Subakutes lumbo-sakrales Reizsyndrom

Epidurale Glucocorticoide, Etanercept oder physiologische Kochsalzlösung?


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Die epidurale Injektion von Glucocorticoiden hat beim radikulären lumbo-sakralen Schmerzsyndrom einen geringen therapeutischen Kurzzeiteffekt, aber keine Langzeitwirkung. Der Tumornekrosefaktor-alpha-Hemmer Etanercept ist nicht wirksam. Dies ergab eine kleine Plazebo-kontrollierte Studie mit 84 Patienten.

Chronische Rückenschmerzen und lumbo-sakrale radikuläre Schmerzen sind sehr häufig und verursachen hohe Kosten für das Gesundheitssystem. Von Orthopäden und Schmerztherapeuten wird immer wieder propagiert, Patienten mit diesen Beschwerden durch lokale Injektionen mit Glucocorticoiden und/oder Lokalanästhetika zu behandeln, obwohl fast alle bisher durchgeführten randomisierten Studien keine Langzeitwirkung dieses Behandlungsansatzes gezeigt haben. Eine Reihe von Tierexperimenten legte nahe, dass es durch einen Bandscheibenvorfall und Wurzelkompression und die dadurch ausgelöste Entzündungsreaktion zur Freisetzung von Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) kommt. In Tierexperimenten war Etanercept (Enbrel®) entzündungshemmend wirksam.

Etanercept ohne Wirkung

In eine multizentrische, randomisierte, Plazebo-kontrollierte Studie wurden zwischen 2008 und 2011 84 Patienten mit subakuten Rückenschmerzen und radikulären Schmerzen eingeschlossen, wobei die Beschwerden weniger als sechs Monate anhalten mussten. Die Patienten erhielten im Abstand von zwei Wochen zwei lokale Injektionen mit 60 mg Methylprednisolon (n=28), 4 mg Etanercept (n=26) oder physiologischer Kochsalzlösung (n=30). Die Injektionsmenge war mit 2 ml jeweils identisch. Alle Patienten erhielten 0,5 ml Bupivacain. Bei den Patienten, bei denen zwei Nervenwurzeln betroffen waren, wurde die Menge des zu injizierenden Medikaments halbiert und verteilt auf zwei Höhen appliziert. Primärer Endpunkt der Studie war die Schmerzintensität auf einer numerischen Ratingskala (0–10), wobei der ins Bein ausstrahlende Schmerz getrennt vom lokalen Rückenschmerz evaluiert wurde. Zusätzlich wurde der Oswestry Disability Index (ODI) erhoben. Die Endpunkte wurden einen Monat nach der zweiten Injektion sowie nach drei und sechs Monaten erhoben.

Die Patienten waren im Mittel 42 Jahre alt, 70% waren Männer. Die Schmerzen hielten im Schnitt schon 2,5 bis 3 Monate an. Bei fast allen Patienten fand sich ein Wurzelkompressionssyndrom L5/S1. Etwa die Hälfte der Patienten erhielt bereits Opioide, die während der Studie weiter gegeben wurden.

Vier Wochen nach der zweiten Injektion ergab sich für den Wert auf der numerischen Ratingskala für ausstrahlenden Schmerz ins Bein und lokalen Rückenschmerz kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den drei Therapiegruppen. Bezogen auf den ODI-Score waren Glucocorticoide signifikant wirksamer als Etanercept, aber nicht signifikant wirksamer als physiologische Kochsalzlösung. Nach drei und sechs Monaten ergaben sich ähnliche Ergebnisse: Auch in den sekundären Endpunkten ergaben sich zwischen den drei Therapiegruppen keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Kommentar

Diese Studie hat viele methodische Probleme wie beispielsweise kleine Patientengruppen und, bezogen auf den primären Endpunkt, eine zu kurze Beobachtungszeit. Die Ergebnisse für die lokale Injektion von Glucocorticoiden replizieren viele andere randomisierte Studien, die ebenfalls keinen lang anhaltenden Therapieerfolg belegen konnten. Dies spricht dafür, diese Patienten mit oralen Analgetika und/oder nichtsteroidalen Antirheumatika sowie Krankengymnastik zu behandeln. Für weitere Studien ist allerdings wichtig, dass Etanercept nicht wirksam ist und es daher nicht sinnvoll ist, weitere Studien mit diesem Therapieansatz durchzuführen.

Quelle

Cohen SP, et al. Epidural steroids, etanercept, or saline in subacute sciatica: a multicenter, randomized trial. Ann Intern Med 2012;156:551–9.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(11)