Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Patienten mit Vorhofflimmern haben gegenüber Patienten mit einem Sinusrhythmus ein 5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko. Durch eine orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon (z. B. Marcumar®) oder Warfarin (Coumadin®) kann das Schlaganfallrisiko um 60 bis 70% reduziert werden. Vitamin-K-Antagonisten haben allerdings viele Nachteile, darunter eine schlecht vorhersehbare Pharmakodynamik und -kinetik, Interaktionen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten und die Notwendigkeit regelmäßiger Gerinnungskontrollen. Darüber hinaus geht die Gabe von Vitamin-K-Antagonisten mit einem nicht unerheblichen Blutungsrisiko einher. Dies erklärt, warum sie nur von etwa der Hälfte der Patienten eingenommen werden, bei denen die Indikation für eine orale Antikoagulation besteht. Apixaban (Eliquis®) ist ein neuer selektiver oraler Faktor-Xa-Antagonist, der in einer fixen Dosierung gegeben wird. Bislang ist Apixaban zur Prophylaxe venöser Thromboembolien bei erwachsenen Patienten nach einer elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperation zugelassen.
Studiendesign
Bei der ARISTOTLE(Apixaban for reduction in stroke and other thromboembolic events in atrial fibrillation)-Studie handelte es sich um eine prospektive randomisierte verblindete Studie, in die 18201 Patienten mit Vorhofflimmern und mindestens einem weiteren vaskulären Risikofaktor eingeschlossen wurden. Die Patienten waren im Mittel 70 Jahre alt und hatten im Durchschnitt einen CHADS2-Score (Tab. 1) von 2,1. 35,3% der Studienteilnehmer waren Frauen.
Tab.1. CHADS2-Score
CHADS2-Risikofaktoren |
|
C |
Congestive heart failure (klinisch manifeste Herzinsuffizienz) |
H |
Hypertonie |
A |
Alter >75 Jahre |
D |
Diabetes mellitus (behandelt) |
S2 |
Schlaganfall oder transitorische ischämische Attacke (TIA) (2 Punkte!) |
Jeder der ersten 4 Faktoren wird mit 1 Punkt bewertet, ein Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke in der Vorgeschichte mit 2 Punkten. Die Summe ergibt den CHADS2-Score; je höher der Score, desto größer das Risiko für thromboembolische Ereignisse.
Die Patienten erhielten entweder 5 mg Apixaban 2-mal täglich oder Warfarin mit einem Ziel-INR (International Normalized Ratio) von 2,0 bis 3,0.
Der primäre Wirksamkeitsendpunkt umfasste Schlaganfälle und systemische Embolien. Wichtigster sekundärer Studienendpunkt war Tod aufgrund jeglicher Ursache. Als primärer Sicherheitsendpunkt wurde die Rate an schwerwiegenden Blutungskomplikationen untersucht.
Die Studie war darauf ausgerichtet, zunächst die Nichtunterlegenheit von Apixaban gegenüber Warfarin zu belegen. Der Nachweis einer möglichen Überlegenheit von Apixaban in der Reduktion des primären Wirksamkeits- und Sicherheitsendpunkts sowie der Rate an Todesfällen aufgrund jeglicher Ursache sollte in einem zweiten Schritt erfolgen.
Es stand in der AMT
Dabigatran zur Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern. Arzneimitteltherapie 2011;29:294–301.
Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern: Rivaroxaban – eine neue Alternative zur Warfarin. Arzneimitteltherapie 2011;29:321–3.
Ergebnisse
Die Patienten wurden im Mittel 1,8 Jahre lang beobachtet.
Die Häufigkeit von Schlaganfällen und systemischen Embolien betrug in der Apixaban-Gruppe 1,27% pro Jahr und in der Warfarin-Gruppe 1,60% pro Jahr (Hazard-Ratio [HR] 0,79; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,66–0,95; p<0,001 für Nichtunterlegenheit; p=0,01 für Überlegenheit). Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion um 21% zugunsten von Apixaban.
Die Rate an schwerwiegenden Blutungskomplikationen lag bei 2,13% pro Jahr für Apixaban und bei 3,09% pro Jahr für Warfarin (HR 0,69; 95%-KI 0,60–0,80; p<0,001).
Die Sterblichkeit betrug 2,52% pro Jahr mit Apixaban im Vergleich zu 3,94% mit Warfarin (HR 0,89; 95%-KI 0,80–0,99; p=0,047).
Hämorrhagische Schlaganfälle waren unter Apixaban um relativ 49% gegenüber Warfarin reduziert (0,24% versus 0,47% pro Jahr; HR 0,51; 95%-KI 0,35–0,75; p<0,001). Ischämische Insulte traten in beiden Behandlungsgruppen mit vergleichbarer Häufigkeit auf (0,97% versus 1,05% pro Jahr; HR 0,92; 95%-KI 0,74–1,13; p=0,42).
Apixaban wurde gut vertragen, insbesondere kam es nicht zu Veränderungen der Leberwerte.
Kommentar
In der Zwischenzeit gibt es drei neue Substanzen, die in großen randomisierten Studien bei Patienten mit Vorhofflimmern zur Schlaganfallprävention eingesetzt wurden. Dabigatran wurde in der RE-LY-Studie untersucht, Rivaroxaban in der ROCKET-AF-Studie und Apixaban in der ARISTOTLE-Studie. Direkte Vergleichsstudien mit den drei Substanzen gibt es bislang nicht; aufgrund der dafür erforderlichen hohen Patientenzahlen sind solche Studien in absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten. Daher ist man auf indirekte Vergleiche angewiesen:
Nach den Ergebnissen der großen Studien unterscheidet sich Apixaban von Dabigatran (150 mg Dabigatranetexilat 2-mal täglich) durch eine geringere Rate an schwerwiegenden Blutungskomplikationen. Unter 150 mg Dabigatranetexilat 2-mal täglich kam es jedoch neben einer signifikanten Reduktion der Rate an zerebralen Blutungen auch zu einer signifikanten Abnahme der Rate an ischämischen Insulten.
Bei Patienten mit hohem Schlaganfallrisiko ist demnach wahrscheinlich Dabigatran (150 mg Dabigatranetexilat 2-mal täglich) die bessere Wahl, während Patienten mit hohem Blutungsrisiko eher mit Apixaban behandelt werden sollten.
Quelle
Granger CB, et al.; ARISTOTLE committees and investigators. Apixaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2011;365:981–92.
Arzneimitteltherapie 2011; 29(12)