Statine: Wann sind sie nicht indiziert?


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Kaum eine andere Substanzgruppe hat innerhalb weniger Jahre eine so große Akzeptanz und breite Anwendung gefunden wie die CSE-Hemmer („Statine“). Sie haben als evidenzbasierte Pharmaka die Lipidtherapie und somit auch die Therapie der koronaren Herzkrankheit (KHK) wesentlich bereichert. Doch bei der Indikationsstellung gibt es seit jeher durchaus unterschiedliche Bewertungen. Überzeugend stellt sich die Studienlage für die Sekundärprävention dar, weniger gesichert ist dagegen die Anwendung in der Primärprävention. Dazu kommt, dass der Begriff der Primärprävention unterschiedlich interpretiert wird. Die einen definieren Primärprävention im klassischen Sinne, das heißt, die koronare Herzerkrankung ist bisher klinisch nicht manifest geworden. Dem steht die moderne Auffassung gegenüber, nämlich dass sich die Differenzierung in Primär- und Sekundärprävention im Zeitalter moderner bildgebender Verfahren überholt habe. Entscheidend sei vielmehr das individuelle Risiko und deshalb sei bei Patienten mit hohem vaskulärem Risiko, insbesondere bei nachgewiesener Atherosklerose, eine Statin-Therapie immer indiziert, auch wenn bisher kein klinisches Ereignis aufgetreten ist. Kurzum, bei solchen Patienten sei die Primärprävention eigentlich bereits eine Sekundärprävention.

Doch wie sieht es mit der Wirksamkeit einer Statin-Therapie im Rahmen der klassischen Primärprävention aus? Eine vor Kurzem veröffentlichte Metaanalyse ergab ein enttäuschendes Ergebnis [1, 2]: Eingeschlossen waren elf randomisierte Studien mit insgesamt 65229 Patienten mit mittlerem bis hohem vaskulärem Risiko ohne kardiovaskuläre Erkrankung in der Vorgeschichte. Die durchschnittliche Beobachtungsdauer betrug 3,7 Jahre. Obwohl mit dem Statin ein signifikanter Unterschied bezüglich LDL-Cholesterol-Senkung erreicht werden konnte (auf 94 mg/dl in der Statin-Gruppe vs. 134 mg/dl in der Plazebo-Gruppe), ergab sich kein signifikanter Überlebensvorteil (Risk-Ratio: 0,91; 95%-Konfidenzintervall: 0,83–1,01). Anders formuliert: Bei einer Therapie mit einem Statin können auch in einer Hochrisikopopulation nur 7 Todesfälle pro 10000 Personenjahre verhindert werden. Kritiker dieser Studie werden sicherlich auf die relativ kurze Beobachtungsdauer verweisen, aufgrund derer eine Langzeitwirkung mit diesen Daten nicht definitiv ausgeschlossen sei. Doch dieses Ergebnis steht durchaus im Einklang mit früheren Studien, in denen eine Statin-Therapie in der Primärprophylaxe hinsichtlich Reduktion von Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall nur einen mäßigen Erfolg (<1%/Jahr) zeigte [6, 7].

Ebenso enttäuschend sind die Studienergebnisse für die Anwendung eines Statins bei Hämodialyse- [3, 4] und herzinsuffizienten Patienten [5]. Der primäre kombinierte Studienendpunkt setzte sich in diesen Studien aus Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen, nichttödlichem Myokardinfarkt und Schlaganfall zusammen. Zu den sekundären Endpunkten gehörte Tod aufgrund jeglicher Ursache. Im primären Studienendpunkt waren die verwendeten Statine Plazebo nicht überlegen. Zudem konnte auch bei diesen Patientengruppen keine lebensverlängernde Wirkung der Statine nachgewiesen werden. Interessanterweise gilt diese Aussage auch dann, wenn die Herzinsuffizienz auf dem Boden einer koronaren Herzerkrankung entstanden ist. Trotz dieser Datenlage wird man sich aber wohl im Einzelfall schwertun, bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie das Statin einfach abzusetzen. Sollte jedoch bei einem schwer herzinsuffizienten Patienten eine Reduzierung der „Tablettenzahl“ sinnvoll sein, so darf man guten Gewissens an das Statin denken.

Literatur

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