Dr. med. C. Borchard-Tuch, Zusmarshausen
Immunmodulatoren beginnen sich in der Therapie von Tumorpatienten in fortgeschrittenen Stadien durchzusetzen. Ein Beispiel ist der Anti-CTL4-Antikörper Ipilimumab (Yervoy®), der für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom zugelassen ist.
Es stand in der AMT
Malignes Melanom: Ipilimumab verstärkt T-Zell-vermittelte Immunantwort. Arzneimitteltherapie 2012;30:321–2.
Die ebenfalls immunmodulatorisch wirksamen Substanzen Anti-PD-1 (BMS-936558) und Anti-PD-L1 (BMS-936559) befinden sich zurzeit in der klinischen Entwicklung. Anti-PD-1 ist ein humanisierter monoklonaler IgG4-Antikörper, der gegen den Rezeptor PD-1 (Programmed death-1) gerichtet ist. PD-1 wird auf der Oberfläche aktivierter T-Zellen exprimiert. Nach Andocken seines Liganden PD-L1 wird eine Reaktionskaskade ausgelöst, die den gegen einen Tumor gerichteten immunologischen Reaktionen entgegenwirkt. Anti-PD-1 und Anti-PD-L1 verstärken somit indirekt die T-Zell-vermittelte Immunantwort.
Studie zu Anti-PD-1
In die Phase-I-Studie zu Anti-PD-1 wurden 296 Malignompatienten aufgenommen, bei denen Standardtherapien (im Durchschnitt 3) versagt hatten, und zwar 122 Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom, 104 mit Melanom, 19 mit kolorektalem Karzinom, 17 mit Prostata- und 34 mit Nierenzellkarzinom. Der Anteil an Zellen, die PD-L1 exprimierten, wurde bei 42 Patienten in Tumorproben immunhistochemisch bestimmt. Lag der Anteil an PD-L1-exprimierenden Zellen in einer Probe über 5%, wurde der Tumor als PD-L1-positiv eingestuft.
Die Patienten erhielten alle zwei Wochen intravenös 0,1 bis 10 mg/kg Körpergewicht Anti-PD-1. Eine maximal verträgliche Dosis wurde nicht festgesetzt. Die Wirksamkeit der Therapie (Reduktion der Tumormasse) wurde nach jedem 8-Wochen-Zyklus und die Toxizität kontinuierlich untersucht. Die Patienten wurden über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren behandelt.
Ein komplettes oder partielles Ansprechen wurde bei 28% der Melanompatienten, 18% der Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom und 27% mit Nierenzellkarzinom erreicht. Da das nichtkleinzellige Bronchialkarzinom bislang als resistent gegenüber Immuntherapien galt, war die Ansprechrate von nahezu 20% von besonderem Interesse. Dagegen fand sich kein Rückgang der Tumormasse bei Patienten mit Prostata- oder kolorektalem Karzinom. Bei zwei Dritteln der Patienten mit objektivem Ansprechen hielt dieses mindestens ein Jahr an.
Von den 25 Patienten mit PD-L1-positiven Tumorproben konnte bei 9 ein objektives Ansprechen nachgewiesen werden, während keiner der 17 Patienten mit PD-L1-negativen Tumorproben auf die Therapie ansprach.
Im Allgemeinen wurde Anti-PD-1 gut vertragen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Fatigue, Appetitabnahme, Diarrhö, Übelkeit, Husten, Dyspnoe, Obstipation, Erbrechen, Hautausschlag, Fieber und Kopfschmerzen. Bei 14% der Patienten traten Nebenwirkungen des Schweregrads 3 (Unterbrechung der Chemotherapie erforderlich) oder 4 (stationäre Aufnahme notwendig) auf. So kam es zu entzündlichen Reaktionen an inneren Organen und drei Patienten starben infolge einer toxisch bedingten Pneumonitis.
Studie zu Anti-PD-L1
Auch die Blockade der Interaktion von PD-1 mit seinem Liganden PD-L1 verbessert offenbar die zelluläre Immunreaktion gegen Malignome. In einer multizentrischen Phase-I-Studie wurde Anti-PD-L1 (BMS-936559) bei Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen untersucht [2].
An der Studie nahmen 207 Patienten teil – 75 mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom, 55 mit malignem Melanom, 18 mit kolorektalem Karzinom, 17 mit Nierenzellkarzinom, 17 mit Ovarialkarzinom, 14 mit Pankreaskarzinom, 7 mit Magen- und 4 mit Brustkrebs. Die Patienten wurden in sechswöchigen Zyklen behandelt, wobei Anti-PD-L1 in Form einer 60-minütigen Infusion an den Tagen 1, 15 und 29 jedes Zyklus zugeführt wurde. Die Behandlung erstreckte sich über einen Zeitraum von bis zu 16 Zyklen.
Die mittlere Therapiedauer betrug 12 Wochen. Die objektiven Ansprechraten lagen zwischen 6 und 17%: Ein komplettes oder partielles Ansprechen wurde bei 17% der Melanompatienten, 10% der Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom, 12% mit Nierenzellkarzinom und 6% mit Ovarialkarzinom erreicht. Die Stabilisierungsraten lagen zwischen 12 und 41% für 24 Wochen. Bei 9% der Patienten traten Nebenwirkungen des Schweregrads 3 oder 4 auf.
Fazit
Die beiden Studien unterstreichen die Bedeutung des PD-1/PD-L1-Signalwegs für die Behandlung von Malignomen über das Immunsystem, insbesondere beim malignen Melanom, nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom und Nierenzellkarzinom. Die Ergebnisse der Studie von Topalian et al. [1] weisen daraufhin, dass die Expression von PD-L1 in Malignomen als Biomarker eingesetzt werden kann, der die Entscheidung, ob sich ein Patient für eine Therapie mit Anti-PD1 eignet, unterstützt.
Die im Vergleich zu CTL4 erhöhte Selektivität von PD-1 für immunsuppressive Signale, die direkt von Tumorzellen ausgelöst werden, lässt hoffen, dass eine Antagonisierung von PD-1 bzw. seines Liganden mit weniger unerwünschten Wirkungen verbunden ist als eine Antagonisierung von CTL4. Weitere Studien sind jedoch erforderlich, um Wirksamkeit und unerwünschte Nebenwirkungen von Anti-PD-1 und Anti-PD-L1 zu untersuchen.
Quellen
1. Topalian SL, et al. Safety, activity, and immune correlates of anti-PD-1 antibody in cancer. N Engl J Med 2012;366:2443–54.
2. Brahmer JR, et al. Safety and activity of anti-PD-L1 antibody in patients with advanced cancer. N Engl J Med 2012;366:2455–65.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(12)