Dr. Claudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen
Rund 16000 Menschen erkranken jedes Jahr in Deutschland neu an einem malignen Melanom. Das maligne Melanom ist weltweit der Tumor mit der am schnellsten zunehmenden Inzidenz. Bisher sind die Therapiemöglichkeiten bei einem malignen Melanom mit Fernmetastasen unbefriedigend. So liegt die mediane Überlebenszeit bei lediglich 9 bis 12 Monaten, und nur 1 bis 2% der Patienten können geheilt werden.
Immunmodulator Ipilimumab
Mit Ipilimumab (Yervoy®) steht seit Juli 2011 eine Substanz zur Verfügung, die Anlass zu Hoffnungen gibt. Der humane Antikörper ist für die Therapie des fortgeschrittenen, also des nicht resezierbaren oder metastasierten Melanoms, zugelassen.
Ipilimumab ist ein humaner Antikörper, der gegen das Protein CTLA-4 (Cytotoxic T-lymphocyte antigen-4) gerichtet ist, das auf der Oberfläche von T-Zellen exprimiert wird. CTLA-4 hemmt die Aktivität der T-Zellen. Bindet Ipilimumab an CTLA-4, wird dessen Wechselwirkung mit seinen Liganden CD80/CD86 blockiert. Ipilimumab verstärkt somit indirekt die T-Zell-vermittelte Immunantwort.
Studienlage
In der doppelblinden Phase-III-Studie MDX010–20 erhielten 676 Melanompatienten im Stadium IV, also mit Metastasen jenseits der abführenden Lymphknoten, im Verhältnis 3:1:1 randomisiert entweder Ipilimumab als Monotherapie oder in Kombination mit einer experimentellen gp100-Peptidvakzine oder nur die Vakzine. Alle Patienten waren vorbehandelt, unter anderem mit Interleukin-2, Dacarbazin, Temozolomid oder Carboplatin. Je nach Verträglichkeit erhielten sie vier Dosen des Antikörpers alle drei Wochen.
Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben in den Ipilimumab-Gruppen im Vergleich zur gp100-Gruppe. Die mittleren Überlebenszeiten in den Ipilimumab-Gruppen lagen bei etwa 10 Monaten im Vergleich zu 6 Monaten in der Vakzine-Gruppe. Das Hazard-Ratio für den Vergleich des Gesamtüberlebens zwischen der Ipilimumab-Monotherapie-Gruppe und der gp100-Gruppe betrug 0,66 (95%-KI: 0,51–0,87; p=0,0026). Die Ergebnisse in den beiden Ipilimumab-Gruppen unterschieden sich nicht. Nach einem Jahr lebten 46% der Patienten unter Ipilimumab gegenüber 25% unter gp100; nach 2 Jahren waren es 24 versus 14% [2].
Interimsauswertungen des deutschen „Compassionate-Use“-Programms bestätigten die Ergebnisse der Phase-III-Studie zu Sicherheit und Wirksamkeit der neuen Immuntherapie [3]. Langzeitanalysen zeigten, dass Patienten in einigen Fällen bereits über sechs Jahre von der Behandlung profitieren konnten [4].
Offene Fragen
Die relativ langsam einsetzende klinische Wirkung stellt konventionelle Response-Kriterien infrage. Bisher steht kein prädikativer Biomarker für den Erfolg einer Ipilimumab-Therapie zur Verfügung. Noch mangelt es auch an Studien, zur Frage, ob eine Kombinationstherapie mit anderen Medikamenten den therapeutischen Erfolg von Ipilimumab weiter erhöhen würde.
Anwendungshinweise
Ipilimumab ist als Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung im Handel (Yervoy® 5 mg/ml) und wird als 90-minütige intravenöse Infusion gegeben. Die empfohlene Dosis liegt bei 3 mg/kg Körpergewicht insgesamt viermal im Abstand von je drei Wochen. Vor jeder Medikamentengabe müssen die Leberfunktion und die Schilddrüsenwerte kontrolliert werden.
Der Therapieerfolg kann mit teilweise schweren immunologischen Nebenwirkungen einhergehen, denen eine gesteigerte Aktivität des Immunsystems zugrunde liegt. Bei schweren und lebensbedrohlichen Nebenwirkungen an Magen-Darm-Trakt, Leber, Haut, Nervensystem und anderen Organen muss die Behandlung sofort beendet werden, in leichteren Fällen wird sie unterbrochen. Um rechtzeitig handeln zu können, müssen Patient, Pharmazeut und Arzt genau informiert sein.
Immunmodulatoren in der Pipeline
Die ebenfalls immunmodulatorisch wirksamen Substanzen Anti-PD-1 (BMS-936558) und Anti-PD-L1 (BMS-936559) befinden sich derzeit in der klinischen Entwicklung. Anti-PD-1 ist ein humanisierter Antikörper, der gegen den Rezeptor PD-1 (Programmed death-1) gerichtet ist. PD-1 wird auf der Oberfläche aktivierter T-Zellen exprimiert. Sein Ligand PD-L1 kann die gegen den Tumor gerichtete immunologische Reaktion hemmen. Wie Ipilimumab verstärken Anti-PD-1 und Anti-PD-L1 somit indirekt die T-Zell-vermittelte Immunantwort. Die Ergebnisse zweier Phase-1-Studien geben Anlass zur Hoffnung. Immunhistochemische Untersuchungen zeigen, dass Patienten, die den PD-1-Liganden an der Membran exprimiert haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit ansprechen. Damit könnten Patienten mit einer guten Ansprechrate im Vorfeld erkannt werden.
Quellen
1. Prof. Dr. med. Axel Hauschild, Kiel; Prof. Dr.med. Alexander Enk, Heidelberg; Medien-Roundtable „Ein Jahr mit Yervoy®: Die Immuntherapie für Patienten mit vorbehandeltem metastasiertem Melanom“, München, 23. Juli 2012, veranstaltet von Bristol-Myers Squibb.
2. Hodi FS, et al. Improved survival with ipilimumab in patients with metastatic melanoma. N Engl J Med 2010;363:711–23.
3. Eichhorn C, et al. Ipilimumab use in a named-patient program in metastatic melanoma: experiences in 185 German patients. J Clin Oncol 2012;30(Suppl):abstr e19031.
4. Prieto PA, et al. CTLA-4 blockade with Ipilimumab: long-term follow-up of 177 patients with metastatic melanoma. Clin Canc Res 2012;18:s039–47.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(10)