Trastuzumab-resistentes Mammakarzinom

Trastuzumab-Emtansin verbessert progressionsfreies Überleben


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Das Antikörperkonjugat Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) verbesserte das progressionsfreie Überleben im Vergleich zur Behandlung mit Capecitabin (Xeloda®) plus Lapatinib (Tyverb®) bei Frauen mit HER2-Rezeptor-positivem progredientem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom, die zuvor mit Trastuzumab und Chemotherapie behandelt worden waren. Dies ergab die Phase-III-Studie EMILIA, deren Ergebnisse in der Plenarsitzung am 3. Juni 2012 bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago präsentiert wurden.

Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) ist ein Konjugat aus dem Antikörper Trastuzumab (Herceptin®), dem Zytostatikum DM1 (Drug Maytansinoid 1) und dem Verbindungsmolekül MCC (4-[3-Mercapto-2,5-dioxo-1-pyrrolidinylmethyl]-cylohexancarbonsäure). DM1 oder Mertansin ist ein Maytansinoid, das als Spindelgift die Tubulinpolymerisation über die gleiche Bindungsstelle wie Vincaalkaloide hemmt. Antikörper, in denen Mertansin über MCC gekoppelt ist, werden mit dem INN Emtansin ergänzt.

Trastuzumab bindet an den humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2). Nach Internalisierung des Rezeptorkomplexes wird die kovalente Bindung zwischen dem Antikörper und dem Zytostatikum gespalten. Mertansin gelangt so in HER2-positive Krebszellen und hemmt deren Wachstum und Teilung. Die antitumorale Wirkung von Trastuzumab durch Blockade des HER2-Signalwegs bleibt erhalten (Abb. 1).

Abb. 1. Wirkungsmechanismus von Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) [nach LoRusso PM et al., Clin Cancer Res 2011;17:6437–47]

In der offenen, randomisierten Phase-III-Studie EMILIA (TDM4370g/BO21977) wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Trastuzumab-Emtansin allein (3,6 mg/kg i.v. alle drei Wochen) mit Lapatinib (1250 mg/Tag) plus Capecitabin (1000 mg/m² zweimal täglich, Tag 1–14 alle drei Wochen) bei 991 Patienten mit HER2-positivem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom verglichen, deren Erkrankung nach Erstbehandlung mit Trastuzumab und Taxan-haltiger Chemotherapie progredient war. Die Therapie dauerte bis zur Progression.

Primäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS), beurteilt durch unabhängige Experten, Gesamtüberleben (OS) und Sicherheit. Zu den sekundären Endpunkten gehörten das PFS, beurteilt durch den Untersucher, Ansprechraten, Dauer des Ansprechens und Zeit bis zur Progression der Symptome. Eine Analyse des Gesamtüberlebens erfolgte erst dann, wenn sich im PFS signifikante Unterschiede ergeben hatten.

Die 495 T-DM1-Patientinnen und die 496 Patientinnen der Vergleichsgruppe wurden im Median 12,4 bzw. 12,9 Monate nachbeobachtet. Das mediane Alter der Frauen lag bei 53 Jahren, die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren vergleichbar. Alle Frauen waren mit Taxanen und Trastuzumab vorbehandelt, 61% hatten Anthracycline und 41% endokrine Therapien erhalten. Die mediane Dosisintensität betrug in der T-DM-1-Gruppe 99,9%, für Capecitabin 77,2% und für Lapatinib 93,4%. Eine Dosisreduktion war in 53,4% der Fälle für Capecitabin, in 27,3% für Lapatinib und in 16,3% für T-DM1 erforderlich.

Der primäre Endpunkt wurde erreicht: das progressionsfreie Überleben beurteilt durch unabhängige Experten war signifikant länger mit T-DM1 (9,6 Monate) als mit Capecitabin plus Lapatinib (6,4 Monate) (Abb. 2). Auch die Beurteilung durch die Untersucher sowie eine Analyse nach Subgruppen ergaben eine Überlegenheit von T-DM1. Nur Patientinnen über 65 Jahren schienen von der neuen Therapie nicht zu profitieren.

Abb. 2. EMILIA-Studie: Progressionsfreies Überleben beurteilt durch unabhängige Experten; die Beurteilung durch die Untersucher ergab nahezu identische Kurvenverläufe [nach Blackwell]. HR: Hazard-Ratio; KI: Konfidenzintervall

Die endgültige Analyse des Gesamtüberlebens wird für das Jahr 2014 erwartet. Eine Interimsanalyse ergab einen Hazard-Ratio von 0,621 zugunsten von T-DM1. Die Ansprechrate war mit 43,6% im T-DM1-Arm signifikant höher als mit 30,8% im Vergleichsarm (p=0,0003).

In der Vergleichsgruppe traten Nebenwirkungen ab Grad 3 bei 57%, in der T-DM1-Gruppe bei 40,8% der Patienten auf. Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen waren mit 10,7% in der Vergleichsgruppe häufiger als mit 5,9% in der T-DM1-Gruppe. Unter T-DM1 stiegen Leberenzymparameter häufiger als in der Vergleichsgruppe.

Fazit

Für Diskutant Louis M. Weiner, Washington DC, ist mit den Ergebnissen der EMILIA-Studie Paul Ehrlichs Traum von der magischen Kugel realisiert worden. Die Studie erbrachte eine überzeugenden Nachweis der hohen Wirksamkeit des Antikörperkonjugats, das eine wichtige neue Therapieoption für Frauen ist, die refraktär auf Trastuzumab sind.

Quellen

Blackwell K, et al. Primary results from EMILIA, a phase 3 study of trastuzumab emtansine (T-DM1) vs capecitabine (X) and lapatinib (L) in HER2-positive locally advanced or metastatic breast cancer (MBC) previously treated with trastuzumab (T) and a taxane. ASCO 2012, Chicago, J Clin Oncol 2012;30 suppl: abstr LBA1.

Weiner LM, Diskutant.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(10)