Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Chronische Herzinsuffizienz ist in einer zunehmend alternden Gesellschaft ein häufiger werdendes Gesundheitsproblem. Patienten mit Herzinsuffizienz haben ein erhöhtes Risiko für zerebrale Embolien und für das Auftreten des plötzlichen Herztods. Dies erklärt, warum in vielen Leitlinien der Einsatz von Acetylsalicylsäure (ASS) oder oralen Antikoagulanzien in dieser Patientengruppe empfohlen wird, obwohl es hierfür keine wissenschaftliche Evidenz gibt. In früheren klinischen Studien wurde zwar ein Nutzen einer oralen Antikoagulation bei Patienten mit Herzinsuffizienz gezeigt, doch in diesen Studien waren viele Patienten eingeschlossen, die zugleich unter Vorhofflimmern litten. In der WARCEF(Warfarin versus aspirin in reduced cardiac ejection fraction)-Studie wurde nun bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Sinusrhythmus untersucht, ob eine Antikoagulation mit Warfarin (Coumadin®) gegenüber Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®) von Vorteil ist.
Studienziel und -design
Die WARCEF-Studie war eine randomisierte Studie mit 2305 Patienten mit Herzinsuffizienz im Sinusrhythmus. Die eine Hälfte der Patienten wurde auf Warfarin eingestellt (Ziel-INR: 2–3,5), die andere Hälfte erhielt 325 mg Acetylsalicylsäure pro Tag. Die Studie war doppelblind und multizentrisch. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter über 18 Jahren mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von ≤35%. Patienten mit Vorhofflimmern wurden ausgeschlossen. Der kombinierte primäre Endpunkt war die Zeit bis zum ersten ischämischen Insult, einer intrazerebralen Blutung oder Tod.
Studienergebnisse
In der Warfarin-Gruppe wurden 1142 Patienten und in der Acetylsalicylsäure-Gruppe 1163 Patienten über eine mittlere Behandlungszeit von 3,5 Jahren eingeschlossen. Das mittlere Alter betrug 61 Jahre und 80% der Patienten waren männlich. Die mittlere linksventrikuläre Ejektionsfraktion betrug 24,7%.
Der primäre Endpunkt wurde von 302 Patienten in der Warfarin-Gruppe und 320 Patienten in der ASS-Gruppe erreicht. Dies entspricht einer Ereignisrate von 7,47 pro 100 Patientenjahre für Warfarin und 7,93 für ASS (Hazard-Ratio [HR] 0,93; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,79–1,10; p=0,40). Mit zunehmender Behandlungsdauer ergab sich jedoch eine Risikoreduktion zugunsten der Warfarin-Gruppe (HR –0,89/Jahr; 95%-KI 0,80–0,998; p=0,046).
Für die einzelnen Komponenten Tod und intrazerebrale Blutungen ergaben sich keine Unterschiede, ischämische Insulte waren aber mit 29 versus 55 Fällen unter Warfarin signifikant seltener (Tab. 1). Für den kombinierten Sicherheitsendpunkt aus den schwerwiegenden Komplikationen Tod, ischämischer Insult, intrazerebrale Blutung oder intrakranielle Blutung ergab sich mit 307 Ereignissen unter Warfarin versus 323 Ereignissen unter ASS kein statistisch signifikanter Unterschied.
Tab. 1. Ergebnisse der WARCEF-Studie
Warfarin (n=1142) |
Acetylsalicylsäure (n=1163) |
Hazard-Ratio (95%-Konfidenzintervall) |
p-Wert |
|||
[n (%)] |
Ereignisse/ |
[n (%)] |
Ereignisse/ |
|||
Kombinierter primärer Endpunkt: Tod, ischämischer Schlaganfall oder intrazerebrale Blutung |
302 (26,4) |
7,47 |
320 (27,5) |
7,93 |
0,93 (0,79–1,10) |
0,40 |
Komponenten des primären Endpunkts |
||||||
|
268 (23,5) |
6,63 |
263 (22,6) |
6,52 |
1,01 (0,85–1,20) |
0,91 |
|
29 (2,5) |
0,72 |
55 (4,7) |
1,36 |
0,52 (0,33–0,82) |
0,005 |
|
5 (0,4) |
0,12 |
2 (0,2) |
0,05 |
2,22 (0,43–11,66) |
0,44 |
Schwerwiegende Blutungen waren unter Warfarin allerdings häufiger als unter ASS (5,8% vs. 2,7%, p<0,001). Dabei gab es bei den Raten der intrazerebralen und intrakraniellen Blutungen keinen signifikanten Unterschied, während gastrointestinale Blutungen in der Warfarin-Gruppe signifikant häufiger auftraten als unter ASS (3,2% vs. 1,4%, p=0,005).
Kommentar
Die WARCEF-Studie beantwortet eine sehr wichtige wissenschaftliche Frage: Es gibt keine Notwendigkeit, Patienten mit Herzinsuffizienz und Sinusrhythmus mit Antikoagulanzien zu behandeln. Insgesamt ergeben sich keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen.
Eine weitere sehr wichtige Frage beantwortet die WARCEF-Studie allerdings nicht, nämlich, ob es überhaupt notwendig ist, Patienten mit Herzinsuffizienz ohne Vorhofflimmern mit Acetylsalicylsäure zu behandeln. Angesichts der nicht unerheblichen Zahl der Blutungskomplikationen müsste dies in einer weiteren, Plazebo-kontrollierten Studie untersucht werden.
Quelle
Arzneimitteltherapie 2012; 30(11)