Schlaganfall

Tenecteplase zur Behandlung des akuten ischämischen Insults


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

In einer kleinen Phase-IIb-Studie war Tenecteplase klinisch besser wirksam als Alteplase und führte zu einem höheren Prozentsatz zu einer Reperfusion der verschlossenen intrakraniellen Arterie.

Die thrombolytische Therapie mit rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) in Form von Alteplase (Actilyse®) ist die einzig verfügbare kausale Therapie des ischämischen Insults. Tenecteplase (Metalyse®) ist eine genetische Variante von Alteplase und hat eine längere Halbwertszeit. Es ist zur thrombolytischen Therapie bei Herzinfarkt zugelassen. In Hinblick auf einen möglichen Einsatz bei ischämischem Schlaganfall wurde die vorliegende Dosisfindungsstudie durchgeführt.

Studiendesign

In die Phase-IIb-Studie wurden 75 Patienten mit akutem ischämischem Insult aufgenommen. Die Patienten wurden in drei Gruppen randomisiert und erhielten pro Kilogramm Körpergewicht entweder 0,9 mg Alteplase oder Tenecteplase in einer Dosierung von 0,1 mg oder 0,25 mg. Alteplase wurde als einstündige Infusion mit einem initialen Bolus von 10% der Gesamtdosis verabreicht, Tenecteplase als Bolusinfusion. Das Zeitfenster für die Therapie betrug sechs Stunden.

Eingeschlossen wurden Patienten mit einem hemisphärischen Insult, die einen Wert auf der NIHSS (National Institute of Health stroke scale) von mindestens 4 von 42 möglichen Punkten aufwiesen. Außerdem wurden Kriterien der Computertomographie (CT) verwendet: Die Patienten mussten einen in der CT-Angiographie nachweisbaren Verschluss einer großen intrakraniellen Arterie haben; Patienten mit akuten Verschlüssen der Arteria carotis interna oder mit vertebrobasilären Verschlüssen wurden ausgeschlossen. In der CT-Perfusionsmessung musste die Region mit mangelhafter Perfusion, das sogenannte Perfusionsdefizit, mindestens 20% größer sein als der Kern des Infarkts und mindestens 20 ml umfassen.

Es gab zwei primäre Endpunkte: zum einen den Prozentsatz der Patienten, bei denen es zu einer Reperfusion kam (gemessen mit der Kernspintomographie nach 24 Stunden), zum anderen die Verbesserung des klinischen Befunds nach 24 Stunden, gemessen mit der NIHSS. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem der Wert auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) nach 90 Tagen und eine Besserung der neurologischen Ausfälle um mindestens 8 Punkte auf der NIHSS.

Ergebnisse

Die Patienten waren im Mittel etwa 70 Jahre alt und hatten einen mittleren NIHSS-Score von 14. Das Zeitfenster bis zum Behandlungsbeginn betrug im Schnitt drei Stunden. Die meisten Patienten hatten einen proximalen oder distalen Mediaverschluss.

Die Rückbildung des Perfusionsdefizits betrug in der Alteplase-Gruppe 55% und in der Tenecteplase-Gruppe 79%, der Unterschied war statistisch signifikant (p=0,004). Die Verbesserung auf der NIHSS-Skala nach 24 Stunden betrug 3 Punkte bei Alteplase und 8 Punkte bei Tenecteplase (p<0,001). Symptomatische intrakranielle Blutungen gab es 3-mal bei Alteplase- und 2-mal bei Tenecteplase-Behandlung. Eine sehr gute oder gute Erholung, definiert als mRS-Score von 0 bis 2, nach 90 Tagen hatten in der Alteplase-Gruppe 11 (44%) und in der Tenecteplase-Gruppe 36 (72%) Patienten (p=0,02). Einen mRS-Score von 0 oder 1 hatten 10 bzw. 27 Patienten (p=0,25). Innerhalb der beiden Dosierungen von Tenecteplase war die höhere Dosis signifikant wirksamer als die niedrige Dosis.

Kommentar

Diese kleine Phase-IIb-Studie aus Australien ist sehr ermutigend, da sie nahelegt, dass bei Patienten mit Perfusionsdefizit und CT-angiographischem Nachweis eines intrakraniellen Gefäßverschlusses Tenecteplase besser wirksam ist als Alteplase. Dieser Therapieerfolg wird nicht durch eine höhere Rate von zerebralen Blutungen erkauft. Es muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass die Patientenzahlen in dieser Phase-IIb-Studie sehr klein sind, was insgesamt die Übertragbarkeit der Studie in den klinischen Alltag beeinträchtigt. Grund für die kleine Patientenzahl waren die sehr engen Einschlusskriterien, die dazu führten, dass von 2768 Patienten, die innerhalb von 6 Stunden nach Symptombeginn gescreent wurden, nur 127, also weniger als 5%, für die Studienteilnahme infrage kamen. Zunächst müsste noch eine große Phase-III-Studie mit einem Vergleich der hohen Dosis von Tenecteplase und Alteplase erfolgen, bevor sich die systemische Thrombolyse bei akutem ischämischem Insult ändert. Positiv anzumerken ist, dass die Autoren Patienten ausgewählt haben, die überhaupt von einer Thrombolyse profitieren können, nämlich Patienten mit nachgewiesenem Verschluss einer intrakraniellen Arterie und Perfusionsdefiziten in der CT-Perfusionsmessung.

Quelle

Parsons M, et al. A randomized trial of tenecteplase versus alteplase for acute ischemic stroke. N Engl J Med 2012;366:1099–107.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(11)