Dr. Andreas Häckel, Frankfurt am Main
Klinisch ist Genotyp 3 assoziiert mit einer beschleunigten Fibroseprogression und Genotyp 2 mit Kryoglobulinämie. Mit Heilungsraten von etwa 70 bis 90% ist der Verbesserungsbedarf der Therapie beim Genotyp 2 nicht so ausgeprägt wie beim Genotyp 3, wo die Heilungsraten um 5 bis 10 Prozentpunkte niedriger liegen. In der Erwartung neuer Therapieoptionen sollte eine Therapieentscheidung vor allem bei Nonrespondern sorgsam abgewogen werden.
Ein rasches Ansprechen (RVR, rapid virological response) sowie weitere Risikofaktoren ermöglichen eine differenzierte Entscheidung über die Dauer der Therapie. Eine besondere Risikogruppe mit schlechtem Therapieansprechen sind Genotyp-3-Patienten mit hoher initialer Viruslast (über 800000 I.U./ml).
In der Pipeline
Aktuelle Daten mit dem oralen HCV-Polymerasehemmer PSI-7977 [1] deuten auf hohe Heilungsraten bei nicht vorbehandelten HCV-Trägern mit Genotyp 2/3 hin. Eine hohe Wirksamkeit wurde in einer vierarmigen Phase-II-Pilotstudie sogar dann beobachtet, wenn die Substanz lediglich in Kombination mit Ribavirin, also ohne Interferon, angewendet wurde. Bereits ab Woche 4 und bis zur Woche 24 waren und blieben alle Patienten virusfrei. Zudem gab es keine Hinweise auf eine relevante Toxizität im gesamten Verlauf in der – mit insgesamt 40 Patienten allerdings sehr kleinen – Studie. Einschränkend kam hinzu, dass weder Patienten mit Zirrhose noch mit Komorbiditäten, Adipositas oder Non-Response eingeschlossen waren. Diese rein orale Option wird günstigstenfalls ab 2014 zur Verfügung stehen.
Wenige klinische Daten verfügbar
Die bereits verfügbaren HCV-Proteasehemmer Boceprevir (Victrelis®) und Telaprevir (Incivo®) sind bei Genotyp 2/3 nicht ausreichend wirksam. Anders könnte dies bei neueren Vertretern dieser Substanzklasse sein. So hat etwa MK 5172 (MSD) zumindest in vitro und auch in vivo eine relativ gute Aktivität gegen Genotyp 3. Der Polymerasehemmer TMC 435 (Janssen/Tibotec) wiederum wirkt nicht gegen Genotyp 3, aber gegen Genotyp 4. Andere Polymerasehemmer wie RG 7128 (Roche) wirken unabhängig vom Genotyp und könnten eine weitere Option darstellen. Klinische Daten zu diesen Substanzen fehlen aber noch weitgehend.
Genotyp-3-Infektionen
Was ist aktuell bei Genotyp-3-Infektionen zu empfehlen? Kommt es unter Dualtherapie nicht zu einem raschen Ansprechen, sollte wegen der zu erwartenden Einführung neuer Substanzen abgewartet werden. Andernfalls ist zu erwägen, die Patienten im Rahmen der vom Kompetenznetzwerk HEP-NET initiierten OPTEX-Studie weiterzubehandeln, in der der Nutzen einer verlängerten Dualtherapie bei Genotyp 3 untersucht wird. Aufgrund der teilweise sehr langen Therapiedauer ist die Compliance oft schlecht. Daher wird versucht, die Therapie wo immer möglich zu verkürzen. Die Chance hierfür bietet sich nach älteren Daten [2] etwa bei niedriger Ausgangs-Viruslast (unter 800000 I.U.) in Kombination mit schnellem virologischen Ansprechen (RVR zu Woche 4). Patienten mit diesen Charakteristika hatten nach Randomisierung auf eine anschließend nur noch 16-wöchige Kombitherapie mit PEG-Interferon/Ribavirin zu 93% ein anhaltendes Ansprechen (SVR, sustained virological response).
Gegen eine Verkürzung sprechen allerdings eine fortgeschrittene Leberfibrose/-zirrhose, ein Alter über 40 bis 45 Jahren oder eine Adipositas mit einem BMI über 30. Auch das Fehlen eines RVR schließt eine Therapieverkürzung aus, dagegen erwies sich der IL28B-Genotyp für die Frage der Therapieverkürzung (zumindest bei RVR-Patienten) als nicht aussagekräftig.
Genotyp 4
Stiefkind der HCV-Therapie bleibt der Genotyp 4. Die Strategie bei diesem in Nordafrika häufigsten Genotyp wird – ähnlich wie bei Genotyp 1 – durch den IL28B-Genotyp beeinflusst. Im Mittel wird mit der dualen Therapie eine SVR-Rate von gut 60% erzielt, wobei derzeit keine Therapieverkürzung empfohlen werden kann. Während eine Fibrose die Therapieresultate deutlich negativ beeinflusst, ist eine gleichzeitig vorhandene Bilharziose ohne Einfluss.
Fazit
HCV-Infektionen mit Non-1-Genotypen sind nicht mit einer Dreifachtherapie zu behandeln. Eine Interferon-freie, orale Therapie könnte in wenigen Jahren verfügbar sein. Sofern diese nicht abgewartet wird, empfiehlt sich bei Genotyp 2/3 eine Dualtherapie im Rahmen der OPTEX-Studie mit verlängerter Therapiedauer. Abhängig von Fibrose, Ausgangsviruslast, BMI und RVR lässt sich die Therapie unter Umständen auch verkürzen.
Quelle
Dr. Peter Buggisch, Hamburg; 8. Expert Summit on Viral Hepatitis „Aktuelle Hepatologie und neue HCV-Therapien in der Praxis“, Berlin, 17. bis 18. Februar 2012, veranstaltet von MSD Sharp & Dohme GmbH.
1. Gane EJ, et al. Once daily PSI-7977 plus RBV: Pegylated interferon alfa not required for complete rapid viral response in treatment-naive patients infected with HCV GT2 or GT3. Hepatology 2011;54(Suppl):Abstract 34.
2. von Wagner M, et al. Peginterferon-alfa-2a (40 KD) and ribavirin for 16 or 24 weeks in patients with genotype 2 or 3 chronic hepatitis C. Gastroenterology 2005;129:522.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(11)