Michael Koczorek, Bremen
10000 Neuerkrankungen und 5600 Todesfälle pro Jahr – das Ovarialkarzinom ist der fünfthäufigste Tumor und die fünfthäufigste Todesursache bei Krebserkrankungen der Frau. Da der Tumor lange keine oder nur uncharakteristische Symptome wie Völlegefühl, Miktionsbeschwerden oder Obstipation verursacht, gleichzeitig kein Screening zur Früherkennung existiert, erfolgt die Diagnose häufig erst in fortgeschrittenen Stadien, in denen der Tumor nicht mehr auf die Ovarien begrenzt ist. In rund 80% der Fälle haben betroffene Frauen bereits die FIGO-Stadien II (begrenzt auf das kleine Becken, 9,5%), III (begrenzt auf die Peritonealhöhle, 54,9%) oder IV (Fernmetastasen, 14,8%) erreicht.
Operation als Prognosefaktor
Die Behandlung des Ovarialkarzinoms besteht in Operation und Chemotherapie, die gut ineinander greifen müssen, um für die Patientin einen optimalen Nutzen zu erreichen. Die chirurgische Intervention erfolgt im Frühstadium kurativ, in fortgeschrittenen Stadien senkt sie die Tumorlast für die nachfolgende Chemotherapie, reduziert die Resistenz der Tumorzellen und unterbricht deren autokrine Wachstumsregulation.
Knapp über 60% der Patientinnen profitieren von der Operation, die den stärksten Prognosefaktor darstellt: In Zentren kann bei etwa 40% der Frauen der Tumor vollständig entfernt und bei etwa 20% deutlich reduziert werden. Mehr als ein Drittel profitiert nicht von der Operation.
Als Standard der Chemotherapie gilt seit 2003 Paclitaxel/Carboplatin. Zwar konnte in den vergangenen 50 Jahren durch die Kombination von Operation und Chemotherapie das 5-Jahres-Überleben fast verdoppelt werden – ohne jedoch 50% zu übertreffen.
Fortschritt durch Bevacizumab
Mit der Zulassung von Bevacizumab ist nun ein bedeutsamer Fortschritt erzielt worden. Der Angiogenesehemmer verlängerte das progressionsfreie Überleben (PFS) beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom statistisch signifikant um bis zu sechs Monate, wie zwei Phase-III-Studien aus den USA (GOG-0218) beziehungsweise Europa (ICON7/AGO-OVAR11) demonstrierten. Auf Basis der Studien erfolgte im Dezember 2011 die Zulassung für die Erstlinientherapie in dieser Indikation. Dabei wird Bevacizumab (15 mg/kg alle drei Wochen) mit sechs Zyklen Carboplatin/Paclitaxel kombiniert und anschließend als Monotherapie über insgesamt 15 Monate weiter gegeben.
GOG-0218-Studie
In der doppelblinden Plazebo-kontrollierten US-amerikanischen Studie wurden 1873 Patientinnen (FIGO-Stadium III bis IV) im mittleren Alter von 60 Jahren randomisiert wie folgt behandelt:
- Kontrollgruppe (n=625): Sechs Zyklen Carboplatin/Paclitaxel gefolgt von Plazebo (Zyklus 7 bis 22)
- Bevacizumab initial (n=625): Sechs Zyklen Carboplatin/Paclitaxel plus Bevacizumab (15 mg/kg) ab Zyklus 2 gefolgt von Plazebo (Zyklus 7 bis 22)
- Bevacizumab-Langzeittherapie (n=623): Sechs Zyklen Carboplatin/Paclitaxel plus Bevacizumab ab Zyklus 2 gefolgt von Bevacizumab (Zyklus 7 bis 22)
Im Arm mit Bevacizumab-Langzeittherapie verlängerte sich das PFS, beurteilt durch die Prüfärzte, von 12,0 Monaten auf 18,2 Monate (Abb. 1). Ein unabhängiges Expertengremium (IRC) bestätigte den signifikanten Vorteil der Therapie mit einer PFS-Verlängerung von 6,0 Monaten (13,1 Monate versus 19,1 Monate). Daten zum Gesamtüberleben sind aufgrund der geringen Ereigniszahl (36%) noch nicht reif.

Abb. 1. GOG-0218-Studie: Progressionsfreies Überleben beurteilt durch die Prüfärzte, CP=Carboplatin/Paclitaxel, Av =Bevacizumab [nach Burger]
ICON7/AGO-OVAR11
In der offenen europäischen Studie fiel der Vorteil – bei halbierter Bevacizumab-Dosis und kürzerer Behandlungsdauer – geringer aus. Eingeschlossen waren 1528 Patientinnen im mittleren Alter von 57 Jahren mit Ovarialkarzinom aller Stadien (70% Stadium IIIC/IV), die mit Chemotherapie allein oder zusätzlich über 12 Monate mit Bevacizumab (Dosis: 7,5 mg/kg) behandelt wurden. Hier verlängerte sich das PFS um 2,4 Monate (16,9 Monate versus 19,3 Monate). Die Ansprechrate steigerte sich von 54,9% auf 64,7%. Subgruppenanalysen zeigten, dass alle Patientinnen von der Therapie profitierten, besonders aber Frauen mit hohem Rezidivrisiko (FIGO III mit Tumorrest >1 cm, FIGO IV), die 7,8 Monate länger überlebten (36,6 Monate versus 28,8 Monate). Die von den Zulassungsbehörden geforderten Daten zum Gesamtüberleben sind ebenfalls noch nicht reif, sie sollen 2013 vorliegen.
Keine neuen Sicherheitssignale
Die Sicherheit und Verträglichkeit war in beiden Studien gut, das Nebenwirkungsprofil entsprach vorangegangenen Studien mit dem Angiogenesehemmer. Die Therapie beeinträchtigte die Lebensqualität der Frauen nicht.
Zu klären ist noch die Frage nach der optimalen Therapiedauer, die derzeit in der AGO-OVAR17/BOOST-Studie untersucht wird. Hier wird der therapeutische Nutzen einer Verlängerung der Behandlung mit Bevacizumab bis zur Tumorprogression beziehungsweise bis maximal 30 Monate evaluiert.
Quellen
Prof. Dr. Andreas du Bois, Essen, Prof. Dr. Jacobus Pfisterer, Solingen; Pressekonferenz „Avastin®: Zulassung beim Ovarialkarzinom“, Düsseldorf, 16. Februar 2012, veranstaltet von Roche Pharma AG.
Burger RA, et al. N Engl J Med 2011;365:2473–83.
Burger RA, et al. J Clin Oncol 2011;29:15s (Abstract #LBA5023).
Perren T, et al. N Engl J Med 2011;365:2484–96.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(10)