Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Thrombozyten spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung atherothrombotischer vaskulärer Ereignisse. Thrombozytenfunktionshemmer reduzieren eindeutig das Risiko von Myokardinfarkt, ischämischem Insult und vaskulärem Tod bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, nach transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder Schlaganfall und bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit.
Der Protease-aktivierte Rezeptor (PAR) wird auf Thrombozyten exprimiert und ist ein wichtiger Promotor für die biologische Aktivität von Thrombin. Nach Bindung von Thrombin an den G-Protein-gekoppelten Rezeptor werden intrazelluläre Signalkaskaden der Blutgerinnung in Gang gesetzt. Vorapaxar ist ein kompetitiver und selektiver Antagonist am PAR-1-Rezeptor und eine potente Substanz zur Hemmung der Thrombozytenaggregation.
Studienziel und -design
In der TRA-2-P-TIMI-50-Studie (Thrombin receptor antagonist in secondary prevention of atherothrombotic ischemic events – thrombolysis in myocardial infarction 50 trial) wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Vorapaxar bei Patienten mit vaskulären Erkrankungen untersucht [1]. Eingeschlossen wurden 26449 Patienten, die in den letzten 12 Monaten (bis 2 Wochen vor Studieneinschluss) einen Myokardinfarkt oder einen ischämischen Insult erlitten hatten oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit hatten. Die Patienten erhielten entweder 2,5 mg Vorapaxar pro Tag oder Plazebo. Die Behandlung erfolgte zusätzlich zu einer bestehenden Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern.
Die mittlere Beobachtungszeit betrug 30 Monate. Der primäre Endpunkt der Studie war die Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall.
Studienergebnisse
Das mediane Alter der Patienten betrug 61 Jahre. 67% wurden nach einem Myokardinfarkt, 18% nach einem Schlaganfall und 14% wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit rekrutiert. Fast alle (98%) Patienten mit einem Myokardinfarkt erhielten Acetylsalicylsäure und 78% zusätzlich ein Thienopyridin (meist Clopidogrel). Von den Patienten mit Schlaganfall erhielten 81% Acetylsalicylsäure, 24% ein Thienopyridin und 19% Dipyridamol zusätzlich zu Acetylsalicylsäure. 91% der Patienten erhielten einen CSE-Hemmer und 73% einen ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorantagonisten.
Nach zwei Jahren Beobachtungszeit empfahl das Data and Safety Monitoring Board, den Studienarm mit den Patienten mit ischämischem Insult zu beenden, da sich hier ein signifikant erhöhtes Risiko intrakranieller Blutungen zeigte.
Nach drei Jahren Beobachtungszeit war der primäre Endpunkt bei 1028 Patienten (9,3%) in der Vorapaxar-Gruppe und bei 1176 Patienten (10,5%) in der Plazebo-Gruppe aufgetreten; das entspricht einer relativen Risikoreduktion von 13% (Tab. 1). Bei Patienten ohne einen Schlaganfall in der Vorgeschichte betrug die Risikoreduktion 1,3 Prozentpunkte. Das Risiko für einen kardiovaskulär bedingten Tod oder Herzinfarkt war in der Vorapaxar-Gruppe im Vergleich mit der Plazebo-Gruppe um 0,9 Prozentpunkte reduziert (7,3% vs. 8,2%).
Tab. 1. Auswahl klinischer Endpunkte nach drei Jahren [1]
Vorapaxar |
Plazebo |
HR (95%-KI) |
p-Wert |
|
Kardiovaskulär bedingter Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall |
1028 (9,3%) |
1176 (10,5%) |
0,87 (0,80–0,94) |
<0,001 |
Kardiovaskulär bedingter Tod oder Herzinfarkt |
789 (7,3%) |
913 (8,2%) |
0,86 (0,78–0,94) |
0,002 |
Kardiovaskulär bedingter Tod |
285 (2,7%) |
319 (3,0%) |
0,89 (0,76–1,04) |
0,15 |
Herzinfarkt |
564 (5,2%) |
673 (6,1%) |
0,83 (0,74–0,93) |
0,001 |
Schlaganfall gesamt |
315 (2,8%) |
324 (2,8%) |
0,97 (0,83–1,14) |
0,73 |
Ischämischer Schlaganfall |
250 (2,2%) |
294 (2,6%) |
0,85 (0,72–1,01) |
0,06 |
HR: Hazard-Ratio; 95%-KI: 95%-Konfidenzintervall
Betrachtete man die Endpunkte einzeln, war der signifikante Behandlungseffekt auf die Reduktion kardialer Ereignisse zurückzuführen (Tab. 1). Schlaganfälle wie auch speziell ischämische Insulte wurden nicht statistisch signifikant reduziert, auch die Sterblichkeit war identisch.
Mittelschwere oder schwere Blutungen traten bei 4,2% der Patienten auf, die Vorapaxar erhielten, und bei 2,5% der Patienten, die Plazebo einnahmen (HR 1,66; 95%-KI 1,43–1,93; p<0,001). Intrakranielle Blutungen traten bei 102 Patienten (1,0%) in der Vorapaxar-Gruppe und bei 53 Patienten (0,5%) in der Plazebo-Gruppe auf (HR 1,94; 95%-KI 1,39–2,70; p<0,001). Bei Patienten mit einem Schlaganfall in der Vorgeschichte war die Rate höher: bei 2,4% der Patienten, die Vorapaxar einnahmen, traten intrakranielle Blutungen auf im Vergleich mit 0,9% in der Plazebo-Gruppe (p<0,001).
Kommentar
Die Studie zeigt, dass neue, potente Thrombozytenfunktionshemmer wie PAR-1-Rezeptorantagonisten in der Lage sind, in Kombination mit anderen Thrombozytenfunktionshemmern kardiovaskuläre Ereignisse signifikant zu reduzieren. Dies wird allerdings mit einer erhöhten Rate von mittelschweren und schweren Blutungskomplikationen erkauft. Das Studienergebnis macht es sehr schwer, den therapeutischen Nutzen, nämlich eine Verringerung von Myokardinfarkten und kardiovaskulären Todesfällen, gegen das erhöhte Blutungsrisiko abzuwägen. Wie in anderen Studien mit neueren potenten Thrombozytenfunktionshemmern zeigt sich, dass das Risiko von intrakraniellen und intrazerebralen Blutungen durch diese Therapieansätze signifikant erhöht wird und der therapeutische Nutzen daher verloren gehen kann.
Wenn überhaupt, wird Vorapaxar bei Patienten nach einem Myokardinfarkt eingesetzt werden können, aber nicht bei Patienten nach einem ischämischen Insult. Enttäuschende Ergebnisse bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom [2] lassen allerdings auch eine zukünftige Anwendung in der kardiovaskulären Sekundärprävention unwahrscheinlich erscheinen.
Quelle
1. Morrow DA, et al. Vorapaxar in the secondary prevention of atherothrombotic events. N Engl J Med 2012;366:1404–13.
2. Tricoci P, et al. Thrombin-receptor antagonist vorapaxar in acute coronary syndromes. N Engl Med 2012;366:20–33.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(07)