Mantelzell-Lymphom

Auf dem Weg zur zielgerichteten Therapie


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Temsirolimus (Torisel®) ist in Europa seit 2009 für die Behandlung des refraktären und/oder rezidivierenden Mantelzell-Lymphoms zugelassen. Eine Therapie mit Temsirolimus in der Dosierung 175/75 mg verlängert das progressionsfreie Überleben bei Patienten, bei denen bereits verschiedene Therapieoptionen versagt haben, signifikant gegenüber einer Standardtherapie. Auf einer Veranstaltung der Firma Pfizer Oncology im Rahmen der DGHO-Jahrestagung am 3. Oktober 2011 wurden die zulassungsrelevanten Studienergebnisse nochmals aufgezeigt und derzeit durchgeführte Studien zum früheren Einsatz beim Mantelzell-Lymphom oder zur Anwendung bei aggressiveren Tumoren vorgestellt.

Das Mantelzell-Lymphom (MCL) ist ein B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom. Es hat die schlechteste Prognose aller Lymphome. Die jährliche Inzidenz des Mantelzell-Lymphoms liegt bei 2 bis 3 pro 100000 Einwohner. Aufgrund der unauffälligen Klinik in der frühen Erkrankungsphase wird die Diagnose oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium gestellt.

Charakteristisch für das Mantelzell-Lymphom ist die Translokation t(11;14)(q13;q32), die zu einer Überexpression von Cyclin D1, eines zentralen Mediators der Zellzyklusprogression, führt. Die Translation von Cyclin D1 wird durch mTOR (mammalian target of rapamycin) reguliert. Zur Diagnosestellung des Mantelzell-Lymphoms ist insbesondere der immunhistochemische Nachweis einer Überexpression von Cyclin D1 als Abgrenzungskriterium gegenüber anderen B-Zell-Lymphomen erforderlich.

Die aktuelle Therapiesituation

Das Alter (≤65 Jahre bzw. >65 Jahre) und der Allgemeinzustand der Patienten gelten zunächst als Entscheidungskriterium für die Therapie. Bei den jüngeren Patienten ist zurzeit in der Erstlinie eine intensivierte Therapie mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (CHOP), eventuell in Kombination mit Rituximab (R-CHOP), Standard. Direkt daran oder in zweiter Linie schließen sich bei gutem Allgemeinzustand nach Möglichkeit eine Hochdosis-Chemotherapie und eine allogene Blutstammzelltransplantation mit nachfolgender dosisreduzierter Konsolidierung an. Dies stellt bei fortgeschrittener Erkrankung den einzigen kurativen Therapieansatz dar. Für die Behandlung eines wiederholt rezidivierten Mantelzell-Lymphoms gibt es dagegen noch keine Standardtherapie. Als vielversprechende zielgerichtete Therapien stehen der mTor-Inhibitor Temsirolimus, der Proteasom-Inhibitor Bortezomib oder Thalidomid bzw. Lenalidomid zur Verfügung, wovon Temsirolimus derzeit der einzige in Deutschland spezifisch für die Behandlung des Mantelzell-Lymphoms zugelassene Arzneistoff ist.

Bei älteren oder komorbiden Patienten ist in der Regel keine allogene, sondern allenfalls eine autologe Stammzelltransplantation (PBSCT) möglich. Nach der Immunchemotherapie (R-CHOP, R-FC [Rituximab/Fludarabin/Cyclophosphamid] oder R-Benda [Rituximab/Bendamustin]) erwies sich eine Rituximab-Erhaltungstherapie als wirksam [2]. Nach einer Progression bieten sich wiederum zielgerichtete Therapien wie Temsirolimus an.

Signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens mit Temsirolimus

Seit August 2009 ist der mTOR-Inhibitor Temsirolimus (Torisel®) in Europa für die Behandlung des rezidivierenden und/oder refraktären Mantelzell-Lymphoms zugelassen. Das mTOR-Protein nimmt eine Schlüsselposition in der intrazellulären Signaltransduktionskaskade für Zellproliferation, Apoptose und Angiogenese ein und ist an der Regulation des Zellmetabolismus maßgeblich beteiligt. Temsirolimus inhibiert mTOR und somit die Translation Zellzyklus-regulierender Gene (z.B. des Proteins Cyclin D1), die entscheidend für das Tumorwachstum sind.

In die zulassungsrelevante dreiarmige, multizentrische, offene Phase-III-Studie wurden 161 Patienten eingeschlossen, bei denen bereits mehrere Therapiealternativen ausgeschöpft waren [3]. Die Studienteilnehmer waren mit zwei bis sieben Therapien vorbehandelt. In den Armen 1 und 2 (je n=54) erhielten die Patienten zunächst 175 mg Temsirolimus als wöchentliche Induktionstherapie über drei Wochen, gefolgt von entweder 75 mg (Arm 1) oder 25 mg (Arm 2) Temsirolimus wöchentlich. Zur Behandlung der Teilnehmer in der Kontrollgruppe (Arm 3; n=53) wählten die behandelnden Ärzte eine Chemotherapie aus vorgegebenen Monotherapien aus: am häufigsten Gemcitabin (42%) oder Fludarabin (26%).

Es zeigte sich, dass Temsirolimus das progressionsfreie Überleben (PFS) der vorbehandelten Patienten statistisch und klinisch signifikant mehr als verdoppeln konnte (Abb. 1). Dieser Vorteil zeigte sich unabhängig von Alter, Karnofsky-Status und Anzahl der Vortherapien. Die objektive Ansprechrate wurde von median 2% in Arm 3 auf 22% in Arm 1 gesteigert (p=0,0019). Auch das mediane Gesamtüberleben war in der Gruppe mit der höheren Temsirolimus-Dosierung gegenüber dem Kontrollarm verlängert, der Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (12,8 vs. 9,7 Monate; p=0,3519).

Abb. 1. Progressionsfreies Überleben bei intensiv vortherapierten Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Mantelzell-Lymphom

Das mediane progressionsfreie Überleben (primärer Studienendpunkt) betrug 4,8 Monate bei Patienten, die Temsirolimus in der höheren Dosis erhielten (175/75 mg), 3,4 Monate bei Patienten, die die niedrigere Temsirolimus-Dosis erhielten (175/25 mg), und 1,9 Monate in der Kontrollgruppe (p-Wert vs. Kontrolle 0,0009 bzw. 0,0618).

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Grade 3/4 waren unter der Therapie mit Temsirolimus Thrombozytopenie (59%), Anämie (20%), Neutropenie (15%) und Asthenie (13%). Diese waren aber insgesamt gut beherrschbar.

Pläne für die Zukunft

Aufgrund der guten Wirksamkeit der zielgerichteten Therapie mit Temsirolimus wird in weiteren Studien der frühere Einsatz in Kombinationstherapien geprüft. In der BERT(Bendamustin/Rituximab/Temsirolimus)-Studie wird die Kombination von Bendamustin, Rituximab und Temsirolimus bei Patienten mit follikulärem und Mantelzell-Lymphom nach einem bis drei Rückfällen geprüft. Die sogenannte STORM(Salvage therapy with mTOR inhibitor and MabThera)-Studie schließt Patienten mit aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen ein. Sie werden mit einem Kombinationsregime aus Rituximab, Dexamethason, Cisplatin, Ara-C (Cytarabin) und Temsirolimus behandelt.

Literatur

1. Prof. Dr. Martin Dreyling, München, Dr. Georg Heß, Mainz. Interaktives Pressefrühstück „MCL zielgerichtet therapieren mit Torisel® 175/75 – Ein Blick in die Praxis“, veranstaltet von Pfizer Oncology im Rahmen der DGHO-Jahrestagung 2011, Basel, 3. Oktober 2011.

2. Dreyling MH, et al. Rituximab maintenance after combined immuno-chemotherapy significantly prolongs duration of remission in elderly patients with mantle cell lymphoma Onkologie 2011;34(Suppl 6):1–305; Abstract V679.

3. Hess G, et al. Phase III study to evaluate temsirolimus compared with investigator’s choice therapy for the treatment of relapsed or refractory mantle cell lymphoma. J Clin Oncol 2009;27:3822–9.

Es stand in der AMT

Mantelzell-Lymphom. „Proof of principle“ für mTOR-Inhibition im fortgeschrittenen Stadium. Arzneimitteltherapie 2008;26:388–9.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(04)