Chronische lumboradikuläre Schmerzen

Kaudale epidurale Glucocorticoid-Injektionen sind nicht wirksam


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Epidurale Injektionen von Triamcinolonacetonid sind bei chronischer lumbaler Radikulopathie nicht wirksam, wie eine randomisierte, verblindete Studie in Norwegen zeigte.
Mit einem Kommentar des Autors.

Chronische Rückenschmerzen und chronische lumbale Radikulopathien sind ein sehr häufiges Syndrom. Sie sind die häufigste Ursache für eine vorzeitige Berentung. Die Lebenszeitprävalenz der lumbalen Radikulopathie beträgt 5,3% bei Männern und 3,7% bei Frauen. Bei etwa 50% der Patienten bessern sich die Beschwerden spontan, bei 30% liegen nach einem Jahr noch ausgeprägte Symptome vor.

Seit mehr als 30 Jahren werden epidurale Steroidinjektionen zur Behandlung von radikulären Schmerzen eingesetzt, obwohl ein überzeugender wissenschaftlicher Beweis der Wirksamkeit, insbesondere auf den mittel- und langfristigen Verlauf, aussteht.

Studienziel und -design

In der vorliegenden Studie sollte der Nutzen einer wiederholten epiduralen Glucocorticoid-Gabe im Vergleich mit physiologischer Kochsalzlösung und einer Scheininjektion auf den kurz-, mittel- und langfristigen Verlauf einer chronischen lumbalen Radikulopathie untersucht werden.

Es handelt sich um eine prospektive, multizentrische, verblindete, randomisierte, kontrollierte Studie, die in Norwegen durchgeführt wurde. Zwischen Oktober 2005 und Februar 2009 wurden 461 Patienten gescreent, die seit mehr als 12 Wochen unter unilateralen chronischen lumboradikulären Schmerzen litten.

Letztendlich wurden 133 Patienten randomisiert und in drei Behandlungsgruppen eingeteilt:

  • Subkutane Scheininjektion von 2 ml Kochsalzlösung
  • Kaudale epidurale Injektion von 30 ml Kochsalzlösung 0,9%
  • Kaudale epidurale Injektion von 40 mg Triamcinolonacetonid in 29 ml Kochsalzlösung 0,9%

Die Injektionen wurden zweimal im Abstand von zwei Wochen von erfahrenen Anästhesisten durchgeführt, die wegen des Einschlusses der Scheininjektionsgruppe nicht bezüglich der Studienmedikation verblindet waren, aber angehalten waren, über die Medikation nicht mit dem Patienten zu sprechen.

Der primäre Zielparameter war der Oswestry Disability Index Score als Maß für die Behinderung im Alltag. Sekundäre Endpunkte waren die Lebensqualität gemäß European Quality of Life Measure sowie visuelle Analogskalen für Schmerzen im Bereich von Rücken und Beinen. Die Zielparameter wurden nach 6, 12 und 52 Wochen von einem Physiotherapeuten und einem Arzt erhoben, die bezüglich der Gruppenzugehörigkeit der Patienten verblindet waren.

Studienergebnisse

Am Ende fanden sich 40 Patienten in der Scheininjektionsgruppe, 39 in der Kochsalzlösungsgruppe und 37 in der Glucocorticoid-Gruppe: Das mittlere Alter betrug 42 Jahre und 60% der Patienten waren Männer. Im Schnitt litten die Patienten seit 46 bis 63 Wochen unter Rückenschmerzen, seit 27 bis 58 Wochen unter radikulären Schmerzen, die ins Bein ausstrahlten, und die mittlere Dauer der Krankschreibung wegen der Beschwerden betrug zwischen 14 und 21 Wochen. Die meisten Patienten hatten ein L5/S1-Syndrom. Die Kernspintomographie zeigte bei zwei Drittel der Patienten eine Bandscheibenprotrusion.

Weder für den primären Endpunkt noch für alle sekundären Endpunkte ergab sich nach 6, 12 und 52 Wochen ein Unterschied zwischen den drei Therapiegruppen.

Kommentar

Es ist ein großer Verdienst der Arbeitsgruppe aus Norwegen, zu dieser schmerztherapeutisch sehr umstrittenen Fragestellung jetzt eine vernünftige randomisierte und Plazebo-kontrollierte Studie durchgeführt zu haben. In früheren Studien war immer wieder kritisiert worden, dass nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass die Injektion eines größeren Volumens (z.B. 20 ml) physiologischer Kochsalzlösung eine biologische Wirkung haben könnte. Daher haben die Autoren in der vorliegenden Studie richtigerweise auch eine Gruppe mit Scheininjektionen untersucht. Insgesamt zeigt die Studie, dass ganz offenbar der Spontanverlauf dieser Beschwerden relativ gut ist und dass epidurale Glucocorticoid-Injektionen keinen therapeutischen Effekt haben.

Quelle

Iversen T, et al. Effect of caudal epidural steroid or saline injection in chronic lumbar radiculopathy: multicentre, blinded, randomised controlled trial. BMJ 2011;343:d5278.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(01)