Frühes Mammakarzinom

Genexpressionsanalysen beeinflussen die Therapieentscheidung


Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

Die molekularbiologischen Informationen eines Genchips tragen beim frühen Mammakarzinom dazu bei, die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs einzuschätzen. Wie sich diese zusätzliche Information auf die Therapieentscheidung der behandelnden Ärzte auswirkt, wurde in mehreren Studien untersucht. Ergebnisse dieser Studien wurden bei einer von Genomic Health veranstalteten Pressekonferenz vorgestellt.

Während manche Patientinnen in der adjuvanten Situation beim frühen Mammakarzinom einen Nutzen von einer Chemotherapie haben, erfahren andere Patientinnen lediglich deren unerwünschte Wirkungen – insbesondere dann, wenn die Chemotherapie zusätzlich zu einer endokrinen Therapie gegeben wird. Um abzuschätzen, ob der Nutzen einer Chemotherapie die möglichen schweren Nebenwirkungen überwiegt, werden neben den üblichen prädiktiven und prognostischen Faktoren wie Hormonrezeptor-Status, HER2-Status, Größe und Differenzierung des Tumors zunehmend molekularbiologische Untersuchungen herangezogen. Die bekanntesten Tests zur Bestimmung des Genexpressionsprofils eines Tumors sind der Oncotype DX® Brustkrebs-Assay und der MammaprintTM. Beide Tests werden seit einigen Jahren in vielen Ländern eingesetzt, in Deutschland bislang meist im Rahmen von Studien.

Der Oncotype DX® Brustkrebs-Assay

Der erste Schritt des Oncotype DX® Brustkrebs-Assays ist die Gewinnung und Aufreinigung von Ribonukleinsäure (RNS) aus paraffinfixiertem Gewebematerial. Die RNS wird dann mittels der sogenannten real-time RT-PCR (reverse transcriptase-polymerase chain reaction) analysiert. Untersucht werden die Eigenschaften und die Aktivität von insgesamt 21 Genen: 16 dieser Gene sind Tumorgene, die übrigen fünf Gene dienen als Referenz (Tab. 1). Aus den Ergebnissen der einzelnen Tests wird ein Rezidiv-Score (Recurrence Score®) errechnet. Dieser Score, der Werte zwischen 1 und 100 annehmen kann, gibt die Wahrscheinlichkeit an, innerhalb von 10 Jahren nach Erstdiagnose ein Rezidiv zu erleiden. Er ermöglicht die Einteilung in drei Risikogruppen: bei einem Score <17 gilt das Risiko als niedrig, bei einem Score von 18 bis 30 als mittel und bei einem Score >31 als hoch. Der Score liefert ferner Hinweise darauf, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Patientin einen Nutzen von einer adjuvanten Chemotherapie hat.

Tab. 1. Gene, die vom Oncotype DX® Brustkrebs-Assay erfasst werden

Gene mit Einfluss auf die Proliferation:

KI-67, STK15, Survivin, Cyclin B1, MYBL2

Gene mit Einfluss auf die Invasion in andere Gewebe:

Stromelysin 3, Cathepsin L2

Gene, die mit dem Estrogenrezeptor in Verbindung stehen:

ER, PR, Bcl2, SCUBE2

Gene, die mit dem Rezeptor HER2 in Verbindung stehen:

GRB7, HER2

Andere tumorassoziierte Gene:

GSTM1, CD68, BAG1

Referenzgene:

Beta-actin, GAPDH, RPLPO, GUS, TFRC

HER2: Human epidermal growth factor receptor 2

Der Test eignet sich allerdings nicht für alle Brustkrebspatientinnen, sondern nur für

  • Patientinnen mit einem frühen Mammakarzinom im Stadium I oder II ohne Lymphknotenbefall und mit positivem Estrogenrezeptor-Status, bei denen bereits eine anti-hormonelle Therapie eingeleitet wurde und
  • für postmenopausale Patientinnen mit einem Mammakarzinom im Stadium II bis III mit Lymphknotenbefall und positivem Hormonrezeptor-Status.

Der Test wurde bisher weltweit in 13 Studien untersucht, an denen mehr als 4000 Brustkrebspatientinnen teilnahmen. Er wurde 2004 in den USA eingeführt und wird mittlerweile in mehreren internationalen Leitlinien (z.B. ASCO, NCCN) empfohlen.

Einfluss des Oncotype DX® Brustkrebs-Assays auf die Therapieentscheidung der behandelnden Ärzte

Ob und wie sich die Therapieentscheidung der Ärzte verändert, wenn zusätzlich zu den üblichen Kriterien die Ergebnisse des Oncotype DX® Brustkrebs-Assays berücksichtigt werden, wurde in mehreren Studien untersucht. Im Rahmen der 12. Sankt-Gallen-Konferenz (Infokasten) wurde eine Metaanalyse von neun internationalen Studien vorgestellt, in denen der Einsatz des Gentests bei Patientinnen mit frühem Brustkrebs untersucht wurde. An den Studien, die unter anderem in Deutschland, Spanien, England, Frankreich, Griechenland, Ungarn und Japan durchgeführt wurden, nahmen rund 1150 Patientinnen teil.

Infokasten: St.-Gallen-Konferenz

Alle zwei Jahre findet in Sankt Gallen (Schweiz) ein internationaler Kongress zum frühen Mammakarzinom statt. Die mehrtägige Konferenz endet nach ausführlichen Diskussionen mit Konsensusbeschlüssen zu wichtigen Themen. Diese Ergebnisse fließen in internationale und nationale Leitlinien ein, allerdings unter Berücksichtigung länderspezifischer Eigenheiten und Möglichkeiten. Wenige Tage nach Ende des Kongresses werden die in Sankt Gallen gefassten Beschlüsse in einem Gremium deutscher Experten diskutiert und bewertet. Die Beschlüsse fließen dann unter anderem in die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie ein.

Bei rund einem Drittel der Patientinnen änderten die behandelnden Ärzte ihre Therapieempfehlungen nach Kenntnis der Ergebnisse des Gentests. Bei etwa einem Viertel aller Patientinnen wurde eine ursprüngliche Empfehlung für eine Chemotherapie revidiert.

An einer in Deutschland durchgeführten prospektiven Studie (German multicentre decision impact study of oncotype DX recurrence score on adjuvant treatment in estrogen receptor positive node negative and node positive early breast cancer) nahmen 149 Patientinnen mit Lymphknoten-negativem und 48 Patientinnen mit Lymphknoten-positivem Brustkrebs im Frühstadium teil. Die Zwischenanalyse dieser Studie lieferte folgende Ergebnisse:

  • Der mithilfe des Gentests ermittelte Rezidiv-Score veränderte die Empfehlung für die adjuvante Therapie bei 38% der Lymphknoten-negativen Patientinnen und bei 48% der Lymphknoten-positiven Frauen
  • Nach Kenntnis des Rezidiv-Scores wurde die Therapieempfehlung häufiger von einer kombinierten Therapie (Chemotherapie plus Hormontherapie) zugunsten einer alleinigen Hormontherapie geändert; ein Wechsel von einer alleinigen Hormontherapie auf eine kombinierte Therapie war seltener
  • Nach der Durchführung des Gentests sank die Anwendung einer Chemotherapie um 17%.

Was empfiehlt die diesjährige, 12. Konsensuskonferenz von St. Gallen?

Die Frage, ob der Oncotype DX® Brustkrebs-Assay eingesetzt werden kann, um das Ansprechen einer Chemotherapie bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren vorherzusagen, beantworteten 84% des Panels mit ja, 11% mit nein und 5% enthielten sich der Stimme. Die deutschen Experten sind unterschiedlicher Meinung, da die Daten auf retrospektiven Untersuchungen beruhen. Sie empfehlen den Einsatz von Gentests im Rahmen von Studien. In Einzelfällen kann die Risikoeinschätzung mithilfe des Oncotype DX®-Gentests hilfreich sein.

Quellen

Prof. Dr. Joan Albanell, Barcelona, Prof. Dr. Wolfgang Eiermann, München, Simon Holt, London, Dr. Frédérique Penault-Llorca, Clermont-Ferrand, Steve Shak, Kalifornien. Europäische Medienkonferenz „Chemo? No chemo? The newly available Oncotype DX Breast Cancer Assay helps you find an answer”, Zürich, 16. März 2011, veranstaltet von Genomic Health.

Prof. Dr. Andreas Schneeweis, Heidelberg, „Brustkrebstherapie im Wandel – Neues aus San Antonio und St. Gallen“, München, 1. und 2. April 2001, veranstaltet von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(09)