Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen
Die endokrine Therapie gilt als Hauptstütze der Behandlung des Hormonrezeptor(HR)-positiven, fortgeschrittenen Mammakarzinoms. Bei postmenopausalen Frauen sind neben dem selektiven Estrogenrezeptor-Modulator Tamoxifen (z.B. Nolvadex®) Aromatase-Inhibitoren wie Letrozol (z.B. Femara®) und Anastrozol (z.B. Arimidex®) in der First-Line-Therapie die Mittel der Wahl. Doch nicht alle Patientinnen sprechen darauf an, und andere entwickeln im Laufe der Zeit eine Resistenz. Eine zentrale Frage ist, wie der Entwicklung dieser Resistenz gegenüber einer Hormontherapie entgegengewirkt werden kann. Bei der Suche nach neuen Behandlungsstrategien, die die Wirksamkeit endokriner Therapien verstärken können, zeigte sich, dass die Resistenz gegenüber endokrinen Therapien bei Brustkrebs mit der Aktivierung des intrazellulären mTOR(mammalian target of rapamycin)-Wegs zusammenhängt. Vor diesem Hintergrund wurde der mTOR-Inhibitor Everolimus bei Frauen mit fortgeschrittenem, HR-positivem Mammakarzinom untersucht. Everolimus (Afinitor®) ist ein Immunsuppressivum mit Makrolidstruktur und war zuerst zur Behandlung fortgeschrittener neuroendokriner Tumoren pankreatischen Ursprungs sowie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassen.
Studienziel und -design
In der BOLERO-2(Breast cancer trials of oral everolimus)-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit einer Kombination aus Everolimus und Exemestan (z.B. Aromasin®) bei Frauen mit fortgeschrittenem, HR-positivem Brustkrebs untersucht, die refraktär gegenüber den nichtsteroidalen Aromatasehemmern Letrozol oder Anastrozol waren [1]. Für die Phase-III-Studie wurden 724 Frauen aus 189 klinischen Zentren in 24 Ländern rekrutiert. Sie waren alle an einem ER-positiven, aber HER-2-negativen, fortgeschrittenen Brustkrebs erkrankt (72% waren Progesteronrezeptor-positiv). Das mediane Alter lag bei 62 Jahren.
Alle Patientinnen waren mit Letrozol oder Anastrozol vorbehandelt und sprachen nicht mehr auf diese Aromatasehemmer an. Vorhergehende Therapien umfassten außerdem Tamoxifen (48% der Patientinnen), Fulvestrant (16%) und eine Chemotherapie (68%). Zwischen Juni 2009 und Januar 2011 wurden die Frauen im Verhältnis 2:1 randomisiert einem der beiden Studienarme zugeteilt:
- Everolimus (10 mg/Tag p.o.) plus Exemestan (25 mg/Tag p.o.) (n=485)
- Plazebo plus Exemestan (25 mg/Tag) (n=239)
Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben. Die sekundären Endpunkte umfassten unter anderem Gesamtüberleben, Ansprechrate und Sicherheit.
Studienergebnis
Zum Zeitpunkt einer vorab geplanten Interimsanalyse lag die mediane Expositionsdauer mit Everolimus bei 14,6 Wochen, die entsprechende Zeit in der Plazebo-Gruppe bei 12,0 Wochen. Die mediane Anwendungsdauer von Exemestan betrug in der Kombinationsgruppe 17,4 Wochen gegenüber 12,0 Wochen mit Exemestan allein. Hauptgrund für einen Therapieabbruch war das Fortschreiten der Erkrankung (37% im Kombinations- und 66% im Exemestan-Arm).
Die Studie wurde nach der Interimsanalyse vorzeitig beendet, da sich ein signifikanter Vorteil der Kombinationstherapie mit Everolimus herausstellte. So ergab sich nach Beurteilung der lokalen Studienärzte für die Kombinationstherapie ein medianes progressionsfreies Überleben von 6,9 Monaten gegenüber 2,8 Monaten für Exemestan allein (Hazard-Ratio [HR] 0,43; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,35–0,54; p<0,001) (Abb. 1). Bei der zentralisierten Beurteilung ergaben sich in beiden Gruppen etwas längere Zeiten (10,6 versus 4,1 Monate; HR 0,36; 95%-KI 0,27–0,47; p<0,001). Die Ansprechrate (komplettes + partielles Ansprechen) war in der Kombinationsgruppe mit 9,5% gegenüber 0,4% mit Exemestan ebenfalls signifikant höher.

Abb. 1. Progressionsfreies Überleben bei postmenopausalen Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom, die mit Aromatasehemmern vorbehandelt waren und eine Therapie mit Exemestan + Plazebo oder Exemestan + Everolimus erhielten [1]. Auswertung durch die lokalen Studienärzte; HR: Hazard-Ratio; 95%-KI: 95%-Konfidenzintervall; PFS: progressionsfreies Überleben
Beim Jahreskongress 2012 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden die Ergebnisse der 7,5- und 12,5-monatigen Nachbeobachtung vorgestellt [2]. Das mediane progressionsfreie Überleben gemäß lokaler Auswertung hatte sich in der Everolimus-Gruppe auf 6,9 bzw. 7,4 Monate verlängert (Plazebo ca. 3,0 Monate). Nach 12,5 Monaten waren in der Everolimus-Gruppe 17,2% und in der Plazebo-Gruppe 22,7% der Patientinnen verstorben. Eine Analyse der Gesamtüberlebensrate war also bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden mit Everolimus plus Exemestan häufiger beobachtet als mit Exemestan plus Plazebo [1]. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden bei 23% der Patientinnen mit der Kombinationstherapie und bei 12% aus der Exemestan-Gruppe beobachtet. Ein höherer Anteil der Patientinnen brach die Therapie mit Everolimus im Vergleich mit Plazebo aufgrund unerwünschter Ereignisse ab (19% vs. 4%). In der Kombinationsgruppe verstarben sieben Patientinnen aufgrund unerwünschter Arzneimittelwirkungen im Vergleich mit einer Patientin in der Exemestan-Plazebo-Gruppe. Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen vom Grad 3 oder 4 zählten Stomatitis (8% mit der Kombination versus 1% mit Exemestan allein), Anämie (6% versus <1%), Dyspnoe (4% versus 1%), Hyperglykämie (4% versus <1%), Fatigue (4% versus 1%) sowie Pneumonitis (3% versus 0%).
Fazit
Bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom, die gegenüber einer Hormontherapie resistent waren, konnte das progressionsfreie Überleben signifikant erhöht werden, wenn sie zusätzlich zum Aromatasehemmer Exemestan den mTOR-Inhibitor Everolimus erhielten. Der klinische Vorteil muss gegen das Nebenwirkungsspektrum von Everolimus abgewogen werden. Zu bedenken ist dabei aber auch, dass als Behandlungsalternative nur eine Chemotherapie mit entsprechenden Nebenwirkungen infrage kommt.
Zulassungserweiterung
Aufgrund der Ergebnisse der BOLERO-2-Studie erweiterte die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) Ende Juli 2012 die Zulassung für Everolimus um die Indikation „Hormonrezeptor-positives, fortgeschrittenes Mammakarzinom“. Es kann jetzt in Kombination mit Exemestan zur Therapie des Hormonrezeptor-positiven, HER2-/neu-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen ohne symptomatische viszerale Metastasierung eingesetzt werden, nachdem es zu einem Rezidiv oder einer Progression mit einem nichtsteroidalen Aromataseinhibitor gekommen ist [Fachinformation]. Red.
Quellen
1. Baselga J, et al. Everolimus in postmenopausal hormone-receptor-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2012;366:520–9.
2. Piccart-Gebhart MJ, et al. Everolimus vor postmenopausal women with advanced breast cancer: Updated results of the BOLERO-2 phase III trial. J Clin Oncol 2012;30(Suppl), Abstract 559.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(10)