyclophosphamid und Prednisolon randomisiert folgenden Behandlungsgruppen zugeteilt:

  • Azathioprin (Anfangsdosis 2 mg/kg/Tag, nach 12 und 18 Monaten Dosisreduktion auf 1,5 und 1,0 mg/kg/Tag; Therapieende nach 42 Monaten; n=80)
  • Mycophenolatmofetil (Anfangsdosis 2000 mg/Tag, nach 12 und 18 Monaten Dosisreduktion auf 1500 und 1000 mg/Tag; Therapieende nach 42 Monaten; n=76)

Begleitend erhielten alle Patienten zunächst weiterhin Prednison, während der ersten 12 Monate 15 mg/Tag, dann weitere 12 Monate 5 mg/Tag.

Die geplante Beobachtung dauerte drei Monate über das Ende der Studientherapie hinaus. Primärer Studienendpunkt war das rückfallfreie Überleben.

Studienergebnis

Die Patienten wurden nach der Induktionstherapie im Mittel über 39 Monate beobachtet. Dabei traten unter Mycophenolatmofetil mehr Rückfälle auf als unter Azathioprin. Einen Rückfall hatten 42 von 76 Patienten aus der Mycophenolatmofetil-Gruppe, aber nur 30 von 80 Patienten aus dem Azathioprin-Arm (Abb. 1). Das entspricht einem Hazard-Ratio (HR) für Mycophenolatmofetil von 1,69 (95%-Konfidenzintervall [KI] 1,06–2,70; p=0,03).

Abb. 1. Zeit bis zum ersten Rückfall unter der Erhaltungstherapie mit Azathioprin oder Mycophenolatmofetil [nach Hiemstra et al.] HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall

Nach Berücksichtigung weiterer prädiktiver Faktoren wie Alter, diagnostischer Subtyp und Creatinin-Serumkonzentration bei Studienbeginn ergab sich sogar ein Hazard-Ratio von 1,80 (95%-KI 1,10–2,93; p=0,02)

Bei den weiteren sekundären Studienendpunkten Vaskulitis-Schadensindex, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate und Proteinurie wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Studienmedikationen festgestellt. Schwere unerwünschte Wirkungen traten zwar unter Mycophenolatmofetil insgesamt weniger auf als unter Azathioprin; angesichts der relativ geringen Patientenzahl waren die Unterschiede aber nicht signifikant. So wurden bei 13 Patienten (16%) der Azathioprin-Gruppe 22 schwere Nebenwirkungen registriert, im Vergleich zu 8 schweren Ereignissen bei 8 Patienten (7,5%) aus der Mycophenolatmofetil-Gruppe (HR 0,53 [0,23–1,18]; p=0,12). Leukopenie trat bei 7 Patienten der Azathioprin-Gruppe (11 Ereignisse) und bei 4 Patienten der Mycophenolatmofetil-Gruppe (5 Ereignisse) auf (HR 0,57 [0,21–1,55]; p=0,27). Eine schwere Infektion hatten 8 bzw. 3 Patienten (HR 0,52 [0,11–2,36]; p=0,40).

Fazit

Bei Patienten mit Wegener-Granulomatose oder mikroskopischer Polyangiitis konnte keine Überlegenheit von Mycophenolatmofetil gegenüber Azathioprin nachgewiesen werden. Rückfälle traten unter Azathioprin sogar seltener auf, ohne dass häufiger schwere Nebenwirkungen registriert wurden. Mycophenolatmofetil wird deshalb nicht als First-Line-Erhaltungstherapie bei ANCA-assoziierter Vaskulitis empfohlen.

Quelle

Hiemstra TF, et al. Mycophenolate mofetil vs azathioprine for remission maintenance in antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitis. JAMA 2010;304:2381–8 (doi: 10.1001/jama.2010.1658).

Arzneimitteltherapie 2011; 29(04)