Chronische Hepatitis C

Kein Effekt von Silymarin per os bei Interferon-resistenter HCV-Infektion


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Dr. Tanja Neuvians, Ladenburg

Patienten mit chronischer Hepatitis-C-(HCV-)Infektion, die bereits erfolglos mit Interferon behandelt wurden, profitieren nicht von einer hoch dosierten Therapie mit Silymarin, der aktiven Komponente eines Mariendistelfrüchte-Extrakts. Das zeigte eine Plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie, in der Silymarin drei- bis fünfmal so hoch dosiert wurde wie üblich.

Üblicherweise werden Patienten, die an einer chronischen Hepatitis-C-(HCV-)Infektion leiden, mit einer Interferon-basierten Therapie behandelt (Peginterferon und Ribavarin). Aber nur etwa 50 bis 80% der Patienten sprechen auf die Therapie an. Der Rest der Patienten bleibt Virusträger und hat ein erhöhtes Risiko, an Leberzirrhose oder einem Leberzellkarzinom zu erkranken.

In solchen Fällen können alternative Therapiemöglichkeiten eine nützliche Option sein. Silymarin, die aktive Komponente eines Trockenextrakts aus Mariendistelfrüchten (siehe Kasten), wird bei chronischen Lebererkrankungen am häufigsten angewendet. In Zellkulturversuchen hemmt Silymarin den Transkriptionsfaktor NF-kappaB, der unter anderem für die Regulation der Immunantwort zuständig ist. In hohen Konzentrationen scheint es auch die Expression verschiedener HCV-Proteine (Core und NS5A) zu beeinflussen. Silymarin ist also ein potenzielles Therapeutikum bei Hepatitis C. Bisher liegt jedoch keine Evidenz für die Wirksamkeit einer oralen Silymarin-Therapie vor.

Silymarin

Silymarin ist der wirksame Bestandteil eines Ethylacetat-Extrakts aus den Früchten der Mariendistel (Silybum marianum). Es besteht hauptsächlich aus dem Flavonolignan Silibinin (Diastereomerengemisch von Silybin A und Silybin B) und zu geringeren Anteilen aus Isomeren davon. Mariendistelfrüchte-Trockenextrakt (z.B. Legalon®) ist zur Anwendung bei toxischen Leberschäden und zur unterstützenden Behandlung bei chronisch-entzündlichen Leberschäden und Leberzirrhose zugelassen. Die empfohlene Dosis des auf 140 mg/Kapsel standardisierten Präparats beträgt bei schwerer Erkrankung dreimal täglich eine Kapsel, also insgesamt 420 mg/Tag.

Studiendesign

Die doppelblinde und Plazebo-kontrollierte Studie wurde an vier Kliniken in den USA zwischen Mai 2008 und März 2011 durchgeführt. 154 Personen mit chronischer HCV-Infektion (HCV-RNS positiv, Alanin-Aminotransferase-[ALT-]Werte >65 U/l) wurden in die Studie eingeschlossen. Die Patienten waren zuvor ohne Erfolg mit einer Interferon-basierten Therapie behandelt worden. Sie wurden in drei Behandlungsgruppen randomisiert und erhielten dreimal täglich 420 mg Silymarin, 700 mg Silymarin oder Plazebo über 24 Wochen per os. Diese Behandlungsdauer entspricht einem Zeitraum, in dem effektive HCV-Therapien üblicherweise eine Besserung der Krankheitsaktivität erreicht haben. Die Dosis war nach den Ergebnissen einer initialen Dosisfindungsstudie festgelegt worden und entspricht dem Drei- bzw. Fünffachen der gewöhnlich empfohlenen Menge (Kasten). Die Patienten wurden regelmäßig bis 12 Wochen nach Behandlungsende untersucht. Neben Blutbild, verschiedenen Laborparametern und HCV-RNS wurden auch die Blutspiegel der hauptsächlichen Silymarin-Komponente Silybin A bestimmt.

Primärer Endpunkt nach 24 Wochen war ein ALT-Wert von 45 U/l (normal) oder von<65 U/l, wenn der Wert einem mindestens 50%igen Abfall von den Ausgangswerten entsprach. Als sekundäre Endpunkte wurden Änderungen der ALT- bzw. HCV-RNS-Werte sowie Fragebögen zu Lebensqualität und Depression ausgewertet.

Ergebnisse

Bei fünf Patienten fiel der ALT-Wert auf 45 U/l (einer in der Plazebo-Gruppe, zwei in der 420-mg-Gruppe, zwei in der 700-mg-Gruppe). Bei einem Patienten aus der Plazebo-Gruppe sank der ALT-Wert um über 50% auf <65 U/l. Damit erreichten nach 24 Wochen in jeder Behandlungsgruppe zwei Patienten den primären Endpunkt, das entspricht 3,8% bei Plazebo-Gabe, 4,0% bei dreimal 420 mg Silymarin und 3,8% bei dreimal 700 mg Silymarin. Die durchschnittliche Abnahme des ALT-Werts (–4,3 U/l bei Plazebo, –14,4 U/l bei 3×420 mg Silymarin, –11,3 U/l bei 3×700 mg Silymarin) unterschied sich nicht signifikant in den drei Behandlungsgruppen. Auch für HCV-RNS-Werte und Parameter zu Lebensqualität oder Depression ließen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen.

Silybin-A-Plasmaspiegel variierten zwischen 2,1 und 2048 ng/ml; sie waren in der 700-mg-Gruppe etwa doppelt so hoch wie in der 420-mg-Gruppe.

Nebenwirkungen traten in der Behandlungsgruppe bei 12% und in der Plazebo-Gruppe bei 5% der Patienten auf; am häufigsten waren gastrointestinale Symptome. Das Nebenwirkungsprofil von Silymarin entsprach insgesamt dem von Plazebo. Drei Patienten aus den Silymarin-Gruppen brachen die Therapie wegen Nebenwirkungen ab.

Diskussion

Die Studie zeichnet sich im Gegensatz zu bisherigen Studien dadurch aus, dass sie ein standardisiertes Silymarin-Produkt verwendete, auf eine spezifische Lebererkrankung sowie eindeutig definierte Endpunkte beschränkt war und multizentrisch an einer relativ großen Kohorte durchgeführt wurde.

Die Silymarin-Bestandteile haben eine kurze Halbwertszeit und werden schnell durch Konjugation verstoffwechselt. In der Studie wurden höhere Silymarin-Dosen verwendet als handelsüblich empfohlen. Dennoch lagen die gemessenen Blutspiegel maximal nur knapp über 2 µg/ml. Demgegenüber wurden in Versuchen an humanen Zellkulturen, welche die antiviralen und antientzündlichen Eigenschaften von Silymarin belegen, Konzentrationen von 20 bis 50 µg/ml verwendet. Möglicherweise liegt hier ein Grund für die mangelnde Wirksamkeit bei HCV-Infektion.

Um die Krankheitsaktivität einer chronischen HCV-Infektion genau feststellen zu können, müssten eigentlich vor und nach der Behandlung Leberbiopsien entnommen werden. Diese bergen aber ein relativ hohes Risiko für den Patienten. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, einen Surrogatmarker (ALT) zu verwenden, zumal abnehmende ALT-Werte mit einer sinkenden Entzündungsaktivität bei erfolgreicher Interferon-Therapie korrelieren. Fallen die ALT-Werte nicht, ist eine Veränderung der Leberhistologie relativ unwahrscheinlich.

In einer anderen Studie, in der die Patienten Silibinin-Succinat (eine wasserlösliche Silymarin-Verbindung) intravenös erhielten, sanken die HCV-RNS-Werte im Serum deutlich. Silibinin-Succinat ist in dem hier verwendeten oralen Präparat nicht enthalten. Möglicherweise spielen also die Art der Verabreichung und die genaue Zusammensetzung des Präparats eine Rolle.

Fazit

Eine orale, hoch dosierte Therapie mit Silymarin hat für Patienten mit therapieresistenter chronischer HCV-Infektion keinen größeren Nutzen als Plazebo.

Quelle

Fried MW, et al. Effect of silymarin (milk thistle) on liver disease in patients with chronic hepatitis C unsuccessfully treated with interferon therapy: a randomized controlled trial. JAMA 2012;308:274–82.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(11)