Hepatitis B

Antivirale Behandlung kann Zirrhose zurückbilden


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Reimund Freye, Baden-Baden

Die Hepatitis-B-Virus-Infektion ist eine weltweit sehr häufige Erkrankung. Bei Chronifizierung begünstigt die Virämie eine Fibrosierung bis hin zur Zirrhose und letztlich auch die Entstehung einer hepatozellulären Karzinoms (HCC). Mit den neuen Nukleos(t)id-Analoga kann die Virusmenge jedoch wirksam gesenkt werden. Aktuelle Ergebnisse, die bei einem Pressegespräch von Gilead Sciences im September 2012 in Hamburg vorgestellt wurden, zeigten sogar eine Umkehr zirrhotischer Prozesse unter Tenofovir.

Etwa 350 Mio. Menschen weltweit sind chronisch mit Hepatitis B infiziert, in Deutschland sind etwa 400000 Menschen (0,5% der Bevölkerung) betroffen. Bis zu 40% der chronisch infizierten Patienten entwickeln unbehandelt eine Leberzirrhose, eine Dekompensierung der Leberfunktion oder ein HCC. Hepatitis-B-Viren lassen sich nicht komplett eradizieren, daher müssen die meisten Patienten mit einer Dauertherapie behandelt werden.

Für Entecavir (Baraclude®) und Tenofovir (Viread®) liegen mittlerweile Daten über eine fünf Jahre anhaltende virale Suppression vor. Bei Entecavir wurde bislang nur eine minimale Rate an Resistenzen – bei Vorbehandlung mit Lamivudin – beobachtet, mit Tenofovir traten noch keine Resistenzen auf. Virale Durchbrüche gab es nur bei nachgewiesener unregelmäßiger Tabletteneinnahme.

Die aktuellen deutschen und europäischen Leitlinien empfehlen eine frühzeitige Therapie der Hepatitis B schon bei Vorliegen von wiederholt erhöhten Entzündungsparametern, Hinweisen für Fibrosierung und bei direktem Virusnachweis. Bei Patienten mit Leberzirrhose ist schon bei der geringsten Virämie eine Behandlung angezeigt.

Behandlungsbedürftig ist immer eine Infektion mit chronischem Verlauf, wenn also die durch HBV verursachte Leberentzündung sowie die entsprechenden viralen Marker länger als sechs Monate persistieren. Die Toleranzgrenze der Viruslast liegt hier bei 2000 I.E./ml. Unterhalb von 2000 I.E./ml sollten die HBV-DNS sowie die Transaminasen alle drei bis sechs Monate kontrolliert werden.

Beobachtungsstudie bestätigt Effektivität

Zur Therapie werden die Nukleos(t)id-Analoga (NUCs) vorwiegend als Monotherapie eingesetzt. Pegyliertes Interferon alfa ist Patienten mit deutlich erhöhten Transaminase-Werten und geringer Virusmenge vorbehalten.

Tenofovir stellte nun unter Praxisbedingungen in einer nichtinterventionellen Studie seine antivirale Potenz unter Beweis. In 35 Spezialpraxen und -kliniken wurden Wirkung und Sicherheit an 400 HBV-Patienten beobachtet, die erstmalig mit Tenofovir behandelt wurden. In der ersten Auswertung nach einem Jahr konnte die HBV-Replikation je nach HBe-Status und Vorbehandlung bei 75 bis 96% der Patienten auf unter 169 I.E./ml gesenkt werden, was einer viralen Response entspricht. Eine HBeAg-Serokonversion wurde bei 17% erreicht. Die Verträglichkeit war besser als in den zulassungsrelevanten Studien.

Weil das Hepatitis-B-Virus nicht endgültig eradiziert werden kann, müssen Patienten mit einer bekannten HBV-Infektion bei Immunsuppression, wie nach Organtransplantationen oder bei Therapie mit TNF-alpha-Blockern oder CD20-Antikörpern, besonders sorgfältig beobachtet werden. In jedem Fall ist eine Impfung sinnvoll, weil dies eine einfache und sichere Methode ist, einer Infektion vorzubeugen (vgl. Arzneimitteltherapie 2012;30:254–64).

Regression einer Zirrhose möglich

Die effektive Suppression des Virus steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung eines HCC. Nach den Daten der REVEAL-Studie korreliert die Viruslast mit der Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms. So liegt die kumulative HCC-Inzidenz nach 13 Jahren im Falle von mehr als 106 HBV-DNS-Kopien/ml bei fast 15%, gegenüber 1,3% bei einer erfolgreichen Suppression des Virus [2].

In einer Fünf-Jahres-Analyse histologischer Befunde konnte das Dogma korrigiert werden, dass eine Zirrhose ein unumkehrbares Ereignis darstellt [3]. Von 96 Patienten waren im Rahmen der zulassungsrelevanten Studien für Tenofovir Leberbiopsien genommen worden, die eine Analyse des Langzeitverlaufs der Fibrosierung des Gewebes ermöglichten. Von den 96 Patienten, die zu Studienbeginn eine Zirrhose hatten, erreichten 71 unter der Tenofovir-Therapie eine Verbesserung des Ishak-Scores. Bei 24 Patienten fand sich keine Veränderung, lediglich einer hatte sich verschlechtert. Damit war bei 99% der Patienten unter Tenofovir-Therapie eine Rückbildung oder ein Stopp der Progression der Zirrhose möglich. Ferner zeigte die Fünf-Jahres-Auswertung, dass sich unter der Tenofovir-Therapie zuletzt bei 96 bis 100% aller behandelten Patienten keine HBV-DNS mehr nachweisen ließ.

Quellen

Prof. Dr. med. Jörg Petersen, Hamburg; Prof. Dr. med. Elke Roeb, Gießen; Pressegespräch „Facetten einer erfolgreichen Hepatitis B Therapie – ein Kongressupdate“, veranstaltet von Gilead Sciences im Rahmen der 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), Hamburg, 20. September 2012.

1. Han G, et al. Hepatology 2010;52:427A–8A.

2. Chen CJ, et al. JAMA 2006;295:65–73.

3. Marcellin P, et al. AASLD 2011; Poster #1375.

Arzneimitteltherapie 2012; 30(12)