Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Antikoagulanzien-induzierte intrakranielle Blutungen sind größer als spontane Blutungen, haben ein höheres Risiko einer Zunahme des Blutungsvolumens und eine schlechtere Prognose als spontane intrakranielle Blutungen. Die meisten Leitlinien empfehlen den Einsatz von entweder Fresh-frozen-Plasma oder Prothrombinkomplexkonzentraten (PCC, auch: PPSB). Allerdings gibt es nur sehr wenig prospektiv gesammelte Daten zum Einsatz der beiden Therapiemethoden.
In einem prospektiven multizentrischen Register in Kanada wurden 141 Patienten eingeschlossen, bei denen eine intrakranielle Blutung mit PCC behandelt wurde. Sie wurden über die Blutbanken der entsprechenden teilnehmenden Krankenhäuser identifiziert. Erhoben wurden die klinischen Parameter, Ergebnisse der zerebralen Bildgebung, Laborwerte sowie thrombotische Ereignisse unter und nach Therapie. Das Volumen der intrakraniellen Blutungen wurde in CT-Aufnahmen gemessen. Das klinische Ergebnis wurde mit der modifizierten Rankin-Skala bei Entlassung beurteilt, außerdem wurde die Sterblichkeit im Krankenhaus erfasst.
Die Patienten waren im Mittel 78 Jahre alt. 60% waren Männer. 20% nahmen zum Zeitpunkt der Blutung zusätzlich zu Warfarin Thrombozytenfunktionshemmer ein. Bei drei Viertel der Patienten war die Indikation für die Einnahme von Warfarin Vorhofflimmern, die zweithäufigste Indikation waren tiefe Beinvenenthrombosen. 50% der Blutungen waren intraparenchymatöse Hirnblutungen, 43% Subduralhämatome und 6% Subarachnoidalblutungen. Bei 20% der Patienten lag eine intraventrikuläre Blutung vor.
Nach der Therapie mit PCC fiel der INR im Median von 2,6 auf 1,4, bei 80% der Patienten hatte sich der INR innerhalb einer Stunde nach Gabe von PCC normalisiert. Patienten mit intraparenchymatösen Hirnblutungen hatten eine Sterblichkeit von 42,3%. Bei 50% kam es zu einer Ausdehnung des initialen Hämatoms. Innerhalb der ersten sieben Tage nach PCC-Therapie kam es zu drei thrombotischen Komplikationen.
Kommentar
Diese Beobachtungsstudie aus Kanada legt nahe, dass Prothrombinkomplexkonzentrate sehr wirksam sind, um innerhalb kurzer Zeit einen erhöhten INR zu normalisieren. Unabhängig davon zeigt die hier vorgelegte Studie aber eine Letalität von 42%. Dies entspricht der Sterblichkeit, die bei intrakraniellen Blutungen in der RELY-Studie beobachtet wurde [2]. In dieser Studie wurden PCC sehr selten eingesetzt, sodass zu vermuten ist, dass PCC die Prognose intrakranieller Blutungen unter Gabe von Antikoagulanzien nicht beeinflusst. Um diese Frage aber endgültig entscheiden zu können, wäre eine Plazebo-kontrollierte Studie notwendig, die idealerweise Plazebo mit Fresh frozen Plasma und Prothrombinkomplexkonzentrat vergleichen würde.
Quellen
1. Dowlatshahi D, et al.; on behalf of the Canadian PCC Registry (CanPro) Investigators. Poor prognosis in warfarin-associated intracranial hemorrhage despite anticoagulation reversal. Stroke 2012;43:1812–7.
2. Hart RG, et al. Intracranial hemorrhage in atrial fibrillation patients during anticoagulation with warfarin or dabigatran: The RE-LY Trial. Stroke 2012;43:1511–7.
Arzneimitteltherapie 2012; 30(12)