Chronische Hepatitis C

Patienten mit Genotyp-1-Infektion profitieren von Dreifachtherapie


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Polymeraseinhibitoren wie Boceprevir und Telaprevir haben die Behandlungsergebnisse bei Patienten mit einer chronischen Hepatitis C durch Hepatitis-C-Viren (HCV) vom Genotyp 1 wesentlich verbessert, und zwar sowohl bei therapienaiven Patienten als auch bei Nonrespondern und Patienten mit einem Rückfall. Nach den Ergebnissen der PROVIDE-Studie kann bei Patienten, die auf die bisherige Standardtherapie nicht angesprochen haben, durch die zusätzliche Gabe von Boceprevir in rund 40% der Fälle ein dauerhaftes virologisches Ansprechen erreicht werden, wie bei einem von der Firma MSD Sharp & Dohme im Rahmen der 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Hamburg veranstalteten Satellitensymposium berichtet wurde.

Ziel der antiviralen Therapie bei der chronischen Hepatitis C ist die Eliminierung des Virus, das heißt der fehlende Nachweis von HCV-RNS mindestens 24 Wochen nach Therapieende. Wird eine dauerhafte Viruselimination erreicht, so ist die Wahrscheinlichkeit eines späteren Rückfalls mit 1 bis 2% sehr gering. Eine Indikation zur antiviralen Therapie besteht bei Nachweis von erhöhten Transaminasen, bei signifikanter oder fortgeschrittener Leberfibrose oder bei Vorliegen von extrahepatischen Manifestationen.

Bisherige Standardtherapie

Die bisherige Standardtherapie der chronischen Hepatitis C besteht aus einer Kombination von pegyliertem Interferon alfa (1,5 µg/kg pro Woche) und Ribavirin (gewichtsadaptiert 600 bis 1400 mg/Tag), die in der Regel über 24 Wochen (Genotyp 2 und 3) bzw. 48 Wochen (Genotyp 1) durchgeführt wird. Dieses Therapieregime führt bei etwa 50% der Patienten mit einer Genotyp-1-Infektion und bei 80% der Patienten mit einer Genotyp-2/3-Infektion zu einem vollständigen Therapieansprechen.

Neue Proteaseinhibitoren

Die Einführung der Proteaseinhibitoren Telaprevir (Incivo®) und Boceprevir (Victrelis®) hat die Therapiemöglichkeiten bei der Genotyp-1-Infektion wesentlich verbessert. Die Substanzen müssen additiv zur Standardtherapie aus pegyliertem Interferon alfa und Ribavirin gegeben werden, da sich bei einer Monotherapie rasch Resistenzen ausbilden. Eine solche Dreifachtherapie führt zu einem deutlich besseren Therapieansprechen, eine endgültige Viruselimination wird bei etwa 70% der so behandelten Patienten erreicht. Dazu kommt, dass bei rund 50% dieser Patienten die Therapiedauer im Rahmen einer Response-gesteuerten Therapie deutlich reduziert werden kann.

Stoppregeln beachten

Bei behandlungsnaiven Patienten empfiehlt sich heute nach einer primären vierwöchigen Initialtherapie mit pegyliertem Interferon alfa plus Ribavirin die zusätzliche Gabe von dreimal 800 mg Boceprevir.

Die Dauer der Behandlung sollte sich am Therapieerfolg orientieren. Dabei entscheidet das virologische Ansprechen nach der achten Woche über die Dauer der Therapie:

  • Ist bereits nach acht Wochen und im weiteren Verlauf auch nach 24 Wochen HCV-RNS nicht mehr nachweisbar, kann die Therapiedauer auf 28 Wochen begrenzt werden.
  • Ist nach achtwöchiger Therapie noch HCV-RNS nachweisbar, nach 24 Wochen jedoch nicht mehr, sollte die Dreifachtherapie bis Ende der 36. Woche fortgeführt werden Es sollte sich eine zusätzliche zwölfwöchige Therapie mit pegyliertem Interferon alfa plus Ribavirin anschließen. Die Gesamtbehandlung dauert dann 48 Wochen.

Um den Patienten nicht den Risiken einer unnötigen Therapie auszusetzen und aus Kostengründen sollten jedoch auch Stoppregeln beachtet werden. Ist nach zwölfwöchiger Therapie der HCV-RNS-Titer >100 I.E./ml oder nach 24 Wochen noch HCV-RNS nachweisbar, sollte die Therapie abgebrochen werden. Bei einer Fortführung der Therapie wären die Erfolgsaussichten minimal und das Risiko für die Entstehung von Resistenzmutationen sehr groß.

Auch Nullresponder profitieren

Kommt es zu einem Rückfall, ist ein erneuter Therapieversuch nach dem gleichen Schema durchzuführen, wobei bei einem raschen virologischen Ansprechen – also bei negativem HCV-RNS-Nachweis nach vierwöchiger Dreifachtherapie (d.h. nach achtwöchiger Behandlung) und nicht nachweisbarer HCV-RNS nach einer Gesamtbehandlungszeit von 24 Wochen – die Therapie nach 36 Wochen komplett beendet werden kann.

Auch Patienten, die auf die bisherige Standardtherapie mit pegyliertem Interferon alfa plus Ribavirin nicht angesprochen haben, profitieren von der zusätzlichen Gabe von Boceprevir. Dies konnte im Rahmen der unverblindeten einarmigen Studie PROVIDE (Sustained virologic response in prior pegInterferon-Ribavirin treatment failures after retreatment with Boceprevir + pegInterferon-Ribavirin) gezeigt werden, in die 168 Patienten mit einer chronischen Hepatitis C durch HCV vom Genotyp-1 eingeschlossen wurden. Sie hatten in den Boceprevir-Studien der Phase II und III für mindestens zwölf Wochen pegyliertes Interferon alfa und Ribavirin erhalten und keine dauerhafte Viruselimination erreicht. In einer Auswertung mit den Daten von 138 Patienten waren 47 frühere Nullresponder und 91 partielle Responder bzw. Patienten mit Rückfall eingeschlossen. Zum Zeitpunkt der Zwischenauswertung hatten 94 Patienten die Therapie abgeschlossen, 53 hatten sie aus unterschiedlichen Gründen abgebrochen, 17 Patienten befanden sich noch in Behandlung und 9 Patienten erst im frühen Follow-up. Alle Patienten erhielten zunächst in der Initialphase für vier Wochen pegyliertes Interferon alfa (1,5 µg/kg pro Woche) und Ribavirin (gewichtsadaptiert 600 bis 1400 mg/Tag) und anschließend über 44 Wochen dreimal täglich 800 mg Boceprevir. Die Viruslast wurde nach 6, 12 und 24-wöchiger Dreifachtherapie bestimmt.

Von den 47 früheren Nullrespondern erreichten 19 Patienten (40%), von den partiellen Respondern 68% und von den Patienten mit Rückfall 56% ein dauerhaftes virologisches Ansprechen. Das Sicherheitsprofil entsprach den Erfahrungen aus früheren klinischen Studien. Bei 48% der Patienten entwickelte sich eine Anämie, 47% klagten über Fatigue, 34% über Geschmacksstörungen und 30% über Übelkeit. 7% der Patienten mussten die Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse abbrechen.

Quellen

Dr. Peter Buggisch, Hamburg; Prof. Christoph Sarrazin, Frankfurt a. M.; Symposium „Erfahrungen nach einem Jahr Triple-Therapie bei Hepatitis C“, veranstaltet von MSD Sharp & Dohme GmbH im Rahmen der 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Hamburg, 20. September 2012.

Bronowicki JP, et al. Sustained virologic response (SVR) in prior pegInterferon/Ribavirin (PR) treatment failures after retreatment with Boceprevir (BOC) + PR: PROVIDE Study Interim Results. Präsentation beim 47. Jahrestreffen der European Association for the Study of the Liver (EASL) 2012; Abstract 11.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(11)