Skelettbezogene Komplikationen bei Knochenmetastasen

Denosumab verlängert komplikationsfreie Zeit


Andrea Warpakowski, Itzstedt/mt

Der RANK-Ligand-Inhibitor Denosumab (XGEVA®) verzögert im Vergleich zum Bisphosphonat Zoledronsäure das Auftreten sklelettbezogener Komplikationen bei Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren und Knochenmetastasen signifikant um 8,2 Monate. Dieses und weitere Ergebnisse einer integrierten Analyse dreier randomisierter Phase-III-Studien wurden auf einem Symposium im Rahmen des Senologie-Kongresses in Dresden sowie auf der Launch-Pressekonferenz von XGEVA® im September 2011 in München vorgestellt.

Tumorzellen setzen einen „Teufelskreis“ der Knochenzerstörung in Gang: Zum einen fördern sie osteoklastische Umbauprozesse und schaffen so Raum für ihr Wachstum, zum anderen werden bei der Resorption der Knochensubstanz tumorfördernde Substanzen freigesetzt. Bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen sind Knochenmetastasen häufig: Die Inzidenz beträgt beim Mamma- und Prostatakarzinom 65 bis 75%, beim Schilddrüsen-, Nierenzell- und Bronchialkarzinom bis zu 40 bis 60%. Als typisches Symptom der Knochenmetastasen steht der Knochenschmerz, der oft auch erster Hinweis auf Knochenmetastasen ist, bei 50 bis 90% der Patienten im Vordergrund. Weitere Folgen der Knochendestruktion sind pathologische Frakturen (10 bis 40%), Hyperkalzämie (<10%) und spinales Kompressionssyndrom (<5%). Knochenmetastasen erhöhen Mortalität und Morbidität und schränken die Lebensqualität der Patienten in dieser palliativen Situation stark ein.

Eine Prävention der durch Knochenmetastasen hervorgerufenen skelettbezogenen Komplikationen (Sceletal-related events, SRE; siehe Kasten) ist durch eine osteoprotektive Therapie möglich. Antiosteolytischer Therapiestandard zur Behandlung von Patienten mit Knochenmetastasen ist bisher eine hoch dosierte Bisphosphonat-Therapie. Diese verhindert zwar skelettbezogene Komplikationen, allerdings geht sie mit Nebenwirkungen wie Akute-Phase-Reaktion und Nierentoxizität bei Langzeitbehandlung einher. Seit Juli 2011 ist Denosumab (XGEVA®) zur Prävention skelettbezogener Komplikationen bei Erwachsenen mit Knochenmetastasen aufgrund solider Tumoren zugelassen. Denosumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der an RANKL (Receptor activator of nuclear factor kappa b ligand) bindet. Über den RANKL-OPG-Signalweg (OPG: Osteoprotegerin) wird der Knochenauf- und -abbau gesteuert. RANKL und OPG werden von Osteoblasten gebildet. RANKL bindet an den auf der Oberfläche von Präosteoklasten exprimierten Rezeptor RANK und bewirkt somit deren Differenzierung zu aktiven Osteoklasten. Indem OPG an RANKL bindet, verhindert es, dass dieser mit RANK in Wechselwirkung treten kann, und kontrolliert so die Bildung aktiver Osteoklasten. Bei Knochenerkrankungen ist RANKL überexprimiert und führt zu einer erhöhten Aktivität der knochenabbauenden Osteoklasten. Denosumab verhindert durch Bindung an RANKL die RANKL/RANK-Interaktion und reduziert so Zahl und Funktion der aktiven Osteoklasten.

Skelettbezogene Komplikationen:

Knochenmetastasen können schwerwiegende, klinisch bedeutsame Konsequenzen, sogenannte skelettbezogene Komplikationen (SRE, sceletal-related events), nach sich ziehen. Dazu gehören Bestrahlung des Knochens, pathologische Frakturen, Rückenmarkkompression und operative Eingriffe am Knochen

Studiendesign und -ergebnisse

In drei randomisierten verblindeten Phase-III-Studien mit insgesamt 5723 Patienten mit Knochenmetastasen wurde Denosumab (120 mg s. c. alle 4 Wochen) mit Zoledronsäure (4 mg i. v. alle vier Wochen) verglichen. Die eine Studie umfasste 2046 Patientinnen mit Mammakarzinom, die andere 1901 Patienten mit Prostatakarzinom, die dritte 1776 Patienten mit anderen soliden Tumoren oder multiplem Myelom. Primärer Studienendpunkt war in allen drei Studien die Zeit bis zum Auftreten der ersten skelettbezogenen Komplikation (Nichtunterlegenheit); die wichtigsten sekundären Endpunkte waren die Zeit bis zum Auftreten der ersten skelettbezogenen Komplikation (Überlegenheit) und die Zeit bis zur ersten und folgenden skelettbezogenen Komplikation (Überlegenheit).

Die gemeinsame Auswertung der drei Studien ergab unter Denosumab (n=2862) mit 27,6 Monaten eine signifikant längere Zeit bis zum Auftreten der ersten skelettbezogenen Komplikation als unter Zoledronsäure (19,4 Monate; n=2861) (p<0,0001; Abb. 1).

Abb. 1. Integrierte Analyse: Zeit bis zum Auftreten der ersten skelettbezogenen Komplikation (SRE) unter Denosumab bzw. Zoledronsäure HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall

Das Risiko einer ersten und folgenden skelettbezogenen Komplikation verringerte sich mit dem RANKL-Inhibitor um 18%. Die Wirksamkeit von Denosumab war über alle Tumorarten und über alle skelettbezogenen Komplikationen vergleichbar. Auch die Zeit bis zum erstmaligen Auftreten von mittleren bis starken Schmerzen verlängerte sich unter Denosumab (198 versus 143 Tage) und weniger Patienten mussten auf eine stärkere Schmerzmedikation umgestellt werden (Abb. 2).

Abb. 2. Integrierte Analyse: Unter Denosumab mussten weniger Patienten von geringen Analgetika-Dosen (keine Analgetika, nichtnarkotische Analgetika, schwache Analgetika) auf Opioide (≥75 mg orale Morphinäquivalente pro Tag) umgestellt werden [nach Cleeland CS, et al. Ann Oncol 2010;21:8s (Abstract 1248P)] *p<0,05; **p<0,01 (nicht adjustiert für Multiplizität)

Kiefernekrosen traten mit weniger als 2% in beiden Gruppen gleich häufig auf. Vor einer osteoprotektiven Hochdosistherapie sollten die Patienten deshalb zum Zahnarzt gehen und beispielsweise eine Paradontitis behandeln und Zähne ggf. ziehen lassen. Falls eine Zahnextraktion unter der Therapie nötig ist, sollte diese unter Antibiotikagabe erfolgen.

Quellen

Priv.-Doz. Dr. Florian Schütz, Heidelberg, Prof. Dr. Ingo Diel, Mannheim; Symposium „Moderne Osteoonkologie durch RANK-Ligand-Inhibition mit Denosumab“, veranstaltet von Amgen im Rahmen der 31. Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Senologie, Dresden, 23. Juni 2011.

Priv.-Doz. Dr. Diana Lüftner, Berlin, Prof. Dr. Ingo Diel, Mannheim, Dr. Friedrich Overkamp, Recklinghausen; Launch-Pressekonferenz „XGEVA®: Neue Hoffnung für Patienten mit Knochenmetastasen, veranstaltet von Amgen, München, 9. September 2011.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(03)