Kastrationsresistentes Prostatakarzinom

Wirksame Zweitlinientherapie mit Cabazitaxel


Dr. Ingo Stock, Bonn

Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom gilt die Gabe von Docetaxel/Prednison als chemotherapeutische Behandlungsoption der Wahl. Bei Nicht-Ansprechen auf diese Erstlinientherapie waren bislang keine Arzneistoffe verfügbar, für deren Anwendung in randomisierten Untersuchungen ein Überlebensvorteil gezeigt werden konnte. In einer randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie wurde erstmalig dokumentiert, dass bei diesen Patienten durch Gabe von Cabazitaxel/Prednison ein statistisch signifikanter Überlebensvorteil gegenüber einer Behandlung mit Mitoxantron/Prednison erreicht werden kann. Diese Ergebnisse wurden in einer Fachpressekonferenz der Firma Sanofi-Aventis vorgestellt [1] und inzwischen auch in „Lancet“ publiziert [5] und führten bereits zur Zulassung in den USA und einer Zulassungsempfehlung in Europa.

Die Prostata gehört zu den häufigsten Lokalisationen bösartiger Neubildungen beim Mann. Nach aktuellen Schätzungen erkranken in Deutschland jährlich mehr als 50000 Männer an bösartigen Tumoren der Prostata [3]. Trotz der in den letzten Jahren stark verbesserten Diagnostik werden europaweit noch immer bei 10 bis 20% dieser Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose Metastasen nachgewiesen [4, 12]. Ein metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom tritt bei etwa 15% aller Prostatakrebs-Patienten auf [2]. Solche Patienten sprechen auf die übliche Behandlung mit GnRH-Agonisten oder/und Antiandrogenen nicht (mehr) an. Sie haben unbehandelt eine mediane Überlebenszeit von zehn bis zwölf Monaten und infolge von Schmerzen durch Knochenmetastasen eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität [9].

Für das metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom gilt in den meisten klinischen Leitlinien die Gabe von Docetaxel (z. B. Taxotere®; 75 mg/m2 alle drei Wochen in sechs bis zehn Zyklen) und Prednison als Standard für die Erstlinienbehandlung. Die Einsetzbarkeit von Docetaxel und anderen klassischen Taxanen ist jedoch limitiert, da sie eine hohe Affinität zu den sogenannten „Multidrug“-Resistenzproteinen besitzen, die zu einer Taxan-Resistenz führen. So vermögen beispielsweise ATP-abhängige Effluxpumpen Taxane aus der Zielzelle hinauszuschleusen. Die Taxan-Resistenz ist eine wichtige Ursache dafür, dass es bei den meisten Patienten unter einer Docetaxel-Erstlinientherapie innerhalb von 16 bis 18 Monaten zu einer weiteren Progression der Erkrankung kommt [8].

Bislang gab es weder in den USA noch der EU ein Arzneimittel mit einer Zulassung als Standardtherapie für die Zweitlinienbehandlung von Patienten, deren Tumorerkrankung während oder nach einer Behandlung mit Docetaxel fortschreitet. Spricht der Patient auf eine Docetaxel-Therapie nicht mehr an, ist es möglich, nach einer Behandlungspause mit weiteren Zyklen Docetaxel/Prednison zu therapieren („Re-Challenge“), die Ansprechraten nehmen jedoch mit jeder weiteren Exposition ab [1]. Immerhin kann durch die Anwendung von Mitoxantron eine moderate Schmerzkontrolle, nicht jedoch eine Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht werden [11].

Cabazitaxel und die TROPIC-Studie

Um die Resistenz gegenüber klassischen Taxanen zu überwinden, wurden verschiedene neue Taxane, so auch das semisynthetische Taxan Cabazitaxel entwickelt. Cabazitaxel ist ein schlechtes Substrat für die Effluxpumpe P-Glykoprotein 1. Verschiedene In-vitro- und In-vivo-Studien belegen, dass Cabazitaxel bei Docetaxel-sensitiven und -insensitiven Tumoren wirkt [1, 10]. Da sich Cabazitaxel in klinischen Studien der Phase I und Phase II bei Patienten mit Taxan-resistenten Karzinomen ebenfalls als wirksam und verträglich erwies [7, 10], wurde sein klinischer Nutzen in einer randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie weiter untersucht [5].

In diese sogenannte TROPIC-Studie wurden 755 Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom aufgenommen, bei denen es nach einer Erstlinientherapie mit Docetaxel zu einer dokumentierten Krankheitsprogression gekommen war. Sie erhielten im experimentellen Arm alle drei Wochen Cabazitaxel (25 mg/m2) und im Kontrollarm alle drei Wochen Mitoxantron (12 mg/m2), jeweils ergänzt durch die tägliche orale Gabe von 10 mg Prednison [5]. Die Behandlung war auf maximal zehn Therapiezyklen limitiert. Als primärer Studienendpunkt wurde das Gesamtüberleben definiert, sekundäre Endpunkte waren die progressionsfreie Überlebenszeit, die objektive Ansprechrate und ein PSA-Abfall um mindestens 50%.

Mit einer medianen Überlebenszeit von 15,1 Monaten versus 12,7 Monaten im Kontrollarm wurde bei Gabe von Cabazitaxel das relative Sterberisiko des Patienten statistisch signifikant um 30% (Hazard-Ratio [HR] 0,70; p<0,0001) reduziert. Statistisch signifikante Vorteile zeigten sich auch in Bezug auf

  • die progressionsfreie Überlebenszeit, die unter Cabazitaxel-Behandlung doppelt so lang war wie in der Kontrollgruppe (2,8 vs. 1,4 Monate; HR 0,74; p<0,0001),
  • die objektive Ansprechrate (14,4% vs. 4,4%; p=0,0005) und
  • das Ansprechen gemäß PSA-Abfall (39,2% vs. 17,8%; p=0,0002) [1, 5].

Bei den Nebenwirkungen standen hämatologische Erscheinungen im Vordergrund, insbesondere Neutropenien (Tab. 1). Die häufigste nichthämatologische Nebenwirkung war Diarrhö, die bei 47% der mit Cabazitaxel behandelten Patienten auftrat (Mitoxantron: 11%). Alle Nebenwirkungen waren behandelbar.

Tab. 1. Hämatologische Nebenwirkungen von Cabazitaxel in der TROPIC-Studie [5]

Unerwünschte Wirkung

Mitoxantron (n=371)

Cabazitaxel (n=371)

Alle Grade

Grad ≥3

Alle Grade

Grad ≥3

Neutropenie

88%

58%

94%

82%

– Febrile Neutropenie

1%

8%

Leukopenie

92%

42%

96%

68%

Anämie

81%

5%

97%

11%

Thrombozytopenie

43%

2%

47%

4%

Ausblick

Mit Cabazitaxel wurde erstmals in einer kontrollierten Studie ein Chemotherapeutikum gefunden, für das eine Verlängerung des Gesamtüberlebens bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom zu belegen war. Die Europäische Gesellschaft für Urologie hat es daraufhin bereits in der aktualisierten Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms als Zweitlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom nach Docetaxel-Versagen empfohlen [6]. Im Juni 2010 wurde Cabazitaxel (Jevtana) in den USA zugelassen. Ende Januar 2011 gab der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Zulassungsbehörde EMA ebenfalls eine Zulassungsempfehlung.

Quellen

1. Prof. Dr. A. Heidenreich, Aachen, Fachpresse-Roundtable „Genitourinary ASCO 2010 – Zukunftsweisende Therapieoptionen beim hormonrefraktären Prostatakarzinom“, Aachen, 17. März 2010, veranstaltet von Sanofi-Aventis.

2. American Cancer Society. Cancer Facts & Figures 2009. Atlanta: American Cancer Society, 2009.

3. Berthold DR, et al. Docetaxel plus prednisone or mitoxantrone plus prednisone for advanced prostate cancer: updated survival in the TAX 327 study. J Clin Oncol 2008;26:242–5.

4. Breul J. Hormontherapie beim Prostatakarzinom. Schopfheim: ComMed Medizinischer Verlag, 2006.

5. de Bono JS, et al. Prednisone plus cabazitaxel or mitoxantrone for metastatic castration-resistant prostate cancer progressing after docetaxel treatment: a randomised open-label trial. Lancet 2010;376:1147–54.

6. Heidenreich A, et al. Guidelines on prostate cancer (update April 2010). www.uroweb.org.

7. Mita AC, et al. Phase I and pharmacokinetic study of XRP6258 (RPR 116258A), a novel taxane, administered as a 1-hour infusion every 3 weeks in patients with advanced solid tumours. Clin Cancer Res 2009;15:723–30.

8. Nelius T, et al. Clinical outcome of patients with docetaxel-resistant hormone-refractory prostate cancer treated with second-line cyclophosphamide-based metronomic chemotherapy. Med Oncol 2010;27:363–7.

9. Petrylak DP, et al. Docetaxel and estramustine compared with mitoxantrone and prednisone for advanced refractory prostate cancer. N Engl J Med 2004;351:1513–20.

10. Pivot X, et al. A multicenter phase II study of XRP6258 administered as a 1-h i.v. infusion every 3 weeks in taxane-resistant metastatic breast cancer patients. Ann Oncol 2008;19:1547–52.

11. Rosenberg JE, et al. Activity of second-line chemotherapy in docetaxel-refractory hormone-refractory prostate cancer patients: randomized phase 2 study of ixabepilone or mitoxantrone and prednisone. Cancer 2007;110:556–63.

12. Tannock IF, et al. Docetaxel plus prednisone or mitoxantrone plus prednisone for advanced prostate cancer. N Engl J Med 2004;351:1502–12.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(04)