Egid Strehl und Heidegun Blümle, Freiburg

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Neuere Studien zur Behandlung der unkomplizierten Harnwegsinfektionen (HWI) bei Frauen ergaben, dass infolge der fortschreitenden Resistenzentwicklung bei uropathogenen Bakterien eine Änderung der Therapieempfehlungen erforderlich ist. In der 2010 veröffentlichten, aktuellen „S3-Leitlinie Harnwegsinfektionen“ wurden diese Erkenntnisse berücksichtigt. Die Leitlinie umfasst Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten und wurde im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) durch Vertreter verschiedener Fachgesellschaften, unter anderem der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU; federführend), erstellt. Aus den neuen Therapieempfehlungen resultieren wichtige Änderungen bei der Verschreibung von Antibiotika, vor allem bei der empirischen Therapie der unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Die nächste Überprüfung der Leitlinie ist für das Jahr 2015 geplant.
Infokasten 1: Leitlinien
Leitlinien sind als Orientierungshilfen und Therapieempfehlungen für die Praxis gedacht und im Gegensatz zu Richtlinien nicht verbindlich, das heißt, ihre Anwendung ist nicht einklagbar. Leitlinien werden auf der Basis aktueller Erkenntnisse aus Wissenschaft, Forschung und Behandlungsroutine erstellt und sollen ein Wegweiser für eine möglichst rasche und effiziente Behandlung sein. Sie entstehen im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ) für die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung und werden von den beteiligten medizinischen Fachgesellschaften, Berufsverbänden und teilweise auch von Patientenverbänden erarbeitet. Leitlinien werden je nach Zusammensetzung des Leitliniengremiums, der Evidenzbasierung und der zur Erstellung verwendeten Methodik in die vier Klassen S1, S2e, S2k und S3 eingeteilt. S1-Leitlinien repräsentieren die niedrigste Stufe im Erstellungs- und Konsensverfahren, S3-Leitlinien die höchste Stufe. Entsprechend gelten S3-Leitlinien heute als „Goldstandard“ [1].
Infokasten 1: Leitlinien
Leitlinien sind als Orientierungshilfen und Therapieempfehlungen für die Praxis gedacht und im Gegensatz zu Richtlinien nicht verbindlich, das heißt, ihre Anwendung ist nicht einklagbar. Leitlinien werden auf der Basis aktueller Erkenntnisse aus Wissenschaft, Forschung und Behandlungsroutine erstellt und sollen ein Wegweiser für eine möglichst rasche und effiziente Behandlung sein. Sie entstehen im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ) für die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung und werden von den beteiligten medizinischen Fachgesellschaften, Berufsverbänden und teilweise auch von Patientenverbänden erarbeitet. Leitlinien werden je nach Zusammensetzung des Leitliniengremiums, der Evidenzbasierung und der zur Erstellung verwendeten Methodik in die vier Klassen S1, S2e, S2k und S3 eingeteilt. S1-Leitlinien repräsentieren die niedrigste Stufe im Erstellungs- und Konsensverfahren, S3-Leitlinien die höchste Stufe. Entsprechend gelten S3-Leitlinien heute als „Goldstandard“ [1].
Begriffserläuterungen
Harnwegsinfektionen zählen zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen, insbesondere bei Frauen. Eine Harnwegsinfektion wird definitionsgemäß als unkompliziert eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevanten anatomischen oder funktionellen Anomalien, keine klinisch bedeutsamen Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen vorliegen, die eine schwere Harnwegsinfektion oder gravierende Komplikationen begünstigen [2]. Dabei wird zwischen der unteren Harnwegsinfektion (Zystitis) und der oberen Harnwegsinfektion (Pyelonephritis) unterschieden. Der Verdacht auf eine akute Zystitis besteht, wenn sich die Symptome nur auf den unteren Harntrakt begrenzen, beispielsweise neu aufgetretene Dysurie (schmerzhafte Miktion), Pollakisurie (häufige Miktion), imperativer Harndrang (Harndrang bei unphysiologisch geringer Blasenfüllung) sowie Schmerzen oberhalb der Symphyse. Sind Flankenschmerz, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (>38°C) Teil der akuten Symptomatik, wird eine Pyelonephritis angenommen [2].
Für das diagnostische und therapeutische Vorgehen wichtig ist die Unterscheidung einer klinisch symptomatischen Harnwegsinfektion von einer asymptomatischen Bakteriurie. Der Begriff „asymptomatische Harnwegsinfektion“ sollte nicht mehr verwendet werden [2].
Von einer rezidivierenden Harnwegsinfektion wird gesprochen, wenn eine Rezidivrate von ≥2 symptomatischen Episoden pro Halbjahr oder ≥3 symptomatischen Episoden pro Jahr vorliegt [2].
Hinsichtlich Diagnostik und Therapieempfehlungen der unkomplizierten Harnwegsinfektionen und asymptomatischen Bakteriurie unterscheiden die Autoren der S3-Leitlinie fünf unterschiedliche Patientengruppen:
- Ansonsten gesunde, nicht schwangere Frauen in der Prämenopause („Standardgruppe“)
- Ansonsten gesunde Schwangere
- Ansonsten gesunde Frauen in der Postmenopause
- Ansonsten gesunde jüngere Männer
- Ansonsten gesunde Patienten mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage
Diagnostik der Harnwegsinfektion
Im Rahmen der Diagnostik einer Harnwegsinfektion sowie zur Abschätzung des Schweregrads sind beim Patienten Symptome wie Dysurie, Pollakisurie, imperativer Harndrang, verstärkte oder neu aufgetretene Inkontinenz, Makrohämaturie, suprapubischer Schmerz, Flankenschmerz, Fieber, Geruch und/oder Trübung des Urins, frühere Harnwegsinfektionen, auffälliger pathologischer Fluor vaginalis, vaginale Irritationen und Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf abzuklären [2]. Die Verfasser der S3-Leitlinie stellen jedoch fest, dass die Fehlerquote einer Diagnosestellung allein aufgrund klinischer Kriterien bei bis zu einem Drittel liegt und auch durch die Verwendung von Urinteststreifen nur unwesentlich reduziert werden kann. Eine maximale diagnostische Genauigkeit kann nur durch zusätzliche Anfertigung einer quantitativen Urinkultur erreicht werden, die daher als „Goldstandard“ bei der Diagnostik der Harnwegsinfektion gilt.
Bei der Uringewinnung sollte darauf geachtet werden, den Mittelstrahlurin aufzufangen und wenn möglich durch vorherige Reinigung der Genitalregion mit Wasser das Risiko der Kontamination des Urins durch Urethral- und/oder Umgebungsflora zu minimieren. Die Urinproben sollten unverzüglich verarbeitet werden. Ist dies nicht möglich, muss die Urinprobe bei 2 bis 8°C gekühlt gelagert und am darauffolgenden Tag verarbeitet werden. Infolge der Lagerung kann sich allerdings die Erregerzahl verändern. Eine routinemäßige Durchführung einer Urinkultur wird jedoch nicht empfohlen, da dies zum einen ökonomisch nicht sinnvoll und zum anderen im Alltag nicht praktikabel ist. Wird beispielsweise bei ansonsten gesunden, nicht schwangeren Frauen aufgrund der Symptomatik eine unkomplizierte Zystitis angenommen, sind keine weiteren diagnostischen Verfahren erforderlich. Handelt es sich jedoch um die Erstmanifestation einer akuten Harnwegsinfektion oder ist die Patientin dem Arzt bislang nicht bekannt, sollte grundsätzlich eine symptombezogene ärztliche Untersuchung einschließlich Anamnese, körperlicher und Urinuntersuchung (ggf. Mikroskopie) durchgeführt werden [2]. Weitere Indikationen zur Anfertigung einer Urinkultur sind in Tabelle 1 zusammengefasst; in Abbildung 1 ist das empfohlene diagnostische und therapeutische Vorgehen bei symptomatischen Patienten in Form eines Entscheidungsbaums dargestellt.

Abb. 1. Diagnostik und Therapie bei symptomatischen Patienten mit (Verdacht auf) Harnwegsinfektion (nach [2]) HWI: Harnwegsinfektion; Stix: Teststreifenverfahren (Schnelltest); *handelt es sich um eine Erstmanifestation einer Harnwegsinfektion oder ist die Patientin dem Arzt nicht bekannt, sollte grundsätzlich eine symptombezogene ärztliche Untersuchung inklusive Anamnese, körperlicher Untersuchung und Urinuntersuchung (ggf. mit Mikroskopie) erfolgen
Tab. 1. Indikationen zur Urinkultur [2]
A. Asymptomatische Patienten |
|
|
B. Symptomatische Patienten |
|
|
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|
|
C. Gezielte Suche bei speziellen klinischen Indikationen |
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|
|
|
|
Bei komplizierten Krankheitsfällen können zusätzlich zu Anamnese, körperlicher Untersuchung und Urinkultur noch weitere Verfahren wie Sonographie (z. B. bei Verdacht auf Pyelonephritis in der Schwangerschaft) und Endoskopie erforderlich sein [2].
Ergebnisse aus der ARESC-Studie in der S3-Leitlinie
In die ARESC-Studie (Surveillance study in Europe and Brazil on clinical aspects and antimicrobial resistence epidemiology in females with cystitis) wurden knapp 4400 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren mit Symptomen einer unkomplizierter Zystitis eingeschlossen. Die Patientinnen wurden in neun europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, und in Brasilien rekrutiert. Untersucht wurden das Erregerspektrum der genommenen Urinproben und die Empfindlichkeit der Erreger gegenüber den zur Behandlung eingesetzten Antibiotika. In die Analyse gingen die Daten von 4 264 Patientinnen ein [3]. Escherichia coli war mit 76,7% sowohl bei den Patientinnen aus Deutschland als auch im Gesamtkollektiv der am häufigsten vorkommende Erreger bei der unkomplizierten Zystitis. In großem Abstand folgten Proteus mirabilis (Deutschland: 4,7%; gesamt: 3,4%), Staphylococcus saprophyticus (2,8% bzw. 3,5%) und Klebsiella pneumoniae (2,5% bzw. 3,5%). Die übrigen gefundenen Erreger waren selten und spielen demnach eine untergeordnete Rolle. Enterokokken wurden zwar in 2,5% bzw. 4,1% der Urinproben nachgewiesen, meist handelte es sich in diesen Fällen jedoch um Mischinfektionen, so dass ihre Pathogenität bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen unsicher erscheint [2]. Das gesamte Erregerspektrum der Patientinnen aus Deutschland ist in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tab. 2. Erregerspektrum bei Frauen mit unkomplizierter Zystitis nach der ARESC-Studie für Deutschland [2]
Erreger |
Patientinnen [n] |
Anteil [%] |
Escherichia coli |
243 |
76,7 |
Proteus mirabilis |
15 |
4,7 |
Klebsiella pneumoniae |
8 |
2,5 |
Enterobacter spp. |
4 |
1,3 |
Citrobacter spp. |
2 |
0,6 |
Andere Enterobacteriaceae |
5 |
1,6 |
Staphylococcus saprophyticus |
9 |
2,8 |
Staphylococcus aureus |
7 |
2,2 |
Andere Koagulase-negative Staphylokokken |
14 |
4,4 |
Enterococcus spp. |
8 |
2,5 |
Streptococcus spp. |
2 |
0,6 |
Gesamt |
317 |
100 |
In der ARESC-Studie wurde die Empfindlichkeit von Escherichia coli und dem gesamten Erregerspektrum gegenüber neun verschiedenen Antibiotika untersucht. Die Ergebnisse wurden in den Therapieempfehlungen der neuen S3-Leitlinie berücksichtigt. Es ergaben sich eklatante Unterschiede in der Aktivität der untersuchten Substanzen: Für Deutschland wies Fosfomycin-Trometamol mit 97,9% (96,1%) die höchste Aktivität gegen Escherichia coli (Gesamterregerspektrum) auf. An zweiter Stelle folgte Mecillinam mit 97,5% (97,5%); Mecillinam ist jedoch nur in Österreich und Skandinavien zugelassen und spielt deshalb in der deutschen Verordnungspraxis keine Rolle. Die Ergebnisse zu den übrigen untersuchten Antibiotika sind in Tabelle 3 aufgeführt [2].
Tab. 3. Anzahl und prozentualer Anteil sensibler und resistenter Stämme von Escherichia coli und dem gesamten Erregerspektrum bei Patientinnen mit unkomplizierter Zystitis, die in Deutschland an der ARESC-Studie teilgenommen hatten [2]
Antibiotikum |
Escherichia coli |
Gesamtes Erregerspektrum |
||||||
Sensibel |
Resistent |
Sensibel |
Resistent |
|||||
Anzahl [n] |
Anteil [%] |
Anzahl [n] |
Anteil [%] |
Anzahl [n] |
Anteil [%] |
Anzahl [n] |
Anteil [%] |
|
Ampicillin |
144 |
59,2 |
85 |
34,9 |
157 |
56,6 |
105 |
37,9 |
Amoxicillin/Clavulansäure |
215 |
88,8 |
3 |
1,2 |
241 |
87,0 |
9 |
3,2 |
Cefuroxim |
222 |
91,3 |
1 |
0,4 |
274 |
89,2 |
7 |
2,2 |
Ciprofloxacin |
232 |
95,4 |
11 |
4,5 |
291 |
92,3 |
21 |
6,6 |
Cotrimoxazol |
180 |
74,0 |
63 |
25,9 |
227 |
73,9 |
80 |
26,0 |
Fosfomycin |
238 |
97,9 |
2 |
0,8 |
274 |
96,1 |
4 |
1,4 |
Mecillinam |
235 |
97,5 |
3 |
1,2 |
235 |
97,5 |
3 |
1,2 |
Nalidixinsäure |
220 |
90,5 |
23 |
9,4 |
251 |
90,6 |
26 |
9,3 |
Nitrofurantoin |
232 |
95,4 |
11 |
4,5 |
272 |
86,3 |
15 |
4,7 |
Zu den Ergebnissen aus der ARESC-Studie führen die Verfasser der S3-Leitlinie ergänzende Resultate einer weiteren deutschen Untersuchung aus der Allgemeinpraxis bei Patientinnen mit unkomplizierten und komplizierten Harnwegsinfektionen an. In dieser Studie hatte man Urinkulturen von 430 erwachsenen Frauen (mittleres Alter 53 Jahre) mit Symptomen einer unteren Harnwegsinfektion untersucht. Häufigster Erreger war mit 68% Escherichia coli, gefolgt von Enterococcus faecalis und Proteus spp. (jeweils 10%). Für E. coli wurden gegenüber Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure, oralen Cephalosporinen der Gruppe 1 (Cefadroxil, Cefaclor, Cefalexin), Trimethoprim und Cotrimoxazol Resistenzraten von 25 bis 40% festgestellt, gegenüber Fluorchinolonen von 9%, gegenüber Nitrofurantoin von 2% und gegenüber oralen Cephalosporinen der Gruppe 3 (Ceftibuten, Cefpodoximproxetil, Cefixim) von 3%. Die Resistenzraten gegenüber den meisten Antibiotika waren bei komplizierten Harnwegsinfektionen 2- bis 5-mal höher und stiegen mit zunehmendem Alter der Patientinnen [2, 5].
Empfehlungen der S3-Leitlinie zur Antibiotikatherapie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen
Zwar ist die Spontanheilungsrate der akuten unkomplizierten Zystitis mit 30–50% nach einer Woche sehr hoch, jedoch klingen die klinischen Symptome unter einer antibiotischen Therapie schneller ab und auch die Erregerelimination erfolgt (bei empfindlichen Erregern) rascher, weshalb auch bei der akuten unkomplizierten Zystitis eine Antibiotika-Therapie generell empfohlen wird (Minderheitenvotum der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin: Sie hält bei einer akuten unkomplizierten Zystitis beispielsweise die alleinige symptomatische Therapie für eine vertretbare Alternative zur sofortigen antibiotischen Behandlung). Die Behandlung sollte unter anderem im Hinblick auf die Rate an unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die Patienten-Compliance und den Selektionsdruck für resistente Erreger der lokalen Standortflora (periurethral, vaginal, fäkal) von möglichst kurzer Dauer sein und mit einem entsprechend geeigneten Antibiotikum erfolgen [2].
Bei der Pyelonephritis herrscht Einigkeit darüber, so früh wie möglich mit der Antibiotika-Therapie zu beginnen, um eine Schädigung der Niere zu vermeiden.
Schwangere und Patientinnen, die sich einem operativem Eingriff im Harntrakt unterziehen müssen, sollten auf asymptomatische Bakteriurien hin untersucht und gegebenenfalls antibiotisch behandelt werden, da sich bei diesen Patientengruppen sonst das Infektionsrisiko vergrößert.
Nach den Empfehlungen der S3-Leitlinie sollte generell eine orale Antibiotika-Therapie bervorzugt werden.
Für die empirische Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis wird eine Empfindlichkeitsrate von >80% empfohlen, für die Therapie der akuten unkomplizierten Pyelonephritis sollte die Empfindlichkeitsrate >90% betragen.
Antibiotika-Auswahl
Für die Antibiotika-Auswahl haben die Autoren der S3-Leitlinie mehrere Kriterien festgelegt. Zu beachten sind das individuelle Risiko des Patienten, das Erregerspektrum und die Antibiotika-Empfindlichkeit, die Effektivität der antimikrobiellen Substanz, unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Auswirkungen auf die individuelle Resistenzsituation beim Patienten und/oder bei der Allgemeinheit. Außerdem werden die behandelnden Ärzte aufgefordert, sich über die lokale Resistenzsituation zu informieren, um einen optimalen Einsatz der Antibiotika gewährleisten zu können. Dazu sollten nationale Studien, aber auch in der eigenen Praxis gemachte Beobachtungen bzw. durch das beauftragte Labor durchgeführte Auswertungen herangezogen werden [2].
Zur Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen stehen verschiedene Antibiotika zur Verfügung (Handelsnamen-Beispiele für die in der Leitlinie empfohlenen Arzneistoffe siehe Tabelle 6 am Ende des Beitrags). In der S3-Leitlinie wurden sie anhand aktueller Empfindlichkeits-/Resistenzraten neu bewertet und entsprechende Empfehlungen für die Praxis daraus abgeleitet:
Aminopenicilline ± Beta-Lactamase-Inhibitoren
Ampicillin und Amoxicillin sollten aufgrund ihrer niedrigen Empfindlichkeits- bzw. hohen Resistenzraten nicht mehr für die empirische Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen eingesetzt werden. Auch die Kombination mit Beta-Lactamase-Inhibitoren sollte nicht die erste Wahl bei der empirischen Kurzzeittherapie der unkomplizierten Zystitis sein. Für die Behandlung der Pyelonephritis liegen keine ausreichenden Daten vor [2].
Cephalosporine
Cephalosporine sind aufgrund bisheriger Ergebnisse nur als Antibiotika der 2. Wahl bei der empirischen Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen zu betrachten. Zwar erreicht Cefpodoximproxetil (2-mal 100 mg täglich für drei Tage) bei der unkomplizierten Zystitis die gleiche Wirksamkeit wie eine dreitägige Cotrimoxazol-Therapie und in einer Dosierung von 2-mal 200 mg über 10 Tage bei einer Pyelonephritis zumindest eine klinische, jedoch nicht mikrobiologische, Äquivalenz zu einer Ciprofloxacin-Therapie, doch sollte Cefpodoximproxetil in beiden Indikationen im Hinblick auf eine mögliche Selektion ESBL-produzierender Erreger (siehe auch Abschnitt „Fluorchinolone“) nur dann eingesetzt werden, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen [2].
Fluorchinolone
Ciprofloxacin, Levofloxacin und Ofloxacin wiesen bei einer Therapie über drei Tage eine gute Erregerempfindlichkeit bei der unkomplizierten Zystitis auf. Solange es alternative Therapiemöglichkeiten gibt, sollten sie jedoch nicht als Antibiotika der ersten Wahl eingesetzt werden, da sie als Breitspektrumantibiotika bei anderen Indikationen eine wichtige Rolle spielen und ihre Wirksamkeit nicht durch eine frühe Resistenzentwicklung der Erreger verlieren sollten.
Erste Wahl sind Fluorchinolone dagegen bei der empirischen Therapie der leichten bis mittelschweren unkomplizierten Pyelonephritis. Allerdings muss hier auf eine ausreichend hohe Dosierung geachtet werden (siehe Tab. 5) und die lokale Escherichia-coli-Resistenzrate muss unter 10% liegen [2].
Für Fluorchinolone und Cephalosporine gilt es zu beachten, dass die Gefahr für mikrobiologische „Kollateralschäden“ in Form einer Selektion multiresistenter Erreger oder einer Clostridium-difficile-assoziierten Kolitis in beiden Gruppen im Vergleich zu den anderen zur Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen geeigneten Antibiotika erhöht ist. Deshalb und darüber hinaus bei zunehmender Resistenzentwicklung sollten Fluorchinolone und Cephalosporine – solange therapeutische Alternativen mit vergleichbarer Wirksamkeit und verantwortbaren Nebenwirkungen vorhanden sind – nicht mehr als Antibiotika der ersten Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis eingesetzt werden [2].
Fosfomycin-Trometamol
Nach den neuesten Studienergebnissen gilt Fosfomycin-Trometamol als ein Mittel der Wahl zur empirischen Behandlung der unkomplizierten Zystitis bei ansonsten gesunden Frauen. Es war Cotrimoxazol, Trimethoprim und Nitrofurantoin in Studien nicht unterlegen. Die Resistenzraten sind gering – nach den Ergebnissen der ARESC-Studie für Deutschland hatte Fosfomycin-Trometamol die höchste Aktivität gegen Escherichia coli (97,9%) und gegen das Gesamtspektrum (96,1%) (Tab. 3). Hinzu kommt, dass die beim Einsatz von Antibiotika immer gefürchteten Kollateralschäden ebenfalls gering sind [2].
Die Einmalgabe von Fosfomycin-Trometamol erfüllt die Empfehlung einer möglichst kurzzeitigen Therapie der unkomplizierten Zystitis. Frauen über 50 kg Körpergewicht lösen einmalig einen Beutel (entsprechend 3 g Fosfomycin) in einem Glas Wasser (ca. 150–200 ml) oder einem anderem alkoholfreien Getränk auf [4] (allgemeiner Hinweis zur Einnahme von Antibiotika bei Harnwegsinfektionen siehe Infokasten 2). Bei zusätzlicher Einnahme von Metoclopramid sollte laut Fachinformation eine zeitversetzte Einnahme (etwa 2 bis 3 Stunden) stattfinden, da ansonsten in Untersuchungen eine Verringerung der im Urin benötigten hohen Konzentrationen des Wirkstoffs festgestellt wurde. Das Granulat sollte sofort nach dem Auflösen etwa 2 Stunden vor bzw. nach einer Mahlzeit eingenommen werden. Für die Praxis von Vorteil ist, dass das auf dem Markt befindliche Fertigarzneimittel gluten- und lactosefrei ist.
Fosfomycin-Trometamol ist zur Behandlung akuter unkomplizierter Harnwegsinfektionen bei weiblichen Patientinnen vom 12. bis 65. Lebensjahr zugelassen. Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren soll es nicht verabreicht werden, da hier noch zu wenige Erfahrungen vorliegen [4]. Für die Behandlung einer Pyelonephritis oder die Anwendung bei Männern ist Fosfomycin-Trometamol nicht zugelassen.
Infokasten 2: Beratungstipp für die Anwendung von Antibiotika bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen
Entgegen der sonstigen Empfehlung, bei Erkältungen und anderen leichteren Infektionen viel zu trinken, ist es wichtig, bei der Verordnung und Abgabe von Antibiotika zur Therapie von Harnwegsinfektionen darauf hinzuweisen, die übliche Trinkmenge nicht zu erhöhen, damit das Antibiotikum nicht so stark verdünnt wird, dass im ungünstigsten Fall seine minimale Hemmkonzentration unterschritten und damit die rasche Erregerelimination gefährdet wird. Ferner würde das eingenommene Antibiotikum bei übermäßigem Trinken auch zu rasch aus den Harnwegen „gespült“, wodurch eine – gerade bei Harnwegsinfektionen sehr erwünschte – möglichst lange Präsenz und somit Wirkdauer am Infektionsort nicht gegeben wäre.
Nitrofurantoin
Gegenüber Nitrofurantoin waren Escherichia-coli-Stämme nach der ARESC-Studie zu 95,4% sensibel, das Gesamtspektrum jedoch nur zu 86,3%. Da jedoch Escherichia-coli-Stämme mit 76,7% am gesamten Erregerspektrum bei der unkomplizierten Zystitis beteiligt sind, gilt Nitrofurantoin nach der S3-Leitlinie als weiteres Mittel der Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis bei ansonsten gesunden nicht schwangeren Frauen in einer Dosierung von 2-mal 100 mg täglich als Retardform über 5(–7) Tage. Nitrofurantoin darf in Deutschland nur verabreicht werden, wenn effektivere und risikoärmere Antibiotika oder Chemotherapeutika nicht einsetzbar sind. In Studien war die fünftägige empirische Therapie mit Nitrofurantoin einer dreitägigen Cotrimoxazol-Therapie vergleichbar. Wie auch Fosfomycin-Trometamol verursacht Nitrofurantoin nur geringfügige Kollateralschäden [2].
Trimethoprim als Monotherapie oder in Kombination mit einem Sulfonamid
Cotrimoxazol und Trimethoprim waren die in den vergangenen Jahren am häufigsten bei der unkomplizierten Zystitis verschriebenen Antibiotika. Nach den Daten der ARESC-Studie liegen die Resistenzraten sowohl von Escherichia coli als auch des gesamten Erregerspektrums bei über 25,0% [2]. Da folglich mit einem vermehrten Therapieversagen gerechnet werden muss, werden Trimethoprim und Cotrimoxazol in der aktuellen Leitlinie nicht mehr als Mittel der ersten Wahl für die empirische Therapie der Zystitis empfohlen, es sei denn, es liegen deutlich niedrigere Resistenzraten als 20% vor [2] (Minderheitenvotum der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin: Sie ist der Meinung, dass eine Behandlung mit Trimethoprim trotz der gestiegenen Resistenzraten bei der überwiegenden Mehrheit der Patienten erfolgreich durchgeführt werden kann [2]).
Therapieempfehlungen für verschiedene Patientengruppen (geltend für Deutschland)
Antibiotikatherapie bei ansonsten gesunden, nicht schwangeren Frauen in der Prämenopause
Frauen erkranken häufiger an Zystitis und Pyelonephritis als Männer gleichen Alters. Faktoren wie zeitnaher Geschlechtsverkehr, Gebrauch von Diaphragma und Spermiziden, vorangegangene asymptomatische Bakteriurien, Harnwegsinfektionen in der Anamnese, jugendliches Alter bei der ersten Harnwegsinfektion und Harnwegsinfektionen in der Familienanamnese erhöhen das Risiko für eine Harnwegsinfektion bei Frauen [2].
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis
Bei Frauen dieser Patientengruppe mit den typischen Beschwerden einer Zystitis wird eine empirische Kurzzeittherapie empfohlen. Es ist nicht sinnvoll, routinemäßig vor Therapiebeginn eine Urinkultur anzulegen, da die Infektion zumeist bereits ausgeheilt ist, bis das Ergebnis vorliegt [2].
Erkrankt eine Patientin aber zum ersten Mal an einer unkomplizierten Zystitis oder ist die Patientin dem Arzt bisher nicht bekannt, sollte neben einer genauen Anamnese und körperlichen Untersuchung auch eine Urinuntersuchung, gegebenenfalls auch mikroskopisch, durchgeführt werden (siehe auch Abb. 1) [2].
Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis bei ansonsten gesunden Frauen in der Prämenopause sind Fosfomycin-Trometamol und Nitrofurantoin (Tab. 4). Nur wenn diese beiden antibakteriellen Wirkstoffe nicht eingesetzt werden können, sollten Cotrimoxazol, Trimethoprim, Fluorchinolone, Cephalosporine und Aminopenicilline kombiniert mit Beta-Lactamase-Inhibitoren für die empirische Therapie der unkomplizierten Zystitis erwogen werden. Bei der Auswahl des Antibiotikums sollte dann beachtet werden, dass die lokale Resistenzrate der Erreger für das vorgesehene Präparat unter 20% liegt [2].
Tab. 4. Empfohlene orale Antibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis bei ansonsten gesunden, nicht schwangeren Frauen in der Prämenopause [2]
Mittel der ersten Wahl |
Tagesdosierung |
Therapiedauer |
Fosfomycin-Trometamol |
1×3000 mg |
1 Tag |
Nitrofurantoin |
4×50 mg |
7 Tage |
Nitrofurantoin retardiert |
2×100 mg |
5 Tage |
Mittel der zweiten Wahl |
Tagesdosierung |
Therapiedauer |
Ciprofloxacin |
2×250 mg |
3 Tage |
Levofloxacin |
1×250 mg |
3 Tage |
Norfloxacin |
2×400 mg |
3 Tage |
Ofloxacin |
2×200 mg |
3 Tage |
Cefpodoximproxetil |
2×100 mg |
3 Tage |
Cotrimoxazol* |
2×160/800 mg |
3 Tage |
Trimethoprim* |
2×200 mg |
5 Tage |
* wenn die lokale E.-coli-Resistenzrate <20% beträgt
Greift die Antibiotikatherapie nicht und sind die Beschwerden nach wie vor vorhanden, muss anhand einer Urinuntersuchung einschließlich Kultur nach resistenten Bakterien gesucht und eine entsprechende Therapie mit einem anderen Antibiotikum eingeleitet werden. Weiterhin sollte der Arzt gezielt nach weiteren, bisher noch nicht erkannten Risikofaktoren forschen. Auch ein Therapieversagen aufgrund mangelnder Compliance der Patientin ist möglich und sollte im Patientengespräch angesprochen und abgeklärt werden.
Tritt ein klinisches Rezidiv auf, sollten ebenfalls eine Urinuntersuchung inklusive Urinkultur durchgeführt und die Antibiotika-Therapie entsprechend umgestellt werden.
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis
Leichte und mittelschwere Verlaufsformen sollten mit einer oralen Antibiotikatherapie behandelt werden (Tab. 5). Bei schweren Verläufen mit systemischen Begleiterscheinungen sollte zumindest zu Beginn eine parenterale Antibiotikabehandlung erfolgen (das klinische Vorgehen bei einer akuten Pyelonephirits bei erwachsenen Frauen ist in der S3-Leitlinie in Form eines Algorithmus dargestellt).
Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der unkomplizierten Pyelonephritis bei ansonsten gesunden Frauen in der Prämenopause sind Fluorchinolone, vorausgesetzt die lokale Resistenzrate für Escherichia coli liegt unter 10%. Sind diese nicht einsetzbar, kann Cefpodoximproxetil als Mittel der zweiten Wahl verordnet werden, eventuell auch Ceftibuten. Beide Arzneistoffe verfügen über die gleiche klinische Effektivität wie Fluorchinolone, mikrobiologisch sind sie jedoch nicht gleichwertig [2]. Cotrimoxazol sollte in der empirischen Ersttherapie der unkomplizierten Pyelonephritis nicht mehr verwendet werden. Es kann aber im Anschluss an eine parenteral durchgeführte Antibiotikatherapie zur oralen Anwendung eingesetzt werden, sofern es eine ausreichende Aktivität gegen die vorliegenden Erreger aufweist [2] (Tab. 5).
Antiobiotikatherapie der asymptomatischen Bakteriurie
Eine asymptomatische Bakteriurie kommt bei ansonsten gesunden Frauen häufig vor und verursacht in der Regel keine Komplikationen. Deshalb bedarf es bei dieser Patientengruppe weder eines Screenings noch einer Therapie der asymptomatischen Bakteriurie [2].
Antibiotikatherapie bei ansonsten gesunden Schwangeren ohne Risikofaktoren
In der Schwangerschaft treten symptomatische Harnwegsinfektionen und asymptomatische Bakteriurien gehäuft auf. Bei Schwangeren sollten sowohl symptomatische Harnwegsinfektionen als auch asymptomatische Bakteriurien mit Antibiotika behandelt werden, da beide möglicherweise mit Frühgeburtlichkeit, reduziertem Geburtsgewicht, erhöhter neonataler Mortalität und Präeklampsie einhergehen können.
Bei der Auswahl des Antibiotikums ist auf mögliche unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf den Embryo bzw. Fetus zu achten [2].
Die Autoren der S3-Leitlinie verweisen darauf, dass im Wesentlichen Penicillinderivate, Cephalosporine oder Fosfomycin-Trometamol zur Behandlung bei Schwangeren in Erwägung gezogen werden sollen [2]. In der Schwangerschaft werden länger dauernde und höher dosierte Therapieregime empfohlen.
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis
Zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis bei Schwangeren wird in der Regel eine Therapie über 7 Tage mit Cefalexin oder Aminopenicillinen empfohlen. Zur Kurzzeittherapie ist die Datenlage bei Schwangeren noch nicht so gut wie bei Nichtschwangeren; im Wesentlichen kommen Fosfomycin-Trometamol in der Einmaltherapie oder orale Cephalosporine der Gruppen 2 (Cefuroximaxetil) und 3 (Ceftibuten, Cefpodoximproxetil, Cefixim) infrage [2]. Im Anschluss an die Behandlung sollte die Erregereradikation durch Urinkultur verifiziert werden [2].
Tab. 5. Empfohlene orale Antibiotikatherapie bei leichten bis mittelschweren Verlaufsformen der unkomplizierten Pyelonephritis bei ansonsten gesunden, nicht schwangeren Frauen in der Prämenopause [2]
Mittel der ersten Wahl1 |
Tagesdosierung |
Therapiedauer |
Ciprofloxacin |
2×500–750 mg |
7–10 Tage |
Levofloxacin |
1×(250–)500 mg 1×750mg |
7–10 Tage 5 Tage |
Mittel der zweiten Wahl |
Tagesdosierung |
Therapiedauer |
Cefpodoximproxetil |
2×200 mg |
10 Tage |
Ceftibuten |
1×400 mg |
10 Tage |
Cotrimoxazol2 |
2×160/800 mg |
14 Tage |
Amoxicillin/Clavulansäure2 |
2×875/125 mg 3×500/125 mg |
14 Tage 14 Tage |
¹ Voraussetzung ist eine E.-coli-Resistenzrate von < 10%; ² bei bekannter Erregerempfindlichkeit, nicht zur empirischen Therapie
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis
Pyelonephritiden sind bei Schwangeren häufiger als bei Nichtschwangeren. Neben körperlicher Untersuchung und Urinkultur sollte bereits bei Verdacht auf eine Pyelonephritis eine Ultraschalluntersuchung der Nieren und Harnwege vorgenommen werden. Zudem sollte bei an einer Pyelonephritis erkrankten Schwangeren eine stationäre Behandlung früher als bei Nichtschwangeren erwogen werden.
Zur empirischen Therapie der Pyelonephritis bei Schwangeren werden Cephalosporine der Gruppen 2 und 3 empfohlen. Im Anschluss an die Therapie sollte der Behandlungserfolg anhand einer Urinkultur überprüft werden [2].
Antibiotikatherapie der asymptomatischen Bakteriurie
Asymptomatische Bakteriurien erhöhen bei Schwangeren das Infektionsrisiko. Deshalb sollte bei Schwangeren ein Screening durchgeführt (Tab. 1) und bei Vorliegen einer asymptomatischen Bakteriurie eine Antibiotikatherapie (in der Regel über 5–7 Tage) verordnet werden, um Mutter und Kind nicht zu gefährden. Vor Therapiebeginn sollte ein Antibiogramm erstellt und dann mit einer gezielten Behandlung begonnen werden. Im Anschluss an die Therapie sollte eine Erfolgskontrolle mittels Urinkultur durchgeführt werden.
Antibiotikatherapie bei ansonsten gesunden Frauen in der Postmenopause
In der Postmenopause kommt es aufgrund eines Rückgangs der Estrogenproduktion zu einer Atrophie der vaginalen Schleimhäute, zu einer pH-Wert-Veränderung und zu einer verminderten Besiedelung durch Laktobazillen [2]. Diese Faktoren fördern die Besiedelung mit Enterobacteriaceae und Anaerobiern und damit die Entwicklung von Harnwegsinfektionen [2].
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis
Neueste Studienergebnisse lassen den Schluss zu, dass sich die Behandlung der unkomplizierten Zystitis bei ansonsten gesunden Frauen in der Postmenopause nicht von der bei Frauen in der Prämenopause unterscheiden sollte. Die Empfehlungen zu Antibiotikaauswahl und -dosierung stimmen für die beiden Patientengruppen überein [2]. Allerdings müssen eventuelle Altersbeschränkungen bzw. Kontraindikationen in der Fachinformation beachtet werden. Außerdem können mit zunehmendem Alter vorliegende Grunderkrankungen und bereits bestehende Medikationen die Antibiotikaauswahl beeinflussen [2].
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis
Auch die Behandlung der Pyelonephritis bei Frauen in der Postmenopause sollte sich nach den Empfehlungen für prämenopausale Frauen richten [2].
Antibiotikatherapie der asymptomatischen Bakteriurie
Die asymptomatische Bakteriurie ist bei ansonsten gesunden Frauen in der Postmenopause nicht zu therapieren, da sie keine nachteiligen Folgen hat [2].
Antibiotikatherapie bei ansonsten gesunden jüngeren Männern
Harnwegsinfektionen sind bei Männern zwar seltener als bei Frauen, doch verlaufen sie meist komplizierter und bedürfen einer differenzierten Abklärung. Risikofaktoren für das Auftreten einer Harnwegsinfektion können Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Partnerin, Analverkehr und Vorhautveränderungen sein [2].
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis
Für die Behandlung der unkomplizierten Zystits bei ansonsten gesunden jüngeren Männern empfehlen die Autoren der S3-Leitlinie – mit Ausnahme von Fosfomycin-Trometamol und Nitrofurantoin – die gleichen Antibiotika wie bei Frauen (Tab. 4) [2].
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis
Zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Verlaufsformen der Pyelonephritis sollten Fluorchinolone für 7 bis 10 Tage zum Einsatz kommen. Voraussetzung ist, dass die lokale Escherchia-coli-Resistenzrate unter 10% liegt.
Antibiotikatherapie der asymptomatischen Bakteriurie
Die asymptomatische Bakteriurie bedarf auch bei Männern keiner speziellen Therapie.
Antibiotikatherapie bei ansonsten gesunden Patienten mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Zystitis
Bei stabiler Stoffwechsellage unterscheidet sich die Antibiotikatherapie von Diabetikern nicht von der von Nichtdiabetikern. Eine stabile Stoffwechsellage ist gegeben, wenn der HbA1c-Wert unter 7,5% liegt, keine Neigung zu Hypo- oder Hyperglykämie und keine diabetische Nephropathie vorliegen. Auch bei Diabetikern ist der vorherrschende Erreger Escherichia coli [2].
Bei instabiler Stoffwechsellage, ausgeprägter Insulinresistenz und drohenden Organkomplikationen muss unter Umständen stationär behandelt werden [2].
Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis
Ansonsten gesunde Patienten mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage (s. o.) sollten wie Patienten ohne Diabetes behandelt werden. Die Therapiedauer wird durch den klinischen Verlauf der Infektion bestimmt [2].
Antibiotikatherapie der asymptomatischen Bakteriurie
Bei einer asymptomatischen Bakteriurie ist bei Diabetikern mit einer stabilen Stoffwechsellage – ebenso wie bei Nichtdiabetikern – keine Behandlung erforderlich. Es sollte jedoch eine obstruktive anatomische Veränderung ausgeschlossen werden [2].
Tab. 6 . Handelsnamen-Beispiele für die in der Leitlinie zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen empfohlenen Antibiotika*
Arzneistoffe |
Handelsnamen (Beispiele) |
Fosfomycin-Trometamol |
Monuril® |
Nitrofurantoin/Nitrofurantoin retardiert |
Nifurantin®/Nitrofurantoin-ratiopharm Retardkapseln |
Cefuroximaxetil Ceftibuten Cefpodoximproxetil Cefixim Cefalexin |
Cefuroxim Sandoz Keimax® Orelox® Cephoral® Cephalex-CT |
Ciprofloxacin Levofloxacin Norfloxacin Ofloxacin |
Ciprobay® Tavanic® Norfloxacin STADA® Tarivid® |
Cotrimoxazol |
Cotrim-ratiopharm® |
Trimethoprim |
Infectotrimet® |
Amoxicillin/Clavulansäure |
Augmentan® |
*in der Leitlinie sind keine Handelsnamen angegeben
Interessenkonflikte
Prof. Dr. Egid Strehl: Vorträge für die Firmen Pfizer und Sanofi-Aventis
Heidegun Blümle: keine Interessenkonflikte
Literatur
1. Strehl E, Spiegelhalter K. Leitlinienentwicklung und -qualität heute. PZ Prisma 2010;17:153–62.
2. S3-Leitlinie AWMF-Register-Nr. 043/044 Harnwegsinfektionen – Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen.pdf (letzter Zugriff 06.05.2011).
3. Naber KG, Schito G, Botto H, Palou J, et al. Surveillance study in Europe and Brazil on clinical aspects and antimicrobial resistance epidemiology in females with cystitis (ARESC): implications for empiric therapy. Eur Urol 2008;54:1164–75.
4. Fachinformation Monuril®, März 2010.
5. Hummer-Pradier E, Koch M, Ohse AM, Heizmann WR, et al. Antibiotic resistance of urinary pathogens in female general practice patients. Scand J Infect Dis 2005;37:256–61.
Prof. Dr. Egid Strehl, Heidegun Blümle, Apotheke des Klinikums der Universität, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg, E-Mail: egid.strehl@klinikum.uni-freiburg.de
S3-guideline on urinary tract infections (UTI) – latest recommendations for the therapy of uncomplicated UTI in adults
According to the recommendations of the S3-guideline on UTI, fosfomycin trometamol and nitrofurantoin are the drugs of first choice for the treatment of uncomplicated cystitis in (non-pregnant) women. Penicillin derivatives, cephalosporins and fosfomycin trometamol are to be provided for pregnant women, and fluorchinolones for the initial treatment of men.
When treating pyelonephritis in women and men, the use of fluorchinolones is preferable, while generation 2- and 3-cephalosporins are to be preferred for pregnant women. The treatment of otherwise healthy premenopausal women does not differ from that of post-menopausal women nor does that of diabetics with a stable metabolism differ from that of non-diabetics.
A urine culture should be performed not routinely but in order to assess the treatment of more difficult clinical situations.
The data on the local resistance rate of the spectrum of pathogens should always be considered when selecting the therapy, particularly with respect to fluorchinolones, co-trimoxazole and trimethoprim. The guideline recommendations are mainly designed to cure patients suffering from UTI following an effective therapy which should be as short as possible.
Key words: Guidelines, antibiotic therapy, urinary-tract-infection
Arzneimitteltherapie 2011; 29(06)