Nicht-ST-Hebungsinfarkt

Ticagrelor auch bei Patienten ohne geplante Invasivbehandlung besser als Clopidogrel


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Rosemarie Ziegler, Albershausen

Ebenso wie im Gesamtkollektiv der PLATO-Studie war Ticagrelor Clopidogrel auch in der Subgruppe der Patienten, bei denen initial keine invasive Behandlung vorgesehen war, im primären Endpunkt (kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall) überlegen. Schwere Blutungen waren unter Ticagrelor numerisch häufiger, der Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant.

In der aktuellen ESC-Leitlinie zum Management des akuten Koronarsyndroms bei Patienten ohne persistierende ST-Hebung wird bei niedrigem Risiko zunächst ein nichtinvasives Vorgehen empfohlen. Ein niedriges Risiko liegt vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: kein erneutes Auftreten der Brustschmerzen, keine Anzeichen einer Herzinsuffizienz, keine Auffälligkeiten im EKG (initial und bei Wiederholung nach 6–9 Stunden), kein erhöhter Troponin-T-Spiegel (initial und nach 6–9 Stunden) und keine induzierbare Ischämie. Unabhängig davon, ob eine invasive Therapie erfolgt oder nicht, wird für Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt eine duale Plättchenhemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS; z. B. Aspirin®) und Clopidogrel (z. B. Iscover®, Plavix®) über 12 Monate empfohlen.

Die beiden Inhibitoren des ADP-Rezeptors P2Y12 Clopidogrel und Prasugrel (Efient®) sind Prodrugs, die durch das Cytochrom-P450-System erst zu den aktiven Metaboliten metabolisiert werden müssen, was einen verzögerten Wirkungseintritt zur Folge hat. Außerdem binden sie irreversibel an den Thrombozytenrezeptor, so dass die Blutplättchen während ihrer gesamten Lebensdauer beeinträchtigt sind. Das seit Januar 2011 verfügbare Ticagrelor (Brilique®) gehört zur neuen chemischen Substanzklasse der Cyclopentyltriazolopyrimidine, ist kein Prodrug und blockiert P2Y12 reversibel. Da der Arzneistoff eine kürzere Halbwertszeit hat, muss er zweimal am Tag eingenommen werden.

Studiendesign und -ergebnisse

In der PLATO-Studie (Platelet inhibition and patient outcomes study) waren 18624 Patienten mit instabiler Angina pectoris, Nicht-ST- oder ST-Hebungsinfarkt eingeschlossen und erhielten entweder Ticagrelor (initial 180 mg, dann 2-mal täglich 90 mg) oder Clopidogrel (initial 300–600 mg, dann 1-mal täglich 75 mg), jeweils in Kombination mit ASS. Ticagrelor war Clopidogrel im primären kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall signifikant überlegen (9,8% vs. 11,7%; Hazard-Ratio [HR] 0,84; p<0,001).

Bei 5216 Patienten (28%) der PLATO-Studie war zum Zeitpunkt der Randomisierung eine nichtinvasive Behandlung vorgesehen. In dieser prädefinierten Subgruppe erhielten 2601 Patienten Ticagrelor und 2615 Patienten Clopidogrel [1]. Wie in der Hauptstudie trat der primäre Endpunkt auch in der präspezifizierten Subgruppenanalyse unter Ticagrelor seltener ein als unter Clopidogrel (12,0% vs. 14,3%; HR 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,73–1,00; p=0,04). Auch die Gesamtsterblichkeit (6,1% vs. 8,2%) und die kardiovaskuläre Mortalität (5,5% vs. 7,2%) waren bei Behandlung mit Ticagrelor geringer (p=0,01 bzw. 0,02). Schwere Blutungen kamen unter Ticagrelor etwas häufiger vor (11,9% vs. 10,3%), der Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant (p=0,08).

Bedeutung für die Praxis

Ticagrelor erhielt in den aktuellen europäischen Revaskularisierungsleitlinien (Stand 2010) eine Klasse-1-Empfehlung für die invasive Behandlung des akuten Koronarsyndroms in Kombination mit ASS. Nach Meinung des Autors des Editorials [2] wird eine ähnliche Empfehlung für die nichtinvasive Behandlung bald folgen.

Quellen

1. James SK, et al. Ticagrelor versus Clopidogrel in patients with acute coronary syndromes intended for non-invasive management: substudy from prospective randomised PLATelet inhibition and patient Outcomes (PLATO) trial. BMJ 2011;342:d3527.

2. Timmis A. Non-interventional management of acute coronary syndromes. BMJ 2011;342:d3263.

Arzneimitteltherapie 2011; 29(12)