ATTRACT-1-Studie

Vadimezan bei Lungenkrebs enttäuschend


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Das gefäßzerstörend wirkende Vadimezan (Novartis) zeigte in der Phase-III-Studie ATTRACT-1 (Antivascular targeted therapy researching ASA404 in cancer treatment) nicht die erhoffte Wirkung. Die weitere Entwicklung der Substanz wurde mittlerweile eingestellt. Ergebnisse der ATTRACT-1-Studie wurden auf dem Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Juni dieses Jahres in Chicago vorgestellt.

Vadimezan (ASA404) gehört zur neuen Klasse der gefäßzerstörenden Substanzen (Vascular disrupting agents, VDA), die in proliferierendem Tumorgewebe bereits gebildete Gefäße zerstören. Die Durchblutung des Tumorgewebes wird unterbrochen, es kommt zur Tumornekrose. Bislang ist bekannt, dass Vadimezan direkt auf Gefäßendothelzellen wirkt und die Freisetzung des von-Willebrand-Faktors und von lokalen Zytokinen stimuliert, der genaue Angriffspunkt ist aber noch unklar.

Studiendesign

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Vadimezan wurden in der Phase-III-Studie ATTRACT-1 (Antivascular targeted therapy researching ASA404 in cancer treatment) untersucht. Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium IIIB/IV aller Histologien erhielten randomisiert bis zu sechs Zyklen Paclitaxel/Carboplatin allein oder in Kombination mit Vadimezan. Bei Ansprechen sollten die Patienten bis zur Progression weiter mit Vadimezan als Erhaltungstherapie behandelt werden.

Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS); zu den sekundären Endpunkten gehörten progressionsfreies Überleben (PFS), Ansprechrate und Sicherheit.

Egebnisse

Die Studie wurde vom Sicherheitskomitee am 29. März 2010 wegen Unwirksamkeit abgebrochen. Beim ASCO 2011 wurden die Überlebensdaten vom 1. Juni 2010 präsentiert:

Die fast 1300 Patienten hatten ein medianes Alter von 61 Jahren, 62% waren Männer, 25% Asiaten, an einem Nicht-Plattenepithelkarzinom waren 75% erkrankt. Im Median waren die Patienten initial mit fünf Zyklen behandelt worden, in der Erhaltungstherapie mit 3 bis 4 Zyklen.

Wie die Ergebnisse in Tabelle 1 zeigen, unterschied sich die Wirksamkeit im Vadimezan-Arm nicht von der im Vergleichsarm. Auch in den verschiedenen Subgruppen ließen sich keine Unterschiede erkennen. Im Vadimezan-Arm wurden keine schwerwiegenden zusätzlichen Nebenwirkungen wie Hämoptyse, vaskuläre oder kardiale Toxizitäten gesehen.

Tab. 1. ATTRACT-1-Studie: Wirksamkeit von Paclitaxel (P)/Carboplatin (C) ohne oder mit Vadimezan bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC [nach Lara]

Wirksamkeitsparameter

Vadimezan plus P/C

(n = 649)

Plazebo plus P/C

(n = 650)

Hazard-Ratio

p-Wert

Gesamtüberleben (Median)

13,4 Monate

12,7 Monate

1,008

0,535

Progressionsfreies Überleben (Median)

5,5 Monate

5,5 Monate

1,042

0,727

Gesamtansprechen [n (%)]

160 (24,7)

160 (24,6)

Komplettes Ansprechen [n (%)]

2 (0,3)

3 (0,5)

Partielles Ansprechen [n (%)]

158 (24,3)

157 (24,2)

Stabile Erkrankung [n (%)]

257 (39,6)

257 (39,5)

Progression [n (%)]

102 (20,0)

130 (20,0)

Diskussion

Es wurden verschiedene Gründe für die Befunde diskutiert. So wurde kritisch vermerkt, dass der Vadimezan-Effekt aufgrund der kleinen Patientenzahlen in den Phase-II-Studien überschätzt wurde, zumal dort Plazebo-Kontrollgruppen und Verblindung fehlten. Das Überleben der Patienten im Kontrollarm in der Phase II war zudem relativ schlecht. Dagegen war die Gesamtüberlebenszeit im Kontrollarm der ATTRACT-Studie mit 12,7 Monaten deutlich länger als erwartet. Möglicherweise war die Dosierung von Vadimezan mit 1800 mg/m2 nicht hoch genug. In Phase-II-Studien war es mit einer Dosierung ab 2400 mg/m2 zu Sehstörungen und zur Verlängerung der QT-Zeit gekommen, deshalb wurde eine niedrigere Dosis für die Phase III gewählt. Eine Dosiseskalationsstudie fehlt allerdings bislang.

Wie geht es mit den VDA weiter?

Novartis hat die weitere Entwicklung von Vadimezan gestoppt. In klinischer Entwicklung befindliche VDA sind beispielsweise Ombrabulin (Sanofi-Aventis), das sich in Phase III für die Indikation Sarkom und in Phase II beim NSCLC befindet. Fosbrebatulin von Oxigene und Plinabulin von Nerus Pharma stehen noch am Anfang der klinischen Entwicklung. Alle drei Substanzen greifen an den Mikrotubuli an, während der Angriffspunkt von Vadimezan bislang unbekannt ist. Weitere mit Tubulin interagierende VDA sind Verubulin, ABT751 (negative Studie bei NSCLC), TZT 1027 (negative Studie bei NSCLC) oder MN029.

Bislang ist kein Biomarker zur Erkennung von Patienten verfügbar, für die VDA besonders nützlich sein könnten. Die große Zahl negativer Phase-III-Studien in den letzten zehn Jahren, in die etwa 27000 Patienten eingeschlossen worden waren, zeigt, dass das Risiko des Therapieversagens bei den sogenannten gezielt wirkenden Therapien bei Fehlen eines entsprechenden Biomarkers besonders hoch ist.

Quellen

Lara PJ, et al. Randomized phase III placebo-controlled trial of carboplatin/paclitaxel (CP) with or without the vascular-disrupting agent vadimezan (ASA404) in advanced non-small cell lung cancer (NSCLC). ASCO 2011, Chicago, 3. bis 7. Juni 2011, J Clin Oncol 2011;29(Suppl): Abstr 7502.

Soria JC. Vascular disrupting agents: is there a future? ASCO 2011, Chicago, 3. bis 7. Juni 2011, Diskutant 3. Juni 2011.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(09)