Vorhofflimmern

Kein Effekt von Irbesartan auf die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Bei Patienten mit Vorhofflimmern bewirkte die Einnahme von Irbesartan (z.B. Aprovel®) neben der gerinnungshemmenden Therapie zwar eine Blutdrucksenkung, hatte aber keinen Einfluss auf die Häufigkeit tödlicher und nichttödlicher kardiovaskulärer Ereignisse während der gut vierjährigen Beobachtungzeit.
Mit einem Kommentar des Autors.

Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung eines Vorhofflimmerns ist die arterielle Hypertonie. Beide Erkrankungen spielen eine wichtige Rolle beim Zustandekommen von Schlaganfällen. Substanzen, die das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System hemmen, sollten theoretisch über eine reine blutdrucksenkende Wirkung hinaus eine Schutzfunktion am Endothel ausüben und das Remodeling des Herzens bei Herzinsuffizienz erleichtern. Die Frage, ob ein Angiontensinrezeptorantagonist („Sartan“) in der Lage ist, das Risiko vaskulärer Ereignisse bei Patienten mit Vorhofflimmern zu reduzieren, sollte in der ACTIVE-I-Studie (Atrial fibrillation clopidogrel trial with irbesartan for prevention of vascular events) untersucht werden.

An der randomisierten, doppelblinden und Plazebo-kontrollierten Studie nahmen 9016 Patienten mit Vorhofflimmern teil, die bereits im Rahmen von zwei anderen Studien (ACTIVE A, ACTIVE W) mit Acetylsalicylsäure +/– Clopidogrel oder einem oralen Antikoagulans behandelt wurden. Mit einem systolischen Blutdruck ≥110 mmHg und ohne Behandlung mit einem Angiogensinrezeptorantagonisten qualifizierten die Patienten sich für die ACTIVE I, in der sie randomisiert mit 300 mg Irbesartan (n=4518) oder Plazebo (n=4498) behandelt wurden. Andere blutdruckwirksame Arzneistoffe (z.B. Betablocker, Diuretika, ACE-Hemmer) waren zusätzlich erlaubt bzw. konnten beibehalten werden.

Erster primärer Endpunkt war die Kombination aus Schlaganfall, Myokardinfarkt und vaskulärem Tod, zweiter primärer Endpunkt die Kombination aus Schlaganfall, Myokardinfarkt und vaskulärem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.

Die Patienten wurden im Mittel über 4,1 Jahre beobachtet. Der systolische Blutdruck bei Studieneinschluss betrug 138 mmHg und der diastolische Blutdruck 82 mmHg. Die Blutdrucksenkung gegenüber dem Ausgangswert war in der Irbesartan-Gruppe im Vergleich mit der Plazebo-Gruppe in Bezug auf den systolischen Blutdruck um 2,9 mmHg und in Bezug auf den diastolischen Blutdruck um 1,9 mmHg stärker.

Für keinen der beiden primären Endpunkte ergaben sich statistisch signifikante Unterschiede: Die Kombination aus Schlaganfall, Myokardinfarkt und vaskulär bedingtem Tod kam in beiden Gruppen mit einer Häufigkeit von 5,4% pro 100 Patientenjahre vor. Wurde zusätzlich die Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz berücksichtigt, ergab sich eine Häufigkeit des Endpunkts von 7,3% pro 100 Personenjahre in der Irbesartan-Gruppe und 7,7% pro 100 Patientenjahre in der Plazebo-Gruppe. Auch für die Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz allein ergaben sich keine Unterschiede.

Als Nebenwirkungen traten in der Irbesartan-Gruppe häufiger eine symptomatische arterielle Hypotension (127 vs. 64 Fälle) und Nierenfunktionsstörungen (43 vs. 24 Fälle) auf.

Kommentar

Bemerkenswert ist der relativ geringe Unterschied im systolischen und diastolischen Blutdruck zwischen Irbesartan und Plazebo. Dies mag daran liegen, dass die Patienten im Vergleich zu früheren Studien eine deutlich optimierte antihypertensive Therapie jenseits von Irbesartan erhalten hatten – die meisten Patienten nahmen mindestens ein weiteres Antihypertensivum.

Bezogen auf alle vaskulären Endpunkte ging die ACTIVE-I-Studie negativ aus. Allerdings gab es einen Trend zugunsten der Prävention von Schlaganfällen und zerebralen Blutungen unter Irbesartan. So betrug die Häufigkeit von Schlaganfällen 379 unter Irbesartan und 411 unter Plazebo (p=0,20). Die Kombination aus Schlaganfall, transitorischen ischämischen Attacken (TIA) und systemischen Embolien war mit 515 unter Irbesartan und 584 unter Plazebo sogar signifikant (p=0,02).

Quelle

The ACTIVE I Investigators. Irbesartan in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2011;364:928–38.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(01)