Antibiotika: Wären weniger mehr?


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

In Deutschland sollen jährlich 400000 bis 600000 Patientinnen und Patienten an Infektionen erkranken, die in Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme auftreten; 7500 bis 15000 Menschen sterben jährlich daran. 20 bis 30% dieser Infektionen sind nach Meinung der Experten durchaus vermeidbar. Diese alarmierenden Zahlen haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, ein neues Infektionsschutzgesetz zu beschließen, um die Hygienestandards in Kliniken und Praxen zu verbessern.

Ein vorrangiges Ziel der gesetzlich verordneten Maßnahmen ist die Verhinderung der Resistenzentwicklung, zumal Infektionen mit resistenten bzw. multiresistenten Erregern eine besondere therapeutische Herausforderung darstellen. Da Resistenzen immer auch Folge von Antibiotika-Verordnungen sind, ist es richtig, dass der Gesetzgeber gerade diesem Gesichtspunkt besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. So soll zum einen ein Expertenrat, die Kommission „Antiinfektiva, Resistenz und Therapie“, am Robert Koch-Institut (RKI) eingerichtet werden, die verbindliche Empfehlungen zum Antibiotika-Einsatz erarbeiten wird. Zum anderen soll die Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS; nationales Netzwerk zur Surveillance der Antibiotikaresistenz in Deutschland unter Koordination des RKI) weiter ausgebaut werden.

Und damit wären wir bei einem Thema, das seit vielen Jahren auch in Deutschland immer wieder diskutiert wird: Verordnen wir zu häufig Antibiotika? Ich glaube, jeder der die alltägliche Verordnungspraxis verfolgt, muss diese Frage uneingeschränkt bejahen. Lassen Sie mich dies an einigen Beispielen verdeutlichen:

Infektionen des Respirationstrakts sind sehr häufig viral bedingt und erfordern, wenn keine Pneumonie nachgewiesen ist, im Allgemeinen kein Antibiotikum, unabhängig vom Aussehen des Sputums.

Auch Patienten mit einer leichten unkomplizierten Divertikulitis profitieren nicht von einer Antibiotika-Therapie; in einer Studie traten unter Antibiose sogar häufiger Rezidive auf [1].

Um einem unnötigen Antibiotika-Einsatz vorzubeugen, sollten heute nach den Empfehlungen einer aktuellen Leitlinie bei der Diagnostik der Helicobacter-pylori-Besiedelung zwei Tests – in der Regel der Urease-Test und die histologische Untersuchung – zum Einsatz kommen und eine Eradikation nur dann durchgeführt werden, wenn der Erreger durch beide Tests nachgewiesen wurde [2].

In den Niederlanden werden deutlich weniger Antibiotika verordnet als in Deutschland, die infektionsbedingte Mortalität ist dort aber nicht höher.

Doch beim Thema der Antibiotika-Verordnungen zeigt sich wieder einmal das Wesen des kulturellen Widerspruchs, dass man das Gute will und das Falsche tut. Anders formuliert: Weniger wäre im Hinblick auf die Resistenzentwicklung und Antibiotika-assoziierte Erkrankungen wie die Clostridium-difficile-induzierte pseudomembranöse Kolitis sicherlich mehr.

Quellen

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