Nierentransplantation

Belatacept verspricht Hoffnung für die Langzeittherapie


Elke Engels, Bad Vilbel, und Dr. Tanja Liebing, Stuttgart

Nach einer Nierentransplantation benötigt jeder Patient eine lebenslange Immunsuppressionstherapie. Während die Überlebensquote von Patient und Transplantat im ersten Jahr nach der Operation dadurch deutlich verbessert werden kann, besteht noch Optimierungsbedarf in der Langzeittherapie, die für die Patienten mit erheblichen Nebenwirkungen durch die verabreichten Calcineurininhibitoren verbunden ist. Der seit 17. Juni 2011 zugelassene T-Zell-Kostimulationsblocker Belatacept zeigte mit Ciclosporin vergleichbare Transplantat- und Patientenüberlebensraten bei besserer Erhaltung der Nierenfunktion. Im Rahmen eines Pressegesprächs der Firma Bristol-Myers Squibb am 23. August 2011 in München wurde das neue Immunsuppressivum vorgestellt.

Aktuelle Zahlen zeigen, dass eine Nierentransplantation im ersten Jahr bei 90% der Patienten den gewünschten Erfolg zeigt, während bei jedem fünften Patienten innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Operation das Transplantat abgestoßen wird oder nicht funktionsfähig ist. Nach zehn Jahren benötigt jeder zweite Patient ein neues Transplantat, kehrt zur Dialyse zurück oder stirbt [1–3], was mitunter durch die Immunsuppressionstherapie selbst begründet sein kann.

Derzeit werden zur Erhaltungstherapie als Mittel der Wahl Calcineurininhibitoren eingesetzt. Diese verursachen unter anderem renale, kardiovaskuläre und metabolische Nebenwirkungen.

Neu zugelassen wurde im Juni 2011 der Kostimulationsblocker Belatacept (NulojixTM). Das Arzneimittel ist in Kombination mit Glucocorticoiden und einer Mycophenolsäure indiziert für die Prophylaxe einer Transplantatabstoßung bei Erwachsenen, die eine Nierentransplantation erhalten haben. Für die Induktionstherapie (siehe Kasten) wird empfohlen, einen Interleukin(IL)-2-Rezeptorantagonisten hinzuzufügen [8].

Dosierungsschema von Belatacept [5]

Belatacept wird als 30-minütige intravenöse Infusion verabreicht.

Dosis Induktionsphase:

Tag 1 (der Transplantation): 10 mg/kg

Tag 5, 14 und 28: 10 mg/kg

Ende der Woche 8 und der Woche 12 nach der Transplantation: 10 mg/kg

Dosis Langzeittherapie:

Alle 4 Wochen (±3 Tage), beginnend mit Ende der Woche 16 nach der Transplantation: 5 mg/kg

Belatacept ist ein lösliches Fusionsprotein, das aus Ovarialzellen des chinesischen Hamsters gewonnen wird. Es bindet CD80 und CD86 auf Antigen-präsentierenden Zellen, blockiert dadurch die CD28-vermittelte Kostimulation von T-Zellen, verhindert deren Aktivierung und damit Abstoßungsreaktionen gegen das Transplantat.

Belatacept ist ein lösliches Fusionsprotein, das aus Ovarialzellen des chinesischen Hamsters gewonnen wird. Es bindet CD80 und CD86 auf Antigen-präsentierenden Zellen, blockiert dadurch die CD28-vermittelte Kostimulation von T-Zellen, verhindert deren Aktivierung und damit Abstoßungsreaktionen gegen das Transplantat.

Dosierungsschema von Belatacept [5]

Belatacept wird als 30-minütige intravenöse Infusion verabreicht.

Dosis Induktionsphase:

Tag 1 (der Transplantation): 10 mg/kg
Tag 5, 14 und 28: 10 mg/kg
Ende der Woche 8 und der Woche 12 nach der Transplantation: 10 mg/kg

Dosis Langzeittherapie:

Alle 4 Wochen (±3 Tage), beginnend mit Ende der Woche 16 nach der Transplantation: 5 mg/kg

BENEFIT und BENEFIT-EXT

In zwei randomisierten, multizentrischen, kontrollierten Phase-III-Studien wurden zwei Dosisregime von Belatacept mit Ciclosporin verglichen (hoch bzw. niedrig dosiert; die niedrigere Dosierung stimmt mit der zugelassenen überein). Alle Patienten bekamen in der ersten Woche nach der Operation zusätzlich Glucocorticoide, Mycophenolsäure und den Interleukin-2-Rezeptorantagonisten Basiliximab verabreicht.

Kombinierter primärer Studienendpunkt waren das Überleben der Patienten und Transplantate nach 12 Monaten, der Anteil der Patienten mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) <60 ml/min/1,73 m2 oder einer Abnahme der GFR ≥10 ml/min/1,73 m² zwischen drittem und zwölftem Monat sowie bei der BENEFIT-Studie die Rate der Transplantatabstoßungen.

In die BENEFIT-Studie wurden 666 Empfänger von Spenderorganen mit Standardkriterien eingeschlossen. Diese waren definiert als Organe von lebenden Spendern oder von verstorbenen Spendern mit einer erwarteten kalten Ischämiezeit von <24 Stunden. In die BENEFIT-EXT-Studie wurden Empfänger von Spenderorganen mit erweiterten Kriterien eingeschlossen. Dazu zählten beispielsweise ein Alter ≥60 Jahre oder eine erwartete kalte Ischämiezeit von ≥24 Stunden. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1. Ergebnisse der BENEFIT- und BENEFIT-EXT-Studie der Patienten, die eine Niedrigdosistherapie (LI: low intensive; Dosierung gemäß Zulassung) erhielten

BENEFIT

BENEFIT-EXT

Belatacept-LI

(n=226)

Ciclosporin

(n=221)

Belatacept-LI

(n=175)

Ciclosporin

(n=184)

Überleben von Patient und Transplantat [%] (95%-KI)*

96,5 (94,1–98,9)

93,2 (89,9–96,5)

88,6 (83,9–93,3)

85,3 (80,2–90,4)

Beeinträchtigung der Nierenfunktion
[% der Patienten]

54,2

77,9

76,6

84,8

p-Wert

<0,0001

<0,07

Akute Abstoßungsreaktion [%] (95%-KI)*

17,3 (12,3–22,2)

7,2 (3,8–10,7)

*p-Werte nicht angegeben

Unter Belatacept waren das Überleben der Patienten und das Nierentransplantatüberleben vergleichbar mit dem unter Ciclosporin, trotz häufigeren Auftretens von Abstoßungsreaktionen. Zudem erreichten unter Belatacept weniger Patienten den Endpunkt „Beeinträchtigung der Nierenfunktion“ als unter Ciclosporin (bei Patienten mit Standard-Spenderniere und Niedrigdosis war das Ergebnis signifikant). Bei Patienten mit Spenderniere nach erweiterten Kriterien war hinsichtlich der Nierenfunktion nur das intensive Behandlungsregime signifikant überlegen.

Verträglichkeit

Zu den in klinischen Studien häufigsten berichteten Nebenwirkungen (≥1/10) von Belatacept zählen Harnwegsinfektion, Infektion des oberen Respirationstrakts, CMV-(Zytomegalievirus-)Infektion, Anämie, Leukopenie und Dysfunktion des Transplantats.

Aufgrund der Risiken von Belatacept, insbesondere für eine Post-Transplantations-Lymphoproliferationsstörung (PTLD) des ZNS, wird mit der Zulassung nur das niedrig dosierte Regime empfohlen. Das Risiko für PTLD war in klinischen Studien unter Belatacept-Therapie bei Patienten mit einer negativen Eppstein-Barr-Virus-Serologie erhöht. Bei diesen Patienten oder bei unbekanntem EBV-Serologie-Status ist Belatacept daher kontraindiziert.

Bei älteren Patienten sowie bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich. Bei Patienten mit Leberschäden ist Belatacept nicht untersucht worden. Daher können bei Leberschäden keine Dosisänderungen des Arzneimittels empfohlen werden.

Die Arzeimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) fordert zur besseren Beurteilung des Stellenwerts von Belatacept weitere Vergleichsdaten und Daten zur Langzeitprognose, da bislang nur gegen ein Regime getestet wurde, das derzeit nicht mehr die Therapie der ersten Wahl ist [4] (eine große Multizenterstudie mit nierentransplantierten Patienten zeigte, dass die Therapie mit Daclizumab [Induktionstherapie], Mycophenolatmofetil und Glucocorticoiden in Kombination mit niedrig dosiertem Tacrolimus nach einem Jahr bessere Ergebnisse hinsichtlich Nierenfunktion, Abstoßungsreaktionen sowie Transplantatüberleben zeigte verglichen mit entsprechenden Ciclosporin- bzw. Sirolimus-Regimen bzw. mit normal dosiertem Ciclosporin, Mycophenolatmofetil und Glucocorticoiden [ohne Induktionstherapie] [6]).

Quelle

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Uwe Heemann, München. Pressegespräch „Kostimulationsblockade mit NulojixTM (Belatacept) – Neues Wirkprinzip in der Transplantationsmedizin“, München, 23. August 2011, veranstaltet von Bristol-Myers Squibb.

Literatur

1. United States Renal Data System 2008 Annual Report. Bethesda, MD: National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK), National Institutes of Health (NIH), US Department of Health and Human Services.

2. Nankivell BJ, et al. The natural history of chronic allograft nephropathy. New Engl J Med 2003;349:2326–33.

3. Yates PJ, Nicholson ML. The aetiology and pathogenesis of chronic allograft nephropathy. Transpl Immunol 2006;16:148–57.

4. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Nulojix® (Belatacept). Stand: 10.10.2011. www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/2011026-Nulojix.pdf. (Zugriff am 22.11.2011)

5. Fachinformation NulojixTM, Stand Juni 2011.

6. Ekberg H, et al. Reduced exposure to calcineurin inhibitors in renal transplantation. N Engl J Med 2007;357:2562–75.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(02)