Intravenöse Immunglobuline in der Therapie der multiplen Sklerose


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Diese Ausgabe der Arzneimitteltherapie enthält unter anderem einen wichtigen Beitrag von Herrn Professor Stangel aus Hannover zum Stellenwert der intravenösen Immunglobuline in der Therapie der multiplen Sklerose (MS). Die Übersichtsarbeit beschreibt ein Dilemma der modernen Medizin:

Streng genommen sollten nur Therapien Verwendung finden, deren Wirksamkeit in ausreichend großen prospektiven randomisierten Plazebo-kontrollierten Studien belegt wurde. Wenn dies der Fall ist, können die entsprechenden Therapien auch in Leitlinien aufgenommen werden. Die Durchführung solcher Studien ist bei den meisten Therapien auch Voraussetzung für die Zulassung durch die nationalen und europäischen Behörden. Wenn dieser Schritt vollzogen ist, ist in der Regel auch die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen kein Problem. Ein anderer Aspekt ist die sogenannte Off-Label-Therapie. Der Einsatz von Arzneistoffen außerhalb ihrer Zulassung ist möglich, wenn es sich um eine schwerwiegende Krankheit handelt, die entweder lebensbedrohlich ist oder zu schweren bleibenden Schäden führt, wenn andere Therapien nicht wirksam, kontraindiziert oder unverträglich waren und wenn es zumindest eine begrenzte Evidenz der Wirksamkeit gibt.

Die Übersicht von Professor Stangel zeigt, dass die Datenlage zu den intravenösen Immunglobulinen bei der multiplen Sklerose sehr heterogen ist. Einer Reihe von kleineren Studien zur schubförmigen MS mit positiver Nutzenbewertung steht eine sehr gute prospektive Plazebo-kontrollierte Studie gegenüber, in der Immunglobuline nicht besser waren als Plazebo. Bei sorgfältiger Abwägung der Evidenz für und gegen die Wirksamkeit intravenöser Immunglobuline bei der schubförmigen multiplen Sklerose ist es fast unmöglich, eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Ein besonderes Problem sind Frauen mit multipler Sklerose, bei denen die Erkrankung während der Schwangerschaft exazerbiert. Hier sind die gängigen immunmodulatorischen Therapien kontraindiziert. Immunglobuline haben den großen Vorteil, dass sie auch in der Schwangerschaft fast keine Nebenwirkungen haben und nicht teratogen wirken. Demgegenüber steht die sehr spärliche Datenlage, aus der sich nicht eindeutig entnehmen lässt, dass Immunglobuline zur Schubprophylaxe der MS während der Schwangerschaft wirklich wirksam sind. Das Problem wird noch dadurch akzentuiert, dass eine Behandlung mit Immunglobulinen sehr teuer ist und daher die Entscheidung zum Einsatz bei Frauen mit MS in der Schwangerschaft sehr kritisch abgewogen werden muss.

Es wäre außerordentlich begrüßenswert, wenn sich einer der großen Hersteller von Immunglobulinen doch entschließen könnte, eine ausreichend gepowerte prospektive Studie zur Wirksamkeit intravenöser Immunglobuline zur Schubprophylaxe der MS durchzuführen – bevorzugt allerdings bei Frauen während der Schwangerschaft. Möglicherweise könnte sich auch das Kompetenznetz Multiple Sklerose mit einer entsprechenden Studie beim Studienprogramm „Klinische Studien“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bewerben.

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