Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Rund 60% der Patienten mit NSCLC sind über 60 Jahre alt, zwischen 35 und 40% sind älter als 70 Jahre. Die weit verbreitete Ansicht, dass das Lungenkarzinom bei älteren Menschen weniger rasch fortschreitet, ist aber eindeutig falsch. Beim älteren Patienten sind jedoch die therapeutischen Möglichkeiten durch Komorbiditäten und eine Reihe weiterer Faktoren, die die Verträglichkeit der Chemotherapie einschränken können, limitiert (Tab. 1). National und international wird empfohlen, ältere Patienten mit einer Monotherapie aus Gemcitabin oder Vinorelbin zu behandeln. Allerdings gibt es durchaus fitte ältere Patienten, die auch eine aggressivere Behandlung vertragen. Insbesondere bei gutem Allgemeinzustand scheinen Effektivität und Nutzen einer Chemotherapie bei älteren und jüngeren Patienten vergleichbar zu sein. Bei sehr gebrechlichen älteren Patienten muss die Indikation jedoch sehr zurückhaltend gestellt werden.
Tab. 1. Faktoren, die bei älteren Patienten die Verträglichkeit einer Chemotherapie einschränken können [nach Ficker]
Komorbiditäten |
Zunahme des Körperfettanteils |
Abnahme des Körperwassergehalts |
Funktionseinschränkungen von Nieren und Leber |
Eingeschränkte Knochenmarkreserve |
Schlechter Ernährungsstatus |
Mentaler Status |
Emotionaler Status |
Geriatrische Symptome wie Demenz, Sturzneigung, Inkontinenz |
Mehrfachmedikation |
Bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC sind Symptomlinderung, Verbesserung der Lebensqualität und Verlängerung des Überlebens die wichtigsten Ziele der palliativen Behandlung. Seit April 2008 ist für Patienten mit fortgeschrittenem, nichtplattenepithelialem NSCLC die Kombinationsbehandlung mit Pemetrexed (Alimta®) und Cisplatin zugelassen.
In der für die Zulassung relevanten, auf Nichtunterlegenheit angelegten Studie von Scagliotti et al. (J Clin Oncol 2008;26:3543–51), an der 1725 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC teilnahmen, konnte durch die Erstlinientherapie mit Pemetrexed/Cisplatin eine mit Gemcitabin/Cisplatin vergleichbare Wirksamkeit erreicht werden (Gesamtüberleben median jeweils 10,3 Monate). Patienten mit nichtplattenepithelialem NSCLC überlebten bei Behandlung mit Pemetrexed/Cisplatin signifikant länger (11,8 Monate) als bei Therapie mit Gemcitabin/Cisplatin (10,4 Monate). Am deutlichsten fiel der Überlebensvorteil bei Patienten mit Adenokarzinomen aus: Sie lebten bei Gabe von Pemetrexed/Cisplatin im Median 12,6 Monate im Vergleich zu 10,9 Monaten unter Gemcitabin/Cisplatin (p=0,03). In beiden Studienarmen war jeweils etwa ein Drittel der Patienten 65 Jahre alt oder älter. Sie profitierten tendenziell sogar stärker von der Behandlung als die unter 65-Jährigen.
Neben der Wirksamkeit spricht die gute Verträglichkeit der Kombination aus Pemetrexed und Cisplatin für die Anwendung bei älteren Patienten. Im Pemetrexed/Cisplatin-Arm waren Neutropenie, Anämie und Thrombozytopenie (p≤0,001), febrile Neutropenie (p=0,002) und Alopezie (p<0,001) vom Grad 3 oder 4 signifikant seltener als im Vergleichsarm.
Die Verträglichkeit wurde in der Studie von Scagliotti et al. zusätzlich durch die Erfassung der „Überlebenszeit ohne therapiebedingte höhergradige Nebenwirkungen“ berücksichtigt. Das Gesamtüberleben ohne therapiebedingte Grad-3/4-Toxizitäten war im Gesamtkollektiv bei Gabe von Pemetrexed/Cisplatin mit 5,6 Monaten signifikant länger als bei Gabe von Gemcitabin/Cisplatin mit 2,8 Monaten (HR=0,70; p<0,001). Bei Patienten mit nichtplattenepithelialer Tumorhistologie fiel dieser Nutzen noch deutlicher aus: Die mediane Überlebenszeit betrug unter Pemetrexed/Cisplatin 5,9 Monate, unter Gemcitabin/Cisplatin dagegen nur 2,8 Monate (HR=0,64; p<0,001). Pemetrexed zeichnet sich also im Vergleich zu anderen Zytostatika durch ein günstiges Nebenwirkungsprofil aus; die nichthämatologischen und hämatologischen Toxizitäten sind deutlich geringer ausgeprägt.
Quelle
Prof. Dr. Joachim H. Ficker, Prof. Dr. Wolfgang Brückl, Klinikworkshop „Update NSCLC: Der ältere Lungenkrebspatient im Fokus“, Nürnberg, 11. Oktober 2011, veranstaltet von Lilly Oncology.
Arzneimitteltherapie 2011; 29(12)